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Entscheidung der Woche 41-2020 (ZR)

Anna Engel

Ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde ist dem Eigentümer nicht i.S.v. § 935 BGB abhandengekommen.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH Urt. v. 18.09.2020 - V ZR 8/19

in: Pressemitteilung d. BGH Nr. 122/20 vom 18.09.2020

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde ist dem Eigentümer nicht i.S.v. § 935 BGB abhandengekommen. Dieser verliert daher sein Eigentum an dem Fahrzeug, wenn es nachfolgend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben wird.


B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)

Bei K, die ein Autohaus betreibt, erschien am 26.08.2017 V, der vorgab sich als vermeintlicher Kaufinteressent für einen als Vorführwagen genutzten Mercedes-Benz im Wert von 52.900 € zu interessieren. Durch das Vorlegen gefälschter Dokumente wurde V für eine unbegleitete Probefahrt auf der Grundlage eines "Fahrzeug-Benutzungsvertrages" das Fahrzeug mitsamt Schlüssel und notwendigen Dokumentenkopien ausgehändigt. V kehrte mit dem Fahrzeug nicht ins Autohaus zurück. Durch ein Internetportal auf den Wagen aufmerksam geworden, schloss B, die die vorgelegten Unterlagen nicht als Fälschung erkannte, einen Kaufvertrag über das Fahrzeug ab. Ihr wurde nach Zahlung des Kaufpreises von 46.500 € das Fahrzeug sowie die zugehörigen Schlüssel und gefälschten Dokumente übergeben. Die Behörde lehnte eine Zulassung ab, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war. K verlangt von B die Herausgabe des Fahrzeuges und des Originalschlüssels. B verlangt im Wege der Widerklage u.a. die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere und des Zweitschlüssels.


C. Anmerkungen

Der BGH stellt mit seiner Entscheidung das erstinstanzliche Urteil wieder her und widerspricht zugleich auch, zumindest in Konstellationen wie der vorliegenden, der Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 18.04.2005 – 19 U 10/05). Der Kern des Falles ist die Frage, ob B Eigentum an dem Wagen erlangen konnte oder ein gutgläubiger Erwerb deswegen ausgeschlossen war, weil der Wagen der K vorher abhandenkam. Entscheidend klärt der BGH dazu die Frage, wie das Überlassen eines Autos zum Zwecke der Probefahrt besitzrechtlich zu beurteilen ist. Ausschlaggebend für die Klassifizierung als Besitzmittlungsverhältnis sei zum einen das Fehlen einer faktischen Einwirkungsmöglichkeit der K für die Dauer der Probefahrt. Abgesehen von der Vereinbarung der Rückgabe sei V keinerlei Weisungen der K unterworfen.

Zum anderen sei der Leihvertrag zwischen K und V wie ein Mietvertrag und somit gem. § 868 BGB als Besitzmittlungsverhältnis zu beurteilen. Auf die Abgrenzung eines vom BGH angenommenen Besitzmittlungsverhältnises gem. § 868 BGB zur Besitzdienerschaft nach § 855 BGB kommt es deswegen entscheidend an, weil eine Sache beim Besitzmittlungsverhältnis nur dann als abhandengekommen gilt, wenn sie dem unmittelbaren Eigenbesitzer abhandenkommt. Dementsprechend kam der Wagen K nicht abhanden und sie verlor durch den Verkauf des V an B ihr Eigentum. Der BGH bestätigt, dass wer sein Eigentum freiwillig außer Hand gibt und es unterlässt zur Sicherung weitere Maßnahmen zu ergreifen, auch das Risiko der Unterschlagung trägt. Dem gutgläubigen Käufer sei es nicht zuzumuten das typische Geschäftsrisiko eines solchen Geschäftsmodells zu tragen.


D. In der Prüfung

A. Klage des K auf Herausgabe nach § 985 BGB

I. Anspruchssteller ist Eigentümer

1. K als Eigentümer (+)

2. Eigentumsverlust an V (-)

3. Gutgläubiger Erwerb der B nach § 932 BGB (P)

a. Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsge-schäfts (+)

b. Rechtsscheintatbestand (+)

c. Guter Glaube (+)

d. Kein Abhandenkommen (+)

II. Ergebnis

B. Widerklage der B auf Herausgabe § 985 BGB

I. Anspruchssteller ist Eigentümer (+)

II. Anspruchsgegner ist Besitzer (+)

III. Kein Recht zum Besitz (+)

IV. Ergebnis


E. Zur Vertiefung

Temming, Der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei abhanden gekommenen Sachen, JuS 2018, 108.

 
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