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Entscheidung der Woche 41-2019 (SR)

Adam Hetka

Bei der Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es entscheidend darauf an, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH – 5 StR 593/18

in: HRRS 2019 Nr. 527

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Bei der Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es entscheidend darauf an, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens.

Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er dadurch die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam. Daher wird in einer Person, die einen Gegenstand in der Tasche ihrer Kleidung trägt, in der Regel die ausschließliche Sachherrschaft auch dann zugewiesen, wenn sie sich noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten befindet.

Ein Täter, der transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen in einem Geschäft in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche (hier: Sporttasche bzw. Rucksack) steckt, bringt sie in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich und begründet damit ebenfalls neuen Gewahrsam.


B. Sachverhalt

A nahm in einem Supermarkt vier Flaschen Jägermeister und zwei Flaschen Bacardi aus dem Regal. Diese legte er in eine mitgeführte Sporttasche, um die Flaschen vor möglichen Beobachtern zu verbergen und sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Bevor D den Supermarkt verlassen konnte, wurde er von zwei Supermarktmitarbeitern gestellt.

Einige Tage später entnahm A in einem anderen Supermarkt fünf Flaschen Jägermeister aus dem Regal und steckte sie in einen mitgeführten Rucksack. Anschließend ging er in Richtung Ausgang, um auch diese Waren unbezahlt für sich zu verwenden, an dem er auch diesmal gestellt wurde.


C. Anmerkungen

Mit Urteil vom 6.3.2019 hat sich der BGH (Az.: 5 StR 593/18) mit der Vollendung der Wegnahme beim Diebstahl beschäftigt. Dabei widmete er sich konkret der Frage, inwiefern bei kleinen, leicht transportablen Sachen die

Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave möglich ist.

So kann nach dem BGH eine Wegnahme kleiner, leicht transportabler Sachen nicht nur dann gegeben sein, wenn sie unter der Kleidung des Täters versteckt, sondern auch, wenn sie in einer mitgebrachten Tasche oder einem Rucksack verstaut werden. Denn auch hier bringe er sie in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung.

Daraus lässt sich allerdings nicht der Schluss ziehen, dass das Verbringen einer Sache in einer mitgebrachten Tasche oder einem Rucksack zwingend einen Gewahrsamswechsel zur Folge hat: Der BGH wies abermals ausdrücklich darauf hin, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt und in anders gelagerten Konstellationen durchaus eine andere Beurteilung angezeigt sein kann.

Aus diesem Grund wird es in der Klausur in erster Linie darum gehen, alle im Sachverhalt enthaltenen Informationen sorgfältig auszuwerten, um anschließend eine saubere und argumentativ überzeugende Prüfung des Gewahrsamswechsels vornehmen zu können.

Die Begrifflichkeiten „Wegnahme“ und „Gewahrsam“ stellen regelmäßig Problemschwerpunkte bei Vermögensdelikten dar, weshalb sie damit auch für das Examen von enormer Bedeutung sind. Denn nur wenn eine Wegnahme in der Prüfung bejaht werden kann, können anschließend auch die §§ 243, 244 StGB sowie ein Raub mit seinen Qualifikationen behandelt werden.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Fremde, bewegliche Sache

b. Wegnahme (!)


E. Zur Vertiefung

Zum Diebstahl: Rengier, Strafrecht BT I, 21. Aufl. 2019, § 2.

 
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