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Entscheidung der Woche 45-2018 (SR)

Simon Künnen

Ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB durch Mittwirkung an der Erfolgsverhinderung kommt schon dann in Betracht, wenn der Täter zwar nicht die sicherste oder „optimale“ Möglichkeit zur Erfolgsverhinderung gewählt hat.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH – 1 StR 201/18

in: NJW 2018, 2908

NStZ-RR 2018, 301

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB durch Mitwirkung an der Erfolgsverhinderung kommt schon dann in Betracht, wenn der Täter zwar nicht die sicherste oder „optimale“ Möglichkeit zur Erfolgsverhinderung gewählt hat, das auf die Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten sich aber dennoch als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung ursächlich erweist. Dagegen kommt es bei dem oben genannten Rücktrittsgrund nicht darauf an, dass der Täter nach besten Kräften für die Erfolgsvermeidung sorgt. In jedem Falle muss jedoch eine neue Kausalkette in Gang gesetzt werden.


B. Sachverhalt

Um die ausgelobte Einsatzvergütung zu erlangen, zündete der Angeklagte - Mitglied der freiwilligen Feuerwehr - ein Mehrfamilienhaus an, in dem sich zum Zeitpunkt der Tat vier Bewohner befanden. Nachdem er sich vergewisserte, dass der Brand auch ohne weiteres Zutun weiterbrennen würde und er deshalb alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan hatte, wartete er darauf, dass sein Feuerwehrpiepser den Feueralarm meldete.

Als das Feuer durch eine Nachbarin gemeldet wurde, begab er sich zum Feuerwehrhaus, wo er seinen Dienst in der einsatzunterstützenden Funkzentrale verbrachte. Die Bewohner konnten durch die Feuerwehr aus dem Haus gerettet werden und überlebten.


C. Anmerkungen

Der BGH schloss sich dem Urteil des LG wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung mit Todesfolge im Ergebnis an und verwarf somit die Revision als unbegründet. Gleichzeitig rügte der BGH jedoch, dass das LG für die Beurteilung, ob ein strafbefreiender Rücktritt i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB vorliege, einen falschen Maßstab anwendete. So zeigte das LG auf, dass allein schon daher kein strafbefreiender Rücktritt i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB vorliegen könne, weil der Angeklagte K nicht nach besten Kräften für die Erfolgsabwendung gesorgt habe.

Es hätten ihm weitere Möglichkeiten zur Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden, wie bspw. die eigenständige Meldung des Brandes oder die Angabe von rettungsbedürftigen Personen sowie der Brandursache.

Der BGH merkte hierbei an, dass es für die Beurteilung, ob ein strafbefreiender Rücktritt i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB vorliegt, es nicht darauf ankomme, ob der Täter nach besten Kräften für die Erfolgsabwendung sorge (Chanceneröffnungstheorie). Der Täter müsse nicht die sicherste, schnellste oder „optimale“ Erfolgsabwendungsmöglichkeit wählen, solange sich die gewählte Möglichkeit als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist (Verhinderungskausalität). Dennoch hielt der BGH die Voraussetzung für einen strafbefreienden Rücktritt nicht für gegeben. So sei zwar die Abwendung nach besten Kräften nicht notwendig, jedoch müsse der Täter zumindest eine neue Kausalkette in Gang setzen die für die Nichtvollendung der Tat mitursächlich werden konnte.

Hier leistete der Angeklagte keine aktiven Beiträge zur Rettung der Bewohner. Weder meldete er den Brand, noch wurde allein dadurch, dass er zunächst auf die Mitteilung des Feueralarms auf seinem Feuerwehrpiepser wartete, um dann in der Funkzentrale seinen Dienst zu verrichten, eine neue Kausalkette in Gang gesetzt.


D. In der Prüfung

I. Vorprüfung

II. Tatbestand

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld

V. Rücktritt

1. §24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 StGB

a. Beendeter Versuch

b. Verhinderung der Vollendung (!)

c. Freiwilligkeit


E. Zur Vertiefung

Stellungnahme zu den verschiedenen Ansätzen bzgl. der Anforderungen an die Verhinderung der Vollendung lesen:

Hoffmann-Holland in: MüKoStGB, 3. Auflage 2017, § 24 Rn. 133ff.;

Hassemer, JuS 1989, 936f;

Zur Wiederholung von Rücktrittsproblemen:

Lösung des Denkzettel-Falls (BGH 1 StR 423/10).

 

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