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Entscheidung der Woche 45-2024 (ZR)

Niklas Hüneburg

Die Übersendung einer Gratisbeigabe stellt auch in Bezug auf das noch nicht versandte Hauptprodukt eine Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrages dar, wenn zwischen dem Erwerb des Hauptproduktes und der Übersendung der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang besteht.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18.04.2024 - 9 U 11/23

Fundstelle: NJW-RR 2024, 1306

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

Die Übersendung einer Gratisbeigabe stellt auch in Bezug auf das noch nicht versandte Hauptprodukt eine Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrages dar, wenn zwischen dem Erwerb des Hauptproduktes und der Übersendung der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt besteht, dass die kostenlose Übersendung der Gratisbeigabe das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt voraussetzt.


B. Sachverhalt

Der beklagte Online-Elektronikhändler bot in seinem Shop aktuelle Smartphones, die eine UVP von 1.099 € besaßen, versehentlich für 92 € an. Darüber hinaus enthielten im Rahmen einer Sonderaktion einige Bestellungen als Gratisbeilage Kopfhörer im Wert von etwa 100 €. Die AGB des Großhändlers legten fest, dass ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über den Button „jetzt kaufen“ abgegeben werde. Ein Vertrag käme aber erst dann zustande, wenn der Artikel versandt und dies dem Kunden auch bestätigt wurde. Der spätere Kläger bestellte neun Smartphones und vier Kopfhörer. Den Kaufpreis, der in den Bestellbestätigungen angegeben wurde, beglich er sofort. Zwei Tage später erfolgte der Versand der kostenlosen Kopfhörer und dieser wurde auch entsprechend bestätigt. Bereits am Tag der Bestellung erkannte der Händler seinen Fehler bei der Preisangabe und korrigierte den Preis auf 928 €. Gleichwohl erklärte er erst zwei Wochen später die Bestellungen als storniert, wobei er auf den gravierenden Preisfehler hinwies. Ferner wurde der Kunde darum gebeten, die erhaltenen Kopfhörer zu retournieren. Nun verlangt der Kläger vom Beklagten die Übergabe und Übereignung der bestellten neun Smartphones und vier Kopfhörer.


C. Anmerkungen

Im Ergebnis teilt das OLG Frankfurt a.M. die Auffassung des LG Frankfurt a.M. und bejaht einen Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung der neun Smartphones und der vier Kopfhörer gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.

Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass sich der Kunde und der Elektronikhändler über den Abschluss eines Kaufvertrags i.S.d. § 433 BGB geeinigt haben. Hierfür sind zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen erforderlich (vgl. §§ 145 ff. BGB). Das Online-Inserat über die Smartphones und die Kopfhörer stellt lediglich eine unverbindliche invitatio ad offerendum dar. Allerdings gab der Kläger mit seiner Bestellung ein verbindliches Angebot i.S.d. § 145 BGB ab, das auf den Abschluss eines Kaufvertrags über die Smartphones gerichtet war. Mit der Bestätigung der Bestellungen nahm der Online-Händler dieses Angebot aber noch nicht an, da es sich hierbei um die einfache Bestätigung des Eingangs der Bestellung i.S.d. § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB handelt. Allerdings liegt in der Versendung der Gratisbeigabe bzw. der Kopfhörer eine Annahme i.S.d. § 147 BGB. Es besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Smartphones und dem Versand der Kopfhörer. Nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB konnte der Kunde die Zusendung nur so verstehen, dass mit dem Versand der Gratis-Produkte auch ein Kaufvertrag über die eigentlichen Hauptprodukte bzw. die Smartphones zustande gekommen ist. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass bereits am Bestelltag der Preis der Smartphones auf 928 € korrigiert wurde und dennoch zwei Tage später die Kopfhörer verschickt worden sind. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes konnte der Kläger die Zusendung nur so verstehen, dass auch ein Vertrag über die Smartphones selbst besteht. Unerheblich ist, ob die AGB wirksamer Vertragsbestandteil geworden sind, weil sie selbst bei einer Einbeziehung dem Gesagten nicht entgegenstehen.

Der Anspruch des Klägers ist aber auch nicht ex tunc durch Anfechtung des Beklagten gem. § 142 Abs. 1 BGB untergegangen. Ungeachtet dessen, ob ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB überhaupt einschlägig ist, war die Anfechtungserklärung jedenfalls nach § 121 Abs. 1 BGB verfristet. Erst zwei Wochen, nachdem der Preisfehler erkannt wurde, erfolgte die Anfechtungserklärung, die somit nicht mehr unverzüglich war. Schließlich besteht auch keine Nichtigkeit durch ein rechtsmissbräuchliches Festhalten am Kaufvertrag durch den Kunden gem. § 242 BGB. Es wurde durch den Beklagten nicht vorgetragen, inwiefern ein Festhalten am Vertrag für ihn wirtschaftlich unzumutbar wäre.


D. In der Prüfung

§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB

I. Anspruch entstanden

1. Wirksamer Kaufvertrag, § 433 BGB

a) Angebot, § 145 BGB

b) Annahme, § 147 BGB

II. Anspruch untergegangen

1. Anfechtung, §§ 119 ff. BGB

2. Rechtsmissbrauch, § 242 BGB

III. Ergebnis


E. Literaturhinweise

Duden, Verbraucherschutz und Vertragsschluss im Internet der Dinge, ZRP 2020, 102.

Föhlisch/Stariradeff, Zahlungsmittel und Vertragsschluss im Internet, NJW 2016, 353.

 

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