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Entscheidung der Woche 44-2023 (SR)

Anna Bredemeier

Das in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzte Handeln, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, setzt lediglich voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, in der konkreten Verkehrssituation die durch sein Fahrzeug bedingte oder...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OLG Stuttgart 04.07.2019 - 4 Rv 28 Ss 103/19

in: NJW 2019, 2787

Die Justiz 2019, 226

BeckRS 2019, 17075

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

Das in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzte Handeln, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, setzt lediglich voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, in der konkreten Verkehrssituation die durch sein Fahrzeug bedingte oder nach seinen Fähigkeiten oder nach den Wetter-, Verkehrs-, Sicht- oder Straßenverhältnissen maximale mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Welche weiteren Ziele der Täter verfolgt, ist unerheblich. Auch der Wille des Täters, vor einem ihn verfolgenden Polizeifahrzeug zu fliehen, schließt die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen, nicht aus.

B. Sachverhalt

Der Angeklagte flüchtete mit seinem Pkw vor einer Streifenwagenbesatzung der Polizei, welche ihn einer Verkehrskontrolle unterziehen wollte und ihm deshalb Haltesignale anzeigte. Nach Erkennen des Streifenwagens und des Haltesignals beschleunigte er sein Fahrzeug, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und dadurch die ihn nun mit Blaulicht verfolgenden Polizeibeamten abzuhängen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschreitend und unter Missachtung der Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer fuhr er mit weit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort.

C. Anmerkungen

§ 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt nicht die Absicht, das Fahrzeug mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen oder es bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren. Die Gesetzesformulierung soll vielmehr möglichst viele relevante Komponenten wie fahrzeugspezifische Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung, subjektives Geschwindigkeitsempfinden, Verkehrslage und Witterungsbedingungen auf einen Nenner bringen. Gefordert ist demnach das Abzielen auf eine relative Höchstgeschwindigkeit, die sich an den genannten Kriterien orientiert.

Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss auch nicht Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein. Die Auffassung, die Verfolgungsjagd könne bei der Polizeiflucht nicht als Wettbewerb oder Leistungsprüfung eingestuft werden und unterliege deshalb nicht der Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1

Nr. 3 StGB, findet weder einen Anhalt im Wortlaut der Norm noch in der Gesetzesbegründung. Vielmehr sprechen diese wie auch der Sinn und Zweck der Vorschrift auch in Fällen der Polizeiflucht für eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, soweit die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen im Einzelfall - wie hier - festgestellt werden können.

Der Wortlaut der Vorschrift "um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen" gibt keinen Anlass zu einer einschränkenden Auslegung. Vielmehr macht die Gesetzesbegründung deutlich, dass damit insbesondere das Erfordernis des Renncharakters Rechnung getragen und dieses von bloßen Geschwindigkeitsüberschreitungen abgegrenzt werden soll. Rennteilnehmer würden zusätzlich durch den Wettbewerb bestärkt, Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht zu lassen und für einen Zuwachs an Geschwindigkeit den Verlust der Kontrolle über ihr Fahrzeug in Kauf zu nehmen. Zudem sei ihre Aufmerksamkeit - anders als bei "normalen" Geschwindigkeitsüberschreitungen - nicht allein auf den Straßenverkehr gerichtet, sondern notwendigerweise auch durch den Mitbewerber gebunden.

Sowohl der Gesetzeswortlaut als auch die Begründung sprechen deshalb dafür, auch die Polizeiflucht als tatbestandsmäßig nach

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen. Schließlich ist sie von einem Renncharakter geprägt, in dem sich gerade die in der Begründung genannten besonderen Risiken wiederfinden, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs hier nicht im bloßen Siegen, sondern in der gelungenen Flucht liegt.

D. In der Prüfung

§ 315d Abs. 1 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Verkehrsfremder Eingriff

aa) Nr. Anlagen oder Fahrzeuge zerstören, beschädigen oder beseitigen

bb) Nr. 2: Bereiten von Hindernissen

cc) Nr. 3: Ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff

b. Dadurch Beeinträchtigung der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs

c. Konkrete Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sache von bedeutendem Wert

d. Kausalität

e. Objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

E. Literaturhinweise

Pegel in MüKo-StGB, 4. Auflage 2022 § 315d Rn. 26.

 

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