top of page

Entscheidung der Woche 46-2019 (ZR)

Jonas Vonjahr

Eine Schädigung durch das Inverkehrbringen von Kraftfahrzeugen unter bewusstem Verschweigen von unzulässigen Einrichtungen, durch die die Typengenehmigung des Fahrzeuges in Frage gestellt wird, stellt eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB dar. Die entsprechende Schädigung wirkt auch gegenüber späteren Gebrauchtwagenkäufern eines betroffenen Kfz fort.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OLG Koblenz – 5 U 1318/18

in: EWiR 2019, 497

NJW 2019, 2237

 

A. Orientierungssätze

Eine Schädigung durch das Inverkehrbringen von Kraftfahrzeugen unter bewusstem Verschweigen von unzulässigen Einrichtungen, durch die die Typengenehmigung des Fahrzeuges in Frage gestellt wird, stellt eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB dar. Die entsprechende Schädigung wirkt auch gegenüber späteren Gebrauchtwagenkäufern eines betroffenen Kfz fort.


B. Sachverhalt (verkürzt)

Der Kläger kaufte im Jahr 2014 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Sharan mit Dieselantrieb (31.490 € brutto), dessen Hersteller die Beklagte war. Die erforderliche Typengenehmigung für das Auto war gem. VO (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse 5 Euro erteilt worden. In dem Auto war ein Motor eingebaut, der einer Baureihe entsprang, in welcher ausnahmslos Motoren mit Abgasrückführungsabschaltungsanlagen gefertigt wurden.

Nach dem Bekanntwerden der Abschalteinrichtungen erging ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), der nachträgliche Bestimmungen zu der Typengenehmigung der betroffenen Autos enthielt. Auch das Auto des Klägers war betroffen. Nachdem der Hersteller angekündigt hatte, dass er die Typengenehmigung der betroffenen Autos durch ein Software-Update erhalten wolle, ließ der Kläger dieses im Februar 2017 durchführen. Im weiteren Verlauf forderte der Kläger vom Hersteller erfolglos die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz.


C. Anmerkungen

Fraglich war insbesondere ein möglicher Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog. Einen entsprechenden Anspruch hatte das vorinstanzliche LG nicht als gegeben angesehen.

Das OLG entschied, dass die systematische Täuschung von Behörden, Wettbewerbern und Endverbrauchern in großer Zahl mit der Rechtsordnung nicht vereinbar sei und durch den Zweck der Profitmaximierung eine besondere Verwerflichkeit aufweise. In diesem Zusammenhang hielt das OLG es für nahezu ausgeschlossen, dass nicht zumindest leitende Angestellte des Herstellers von der Manipulation Kenntnis hatten, wodurch die Schädigung dem Hersteller gem. § 31 BGB analog zuzurechnen sei. Den entstandenen Schaden sieht das OLG zum einen in dem Eingehen einer ungewollten Verbindlichkeit, da der Schluss des Kaufvertrags durch die Täuschung bedingt gewesen sei. Da der Kläger durch den Kauf eines vermeintlich umweltfreundlichen Autos einen Beitrag zum Umweltschutz leisten wollte, hätte er das Auto bei Kenntnis der realen Werte nicht gekauft. Darüber hinaus bestünden Schäden auch in den Aufwendungen für die Nachrüstung des Kfz sowie in der drohenden Stilllegung des Fahrzeugs. Das OLG argumentierte, dass ein Hersteller, der ein Kfz in den Verkehr bringt, konkludent erklärt, dass Selbiges nicht nur im Straßenverkehr genutzt werden könne, sondern auch genutzt werden dürfe. Diese Zusage wirke sich auch auf spätere Gebrauchtwagenkäufe aus, da auch bei diesen die konkludente Zusage des Herstellers den Kaufentschluss bedinge. Insofern sieht das OLG ein pflichtwidriges Unterlassen des Herstellers bezüglich der Aufklärung der Kunden über die Abschalteinrichtung, die den Fortbestand der Typengenehmigung gefährde.

Als ersatzpflichtigen Schaden sah das OLG den Kaufpreis des Kfz an, den es angesichts der Nutzung des Fahrzeugs allerdings um den geldwerten Vorteil kürzte. Eine Anrechnung des geldwerten Vorteils sah das OLG in dem Fall nicht als unbillig an.


D. In der Prüfung

A. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog

I. Anwendbarkeit neben Kaufrecht

II. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

1. Schadenszufügung

2. Sittenwidrigkeit

3. Schädigungsvorsatz

4. Zurechnung, § 31 BGB analog

III. Rechtsfolge: Schadensersatz

1. Ersatzfähiger Schaden

2. Anrechnung des geldwerten Vorteils

B. Ergebnis


E. Zur Vertiefung

RÜ 2019, 562 (m. Anm. Dr. Benjamin Steinhilber);

OLG Dresden NZV 2018, 269 (m. Anm. Lempp).

 
Entscheidung-der-Woche-46-2019
.pdf
Download PDF • 197KB

bottom of page