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Entscheidung der Woche 48-2018 (SR)

Adam Hetka

Verwirklichung des Tatbestands der „Unfallflucht“ länger möglich als die allermeisten Betroffenen denken.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH – 4 StR 583/17

in: NJW 2018, 2341

NStZ 2018, 600

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.


B. Sachverhalt

Nach einem Verkehrsunfall, an dem der Angeklagte und noch zwei weitere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, stellte dieser das von ihm geführte Fahrzeug am Straßenrand ab und kehrte zu Fuß zur Unfallstelle zurück. Dort gab er sich sodann bewusst nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen, sondern schilderte den zwischenzeitlich erschienenen Polizeibeamten, dass er den Unfall als Fußgänger beobachtet habe. Bei Angaben zum Unfallhergang ersetzte er seine eigene Unfallbeteiligung durch die eines vermeintlich unbekannten Fahrers. Schließlich verließ er den Unfallort zu Fuß. Ob zu diesem Zeitpunkt noch Polizeibeamte vor Ort waren, ist unklar.

Sicher ist jedoch, dass er bis zum Verlassen des Unfallortes niemandem etwas von seiner Unfallbeteiligung mitgeteilt hatte.


C. Anmerkungen

Für den BGH stand der Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen, dass dieser den Unfallort erst zu einem Zeitpunkt verließ, als keine andere Person mehr vor Ort war. Das begründete der BGH vor allem mit dem Wortlaut der Regelung in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Demnach setze der Wortlaut nach Ansicht des BGH nicht voraus, dass sich zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Täter entfernt, noch feststellungsberechtigte Personen am Unfallort befinden. Entscheidend sei vielmehr, dass sich der Täter vom Unfallort entfernt, bevor er die erforderlichen Feststellungen ermöglicht hat. Weil der Tatbestand gerade an die Verletzung der Vorstellungspflicht anknüpft, sei das Merkmal „bevor“ so zu verstehen, dass der Täter den Unfallort verlassen haben muss, ohne zuvor die gebotenen Feststellungen ermöglicht zu haben.

Des Weiteren sei ein solches Verhalten ansonsten von keiner anderen Tatbestandsvariante des § 142 StGB erfasst. Denn laut BGH unterfiele diese Fallgestaltung insbesondere nicht der Vorschrift des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, welche voraussetzt, dass sich der Täter „berechtigt“ oder „entschuldigt“ vom Unfallort entfernt. Ein solcher Fall läge mangels Eingreifens eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes nicht vor, wenn sich ein Unfallbeteiligter nach Verletzung seiner Vorstellungspflicht schlicht als Letzter vom Unfallort entfernt. Einer Anwendung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf solche Fälle stünde das Analogieverbot entgegen. Dies führe in der Konsequenz zu einem erheblichen Wertungswiderspruch im direkten Vergleich mit § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, da sich so ein Unfallbeteiligter, der sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, bei nicht unverzüglicher nachträglicher Ermöglichung der Feststellungen strafbar mache, hingegen ein Unfallbeteiligter, der sich nach Verletzung seiner Vorstellungspflicht als Letzter vom Unfallort entfernt, aber endgültig straffrei bliebe.

Schließlich bestünde das Schutzgut des § 142 StGB in der Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche, die auch dann betroffen seien, wenn sich der Täter erst nach der feststellungsberechtigten Person vom Unfallort entfernt, sofern er zvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB

1. Objektiver Tatbestand (!)

2. Subjektiver Tatbestand

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld


E. Zur Vertiefung

Zur Wiederholung: Rengier, Strafrecht BT II, 19. Aufl., München 2018, § 46; Eisele, Strafrecht - BT 1, 4. Aufl., Stuttgart 2017, § 63;

Umfassend zum § 142 StGB: Brüning, Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB, ZJS 2008, 148.

 

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