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Entscheidung der Woche 42-2021 (ZR)

Marie-Christin Runkel

Im Kaufrecht kann die Höhe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen (noch nicht aufgewendeten, „fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten berechnet werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH V ZR 33/19

in: NJW 2021, 1532

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Im Kaufrecht kann die Höhe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen (noch nicht aufgewendeten, „fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten berechnet werden.

Die neuere Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, die diese Berechnung ablehnt, sei aufgrund der Besonderheiten des Werkvertragsrechts auch nur auf dieses anwendbar.


B. Sachverhalt

Der Beklagte (B) verkaufte eine Eigentumswohnung mit notariellem Kaufvertrag zum Preis in Höhe von 79.800 Euro am 27.02.2014 an die Kläger (K).

Im Vertrag wurde eine Sachmängelhaftung ausgeschlossen. B verpflichtete sich aber dazu, die Fassade zu verputzen und, sofern bis zum 31.12.2015 erneut Feuchtigkeit im Schlafzimmer auftreten sollte, diese auf eigene Kosten zu beseitigen. Ende 2014 trat an der Schlafzimmerwand der K Feuchtigkeit auf. Sie forderten B zur Nacherfüllung auf, dieser ließ die Frist jedoch erfolglos verstreichen. Die K fordern von B die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (ohne Umsatzsteuer).


C. Anmerkungen

Auf den Ersatz der Kosten für die Beseitigung der Feuchtigkeit ist Kaufrecht anzuwenden. Bei der festgestellten Feuchtigkeit an der Wand handelt es sich um einen Mangel an der Kaufsache. Eine Schadensersatzpflicht wegen Nichtleistung ergibt sich hier aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB. Die Mängelbeseitigung wurde noch nicht vorgenommen, sodass sich die Frage stellt, wie der Schaden zu berechnen ist.

Der Schadensersatz bemisst sich nach den Kosten für die Nachlieferung bzw. die Nachbesserung. Für das Werkvertragsrecht hat der VII. Zivilsenat in neuer Rechtsprechung (BGH VII ZR 46/17) entschieden, dass bei der Schadensberechnung gerade nicht auf die „fiktiven“ Mängelbeseitigungskosten zurückgegriffen werden kann. Die kaufrechtliche Rechtsprechung hierzu hatte zuvor auf der Rechtsprechung zum vorherigen Werkvertragsrecht beruht. Könnte sich der Käufer nicht auf die fiktiven Beseitigungskosten berufen, müsste er die Mängelbeseitigung selbst vornehmen, wodurch ihn ein Vorfinanzierungsrisiko träfe. Anders als im Werkvertragsrecht steht dem Käufer hier kein Vorschussrecht zu (§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB). Im Kaufrecht wird einer unangemessenen Überkompensation des Käufers bereits dadurch entgegengewirkt, dass der Nacherfüllungsanspruch nach § 439 Abs. 4 S. 2 BGB begrenzt wird.

Aufgrund der unterschiedlichen Risikoverteilung und der Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs, ist die neue Rechtsprechung zu den Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht nicht ebenso auf das Kaufrecht anwendbar. Somit kann der Käufer mittels Schadensersatz statt der Leistung entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten verlangen, unabhängig davon, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird.

Hintergrund: Nachdem der VII. Senat seine Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht mit dem Argument geändert hatte, dass das Vermögen des Geschädigten nicht um ein fiktives Vermögen gemindert sei, fragte der V. Zivilsenat beim VII. Senat an, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte. Denn die Argumentation, ließe sich grundsätzlich auch auf das Kaufrecht anwenden. Diese Vorlage (als Vorstufe der Anrufung des großen Zivilsenats zur Klärung) wurde ausdrücklich bestätigt. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen der Zivilsenate V und VII kam es nicht zur Anrufung des großen Zivilsenats (§ 132 Abs. 1 S. 2 GVG). Grund dafür war ein erneutes Urteil des V. Senates (s.o.), der auf die Unterschiede des Kauf- und Werkvertragsrechts abstellt und so im Gegensatz zum Werkvertragsrecht im Kaufrecht die fiktiven Beseitigungskosten zur Schadensberechnung heranzieht.


D. In der Prüfung

Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB

I. Schuldverhältnis

II. Mangel

III. Pflichtverletzung = Nichtleistung

IV. Erfolglose Fristsetzung / Entbehrlichkeit der Fristsetzung

V. Vertretenmüssen

VI. Schaden

(P) Sind die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ein ersatzfähiger Schaden?


E. Zur Vertiefung

„Fiktive Mängelbeseitigungskosten – Absage der Vorlage an den großen Zivilsenat“, Looschelders in NJW 2021, 1501;

Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 45. Aufl. ,§ 4 Rn. 93;

„BGH legt Streit um fiktiven SE bei, im Kaufrecht hui, im Baurecht pfui“, Fuchs, https://www.lto.de/persistent/a_id/44491/

 
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