Entscheidung der Woche 38-2020 (ZR)
Patrick Glatz
Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet...
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BGH – VIII ZR 315/18
in: BeckRS 2020, 13134
A. Amtliche Leitsätze (Auszug)
Der Verkäufer eines Tieres hat, sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls
vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre (Bestätigung von BGH, Urteile vom 18.Oktober 2017 -VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; vom 30.Oktober 2019 -VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25; jeweils mwN).
B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)
Die K erwarb am 05.10.2013 von der B bei einer Pferdeauktion den fünf Jahre alten Wallach „Santiano K“ für 31.7733,19 EUR zur Nutzung als Sportpferd. Die Tochter der K, eine ausgebildete Pferdewirtin und -ausbilderin bildete das turniererfahrene Pferd weiter aus, um es auf den Leistungsstand der Klasse L zu bringen, an dem es im Mai 2014 an einer Dressurprüfung teilnahm. Dem Dezember 2014 folgend, erklärte die K ggü. der B mit anwaltlichem Schreiben, dass das Pferd Rittigkeitsprobleme aufweise die auf sog. verengten Dornfortsätzen der Wirbelsäule (Kissing Spines) beruhten. Die K begehrt nun Rücktritt vom Kaufvertrag.
C. Anmerkungen
Der BGH hatte erneut die Gelegenheit Stellung zum Mängelgewährleistungs- und Rücktrittsrecht beim Tierkauf zu nehmen. Erneut ist der Anlass der Kauf eines Sportpferdes. Das umfangreiche Urteil, bestehend aus insgesamt acht amtlichen Leitsätzen, hat dabei seinen Schwerpunkt bei der Frage, ab wann ein Sachmangel vorliegt. Der Senat bekräftigt dabei seine Rechtsprechung, dass die übliche Beschaffenheit eines Reitpferdes nicht in jeder Hinsicht einer biologischen und physiologischen „Idealnorm“ zu entsprechen hat. Vielmehr müsse beachtet werden, dass es sich bei Pferden um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und mit individuellen Anlagen ausgestatten sind, die mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind. Für diese Risiken hat der Verkäufer nicht einzustehen, soweit diese Eigenschaft nicht besonders vereinbart ist. Daraus folgt auch, dass den Verkäufer nur die Pflicht trifft ein Pferd zu verschaffen, das bei Gefahrübergang nicht krank ist oder zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es nicht erkranken wird, sodass es sich für die gewöhnliche und Verwendung eignet. Tritt dennoch eine, wie in diesem Fall vorliegende Krankheit auf, die nicht in den Pflichtenkreis des Verkäufers fällt, realisiert sich ein natürliches aus der Art der Sache als Reitpferd resultierendes Risiko.
Ein Studium des gesamten Urteils empfiehlt sich, da der BGH auch Stellung zu der Frage nimmt, wann die Beweislastumkehr des § 476 a.F. (jetzt § 477) greift; eine Auslegung die auch für den § 477 BGB von Bedeutung ist.
D. In der Prüfung
A. Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, § 326 Abs. 5 BGB
I. Wirksamer KV (+)
II. Mangel (P)
1. Vereinbarte Beschaffenheit (-)
2. Gewöhnliche Beschaffenheit (P)
3. Vertraglich vorausgesetzte Verwendung (P)
III. Maßgeblicher Zeitpunkt
IV. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung
V. Kein Ausschluss
VI. Rücktrittserklärung, § 349 BGB
VII. Keine Einrede der Unwirksamkeit, § 438 Abs. 4 S. 1 BGB
VIII. Ergebnis
E. Zur Vertiefung
Looschelders, JA 2020, 703;
Zum Tierkaufrecht: Al Hakim/Behrens, Pferdeauktion, HanLR 2020, S. 73ff;
Zum Rücktrittsrecht: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, § 47.