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Entscheidung der Woche 41-2021 (ÖR)

Sina John

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OVG Bautzen 6 B 360/21

in: BeckRS 2021, 27013

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

n.v.


B. Sachverhalt

Die Antragsstellerin ist eine zur Bundestagswahl 2021 zugelassene Partei, welche mehrere Wahlplakate im Stadtgebiet der Antragsgegnerin aufgehangen hat. Auf der oberen Hälfte jedes Plakates befindet sich der Schriftzug „Hängt die Grünen“, die untere Hälfte bestimmt der Schriftzug „Wählt Deutsch“. Darunter befindet sich in 2cm kleiner Schrift der Slogan „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt.“ Am Ende des Plakates steht in Großdruck „Der Dritte Weg“. Mit Bescheid vom 09.09.2021 verfügte die Antragsgegnerin, dass alle Plakate aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen sind und so unterzubringen sind, dass diese keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen. Weiterhin ordnete sie die sofortige Vollziehung an. Nach einem erfolglosen Widerspruch wandte sich die Antragsstellerin im Eilverfahren an das VG Chemnitz. Das VG stellte die aufschiebende Wirkung wieder her und verfügte, dass die Plakate mit einem Mindestabstand von 100m zu den Plakaten der Partei „Bündnis90/Die Grünen“ aufgehangen werden dürfen. Mit der Beschwerde gemäß § 146 I VwGO verfolgen sowohl Antragsstellerin, als auch Antragsgegnerin ihre Begehren weiter.


C. Anmerkungen

Im Verfahren der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 V 1 VwGO sind das Aussetzungsinteresse der Antragsstellerin und das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gegeneinander abzuwägen. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht abschließend beurteilen, hat das Gericht im Rahmen einer eigenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung und das private Interesse Betroffener und Dritter, von der Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Das OVG ist hierbei als Beschwerdeinstanz gemäß § 146 IV 6 VwGO auf die Prüfung der in den Beschwerden vorgebrachten Gründe beschränkt.

Die einschlägige Ermächtigungsgrundlage stellt, mangels spezialgesetzlicher Regelung, § 12 SächsBPG (in Niedersachsen § 11 NPOG) dar. Dieser fordert eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, welche hier in Form einer Verletzung der Rechtsordnung im Sinn des § 130 I Nr. 1 und 2 StGB in Frage kommt.

Die Antragsstellerin kann sich in Bezug auf ihre Wahlplakate grundsätzlich auf ihre Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 Alt. 1 GG berufen. Die Grenze der Meinungsfreiheit bilden jedoch gemäß Art. 5 II GG allgemeine Gesetze und so auch Strafgesetze. Hierbei prüft das OVG jedoch nur das Vorliegen des objektiven Tatbestandes; eine Strafbarkeit ist für das präventiv ausgerichtete Polizeirecht nicht nötig. Für eine Beurteilung der Aussagen ist ihr objektiver Sinn zu ermitteln. Es gilt das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Hierfür ist Grundlage der Wortlaut selbst sowie der Kontext der Aussage und deren Begleitumstände. Sofern es sich nach diesem Maßstab um eine mehrdeutige Aussage handelt, darf der Aussage nur eine sanktionierende Wirkung beigemessen werden, wenn alle sanktionslosen Bedeutungen vorher ausgeschlossen wurden.

Auf Grund dieses Maßstabes kommt das OVG zu dem Ergebnis, dass die überwiegende Mehrheit der Passanten mit „die Grünen“ die Partei „Bündnis90/Die Grünen“ assoziiert. Dass grün die Parteifarbe der Antragsstellerin ist, sei den meisten nicht bekannt. Somit kann auch nicht die Antragsstellerin selbst mit den Plakaten assoziiert werden. Zudem nehmen die meisten Passanten nur den Schriftzug „Hängt die Grünen“, „Wählt Deutsch“ und „Der Dritte Weg“ wahr, wobei der Schriftzug „Hängt die Grünen“ eindeutig dominiert und im Gedächtnis bleibt. Den Schriftzug „macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt.“ nehmen die meisten Passanten allein auf Grund nur 2cm großen Schrift nicht wahr.

Auf Grund dieser Wahrnehmung sieht das VG den objektiven Tatbestand des § 130 I Nr. 1 und 2 als gegeben an. Die Plakate stacheln zum Hass gegen Mitglieder der Partei „Bündnis90/Die Grünen“ an und richten sich so gegen ein Teil der Bevölkerung i.S.d. § 130 StGB. Der Angriff richte sich gegen den Kern der Persönlichkeit der Mitglieder und spreche den Parteimitgliedern deren Lebensrecht als gleichwertige Personen ab („hängt“). Die Plakate seien geeignet bei anderen Menschen eine verächtliche Haltung gegenüber den Parteimitgliedern der Grünen zu fördern. Ein Rückblick auf Ereignisse in der Vergangenheit (vgl. die Attentate in Kassel, Hanau, Halle) spreche ebenfalls dafür. Somit ist eine Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 130 I Nr. 1 , Nr. 2 StGB gegeben. Die Aussagen sind mithin nicht mehr von Art. 5 GG gedeckt. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt damit vor.


D. In der Prüfung

§ 12 SächsPBG (Pendant zu § 11 NPOG)

1. Betroffenheit der Öffentliche Sicherheit

2. Gefahr

a. Objektive Rechtsordnung

(P) Verstoß gegen § 130 I Nr. 1, 2 StGB


E. Zur Vertiefung

n.v.

 

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