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Entscheidung der Woche 46-2018 (ÖR)

Daniel Müller

Die Festlegung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen steht mit dem Grundgesetz im Einklang.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerwG – 10 C 8.17

in: BeckRS 2018, 20326

NJW 2018, 3328

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Die Festlegung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen steht mit dem Grundgesetz im Einklang.


B. Sachverhalt

Am 25.04.2014 fand die Wahl zum Gemeinderat der Stadt Heidelberg statt, an der unter anderem auch Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren teilnehmen durften. Das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg ist an das Bürgerrecht geknüpft, das seinerseits die Vollendung des 16. Lebensjahres voraussetzt, vgl. §§ 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 S. 1 GemO-BW. Vom Wahlrecht ausgeschlossen sind gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 GemO-BW Bürger, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist. Die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten ist dabei durch § 1896 BGB lediglich für Volljährige geregelt, nicht für Minderjährige. Die Kläger sahen in dem unbeschränkten aktiven Wahlrecht der 16- bzw. 17-jährigen eine verfassungswidrige Regelung.


C. Anmerkungen

Der vorliegende Fall beurteilt sich zwar nach baden-württembergischen Landesrecht, vergleichbare Regelungen sind jedoch auch im niedersächsischen Landesrecht zu finden (s. § 48 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 NKomVG). Ausgangspunkt ist die fragliche Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Wahleinspruchs, gegen die nach § 31 Abs. 3 KomWG-BW eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage statthaft ist (vgl. auch § 49 Abs. 2 NKWG). Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich inzident ausführlich mit der Verfassungsmäßigkeit der §§ 12, 14 GemO-BW am Maßstab der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG sowie des Demokratieprinzips auseinander.

1. Der Landesgesetzgeber verfügt über einen eigenen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts. Er muss hierbei für einen Ausgleich zwischen der Gewährleistung einer hinreichenden Verstandesreife der Wahlberechtigten und der Allgemeinheit der Wahl zu sorgen.

2. Die Einschränkung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl durch § 14 Abs. 2 Nr. 2 GemO-BW ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Ausschluss von Personen, für deren gesamte Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist, vom Wahlrecht stellt keine unverhältnismäßige Differenzierung dar. Eine derart umfassende Betreuung rechtfertigt vielmehr die Annahme fehlender Einsichts- und Wahlfähigkeit solcher Personen.

3. Die Ungleichbehandlung zwischen volljährigen Wahlberechtigten und minderjährigen Wahlberechtigten wäre nur durch Verzicht auf den Ausschluss der volljährigen Bürger, für die ein Betreuer bestellt ist, zu beseitigen gewesen. Dann wäre entweder die Teilnahme von nicht hinreichend einsichts- und wahlfähigen Personen hinzunehmen oder aber eine Einzelfallprüfung geboten gewesen.

4. Aufgrund der geringen Größe der durch die Ungleichbehandlung privilegierten Gruppe Minderjähriger ist die bestehende Einschränkung von relativ geringer Intensität. Eine Regelung von Einzelfallprüfungen führte im Gegensatz zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten beim Wahlakt.


D. In der Prüfung

I. Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung über den Wahleinspruch

1. Rechtsgrundlage

2. Formelle Zulässigkeitsvoraussetzungen

3. Materielle Zulässigkeitsvoraussetzungen

a. Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, hier §§ 12, 14 GemO-BW

(a) Formelle Verfassungsmäßigkeit

(b) Materielle Verfassungsmäßigkeit (!)

b. Erheblichkeit für das Wahlergebnis

II. Rechtsverletzung


E. Zur Vertiefung

Zu den Wahlrechtsgrundsätzen: Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2013, 1078 ff.;

Zum Demokratieprinzip: Pieroth, JuS 2010, 473ff.

 

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