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Entscheidung der Woche 39-2023 (ÖR)

Jasmin Wulf

§ 13b Satz 1 BauGB ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar und darf wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerwG, Urt. v. 19.07.2023 - 4 CN 3.22

in: BeckRS 2023, 17631

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. § 13b Satz 1 BauGB, der ein beschleunigtes Verfahren ohne Umweltprüfung für Flächen im Außenbereich vorsieht, die weniger als 10.000 Quadratmeter groß sind, ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar und darf wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden.

2. Ein Bebauungsplan, der im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt wurde, ist unwirksam, da er an einem beachtlichen Verfahrensfehler i.S.d. § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB leidet.

3. Die Vorschrift des § 13b BauGB verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 der RL 2001/42/EG. Danach wird eine Umweltprüfung gefordert, wenn der Plan voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat. Ob dies der Fall ist, muss durch Einzelfallbetrachtung, Artfestlegung oder Kombination beider Ansätze bestimmt werden; eine typisierende Betrachtungsweise oder Pauschalierung ist nicht ausreichend.


B. Sachverhalt

Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Der ursprünglich am 27. Februar 2019 beschlossene und am 22. November 2019 bekanntgemachte Bebauungsplan überplant ein ca. 3 Hektar großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Antragsgegnerin und setzt ein allgemeines Wohngebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,4 fest. Der Bebauungsplan wurde dabei nicht im Regelverfahren, sondern im beschleunigten Verfahren nach § 13 b BauGB ohne Umweltprüfung erlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen, weshalb der Antragssteller Revision gem. § 132ff. VwGO eingelegt hat mit der Begründung, dass § 13 b BauGB unionsrechtswidrig sei und daher nicht habe angewendet werden dürfen. Dadurch sei ein Verfahrensfehler entstanden, sodass der Bebauungsplan unwirksam sei.


C. Anmerkungen

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision als begründet angesehen. Nach Ansicht des Gerichts ist der Bebauungsplan vom 27. Februar 2019 unwirksam, da er an Verfahrensfehler leidet, die nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich sind und daher zur Unwirksamkeit führen, § 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwGO.

Der Bebauungsplan durfte nicht ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB und ohne Umweltbericht, § 2a S. 2 Nr. 2 BauGB, erlassen werden, sondern hätte im Regelverfahren ablaufen müssen. § 13b BauGB ist nach Ansicht des Gerichts unionsrechtswidrig und daher nicht anwendbar, weil er die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zulässt. Durch den Verweis von § 13b S. 1 BauGB auf § 13a BauGB kann das nach dieser Vorschrift auf Flächen im Siedlungsbereich beschränkte beschleunigte Verfahren für die Überplanung von bestimmten Außenbereichsflächen nutzbar gemacht werden. Damit ist dann auch eine Umweltprüfung und die Erstellung eines Umweltberichts nicht erforderlich.

Diese Regelung wird den Anforderungen der RL 2001/42 EG (Strategische Umweltprüfungs-RL) nicht gerecht. In der Sache müssen die Mitgliedstaaten durch dessen Voraussetzungen in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 5 SUP-RL entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze sicherzustellen, dass sämtliche Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, einer Umweltprüfung unterzogen werden. Dabei obliegt die Auswahl des konkreten Mittels dem Mitgliedstaat, es muss sich aber innerhalb der Vorgaben der Richtlinie halten. Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Artfestlegung ist dafür unzureichend, da bei den durch § 13b S. 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 S. 5 Alt. 1 BauGB umschriebenen Plänen gerade auch wegen der Unterschiedlichkeit der Flächen erhebliche Umweltauswirkungen nicht in jedem Fall ausgeschlossen werden können. Für eine wie von § 13b BauGB ermöglichte Außenentwicklung lässt sich gerade keine Art von Plänen und Programmen definieren, die a priori voraussichtlich keine erheblichen Umwelteinwirkungen hat. Eine vorrangige unionsrechtskonforme Auslegung des § 13b BauGB scheidet aus, sodass dieser aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet bleibt. Das Fehlen der Umweltprüfung und des Umweltberichts führt zu einem nach § 214 BauGB beachtlichen Fehler, der zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führt.


D. In der Prüfung

Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

I. Zulässigkeit des Normenkontrollantrags

II. Begründetheit des Normenkontrollantrags

1. Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans

a) Rechtsgrundlage

b) Formelle Rechtmäßigkeit

aa) Zuständigkeit

bb) Verfahren

(P) Fehlende Umweltprüfung, § 2 Abs. 4 BauGB

2. Mögliche Wirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit (-), § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB


E. Literaturhinweise

Mayer, Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren nach § 13b BauGB im Konflikt mit dem Gebot der Reduzierung der Freiraumflächeninanspruchnahme, ZfBR 2019, 9.

 
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