Entscheidung der Woche 47-2024 (ÖR)
Pierre Watermann
Die Füllmenge einer Fertigpackung ist nach den § 42ff. MessEG, sowie der auf § 44 MessEG beruhenden Fertigpackungsverordnung zu bestimmen, mit denen die Vorgaben der Richtlinien 76/211/EWG umgesetzt worden sind. Nach dieser weiterhin maßgeblichen Richtlinie ist unter Füllmenge die Erzeugnismenge zu verstehen, die die Fertigpackung tatsächlich enthält.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: OVG Münster - Az. 4 A 779/23
Fundstelle: LMuR 2024, 339
1. Instanz: VG Münster - Az. 9 K 2549/19
2. Instanz: OVG Münster - Az. 4 A 779/ 23
A. Orientierungs - oder Leitsätze
1. Die Füllmenge einer Fertigpackung ist nach den § 42ff. MessEG, sowie der auf § 44 MessEG beruhenden Fertigpackungsverordnung zu bestimmen, mit denen die Vorgaben der Richtlinien 76/211/EWG umgesetzt worden sind. Nach dieser weiterhin maßgeblichen Richtlinie ist unter Füllmenge die Erzeugnismenge zu verstehen, die die Fertigpackung tatsächlich enthält.
2. Würste, die nach üblichem Handelsbrauch mit nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipsen gehandelt werden, sind als solche mit Umhüllung handelbare Waren und damit Erzeugnisse im Sinne des Fertigpackungsrechts. Sie sind erst dann als fertigverpackt anzusehen, wenn sie mit einer Umschließung beliebiger Art (Fertigpackung) an die Verbraucher abgegeben werden sollen. (Leitsätze des Verfassers)
B. Sachverhalt
"Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei" - so auch dieser Rechtsstreit. Die Klägerin stellt u.a. Wurstwaren mit Fertigverpackungen, welche jeweils mit zwei Wurstendenabbindern in Form von Wurstclipsen und einer Wursthülle versehen sind, her. Bei einer ersten Füllmengenkontrolle am 06.02.2019 stellte die Beklagte wie folgt fest: Bei Fertigverpackungen der Charge „E.M. Geflügel Leberwurst fein" unterschritt der Mittelwert die Nennfüllmenge (130g) i. H. v. 2,3g. Daraufhin untersagte sie mündlich das Inverkehrbringen jener Charge. Die Klägerin vernichtete die Charge daraufhin als selbstbestimmte Maßnahme.
Bei einer zweiten Kontrolle am 13.08.2019, diesmal der Charge "T.E1.Leberwurst fein", stellte die Beklagte eine Mittelwertunterschreitung der Nennfüllmenge (130g) i. H. v. 2,6g fest. Er untersagte der Klägerin, nach Anhörung mit einer Übergangsfrist von drei Monaten, das Inverkehrbringen von Fertigverpackungen mit Wurstwaren, bei denen Wurstclipse und die Wursthüllen nicht austariert, sondern der Nettofüllmenge hinzugerechnet werden. Die Klägerin hat hiergegen am 14.10.2019 Klage erhoben. Das VG hat die Klage abgewiesen und keine Berufung zugelassen. Die Klägerin hat ihr Interesse in der Sache dargestellt und Berufung eingelegt. Das OVG hat mit Beschluss vom 16.02.2024 die Berufung der Klägerin, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, zugelassen.
C. Anmerkungen
Das OVG begründet wie folgt:
Die Berufung hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtene Untersagungsverfügung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Nach § 50 Abs. 1 Alt. 2 und Abs. 2 S. 1 MessEG treffen die Marktüberwachungsbehörden unter anderem die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass Fertigpackungen die Anforderungen nach Abschnitt 4 (S§ 42 - 44) MessEG nicht erfüllen. Die Füllmenge einer Fertigpackung ist nach den S§ 42ff. MessEG sowie der auf § 44 MessEG beruhenden Fertigpackungsverordnung zu bestimmen. Diese Vorschriften setzen die Vorgaben der RL 76/211/EWG um. Unter Berücksichtigung dieser Richtlinie, womit der Begriff des Erzeugnisses nach Maßgabe des unionalen Rechts zu verstehen ist, ist unter Füllmenge die Erzeugnismenge zu verstehen, die die Fertigpackung tatsächlich enthält. Dabei besteht eine Fertigpackung aus einem Erzeugnis und seiner vollständigen und mengenerhaltenden Umschließung beliebiger Art.
Auch Würste, die nach üblichem Handelsbrauch mit nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipsen gehandelt werden, sind als solche mit Umhüllung handelbare Waren und damit Erzeugnisse im Sinne des Fertigpackungsrechts. Sie sind erst dann als fertigverpackt anzusehen, wenn sie mit einer Umschließung beliebiger Art an die Verbraucher abgegeben werden sollen. Auf einen entsprechenden Handelsbrauch, Würste mit (künstlicher) Umhüllung als nicht fertigverpacktes Erzeugnis anzusehen, deutet zudem bereits die verbreitete und seit Jahrhunderten belegte Kollektivbezeichnung für Wurst als ein in zahlreichen Sorten verbreitetes Nahrungsmittel, das gewöhnlich aus zerkleinertem, gesalzenem und gewürztem Fleisch bereitet und „in (Kunst) Därme, Mägen oder Blasen gefüllt" wird.
Hiervon ausgehend unterschritten bzw. unterschreiten die von der Beklagten im Rahmen der im Betrieb der Klägerin durchgeführten Kontrollen festgestellten Füllmengen zu keiner Zeit die Vorgaben nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 FPackV a.F. oder § 9 Abs. 1 Nr. 1 FPackV n.F. Die nicht essbaren Umhüllungen der Würste und die ebenfalls nicht essbaren Metallclipse sind nach den üblichen Handelsbräuchen Teile des zur Bestimmung der Füllmenge maßgeblichen Erzeugnisses Wurst. Das OVG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
D. In der Prüfung
I. Rechtsgrundlage: § 50 1, Il MessEG
II. Formelle Rechtmäßigkeit
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestand, §§ 42-44 MessEG: (P) Auslegung Füllmenge
E. Literaturhinweise
LMuR 2024, 339: OVG NRW: Zur Bestimmung der Nettofüllmenge von fertigverpackten Würsten; GRUR-Prax 2024, 555: Wallau: Zur Bestimmung der Nettofüllmenge bei fertigverpackten Wurstwaren.