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Entscheidung der Woche 48-2022 (SR)

Johanna Lange

Ein Inbrandsetzen einer Jadghütte ist nicht nur eine Sachbeschädigung gem. § 303 StGB, sondern eine Brandstiftung gem. § 306 StGB.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 6 StR 174/21

in: StV 2022, 442

BeckRS 2021, 27985

RÜ 2021, 786

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Das Inbrandsetzen einer Jagdhütte ist nicht nur eine Sachbeschädigung gem. § 303 StGB, sondern eine Brandstiftung gem. § 306 StGB.

2. Jagdhochsitze sind Hütten i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

3. Aufgrund der Überschaubarkeit von Jagdhochsitzen kann ein minder schwerer Fall der Brandstiftung nach § 306 Abs. 2 StGB vorliegen. 


B. Sachverhalt

Der A bemühte sich jahrelang an seinem Wohnort um die Aufnahme in die Jägerschaft, die ihm aber verwehrt wurde. Daraufhin empfand er Wut, Trauer und Verletzung und beschloss, sich an der Jägerschaft zu rächen. Deswegen zündete er in sechs Fällen große, überdachte und durch Spannseile gesicherte Jagdhochsitze an, die völlig oder teilweise ausbrannten. In einem weiteren Fall kam es an dem Hochsitz zu keinem Feuer, da es aus ging, bevor es richtig anfing zu brennen. A hatte sich zu dem Zeitpunkt bereits vom Ort entfernt.

Hat sich A nach den §§ 306 ff. StGB strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Fraglich ist hier, ob es sich bei den Jagdhochsitzen um Hütten i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. Dazu führte der Generalbundesstaatsanwalt aus, dass „der Begriff der Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB Bauwerke umfasst, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist“. Erforderlich sei außerdem eine hinreichende Erdverbundenheit und eine damit praktizierte Immobilität. Im Einzelfall kann die Abgeschlossenheit auch schon bei nur zum Teil umschlossenen Räumen gegeben sein. Bei den Jagdhütten handelt es sich um unbewegliche Gebäude mit kleineren Abmessungen, die eine nicht völlig unbeachtliche Bodenfläche und als Begrenzung ein Dach und Wände haben, sodass sie von Personen betreten und zum Aufenthalt genutzt werden können. Die notwendige Erdverbundenheit ergibt sich durch die Verankerung im Boden durch Pfähle oder Pfosten oder durch die Eigengewichtigkeit auf dem Boden, die wie eine Verankerung wirkt. Auch die Befestigung durch Spannseile schadet der „Selbstständigkeit“ dieser Konstruktion nicht. In Betracht kommt allerdings der Strafrahmen des minder schweren Falles gem. § 306 Abs. 2 StGB. Bei Anwendung des Abs. 2 kommt es maßgebend auf den Wert und die Quantität des Tatgegenstandes an, aber auch auf das Ausmaß der Gefährdung und die Gefährlichkeit der Tathandlung. In der Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände im Fall muss berücksichtigt werden, dass wegen der Größe und der damit einhergehenden Überschaubarkeit der Jagdhochsitze der A zum Zeitpunkt der Tathandlung eine Gefährdung von Menschen ausschließen konnte.

Ein minder schwerer Fall gem. § 306 Abs. 2 StGB ist somit gegeben. 


D. In der Prüfung

Strafbarkeit des A gem. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB

I. Objektiver Tatbestand

1. Tatobjekt

a. „Hütte“ nach § 306 Abs. 1 Nr. 1

b. fremd 

2. Tathandlung

a. Inbrandsetzen

b. Durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört

3. Kausalität

4. Objektive Zurechnung

II. Subjektiver Tatbestand

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld

V. Tätige Reue, § 306e StGB (-)

VI. Minder schwerer Fall gem. § 306 Abs. 2 StGB

VII. Ergebnis


E. Literaturhinweise

Heintschel-Heinegg, „Hätten Sie’s gewusst? Ein Jagdhochsitz kann eine Hütte im Sinne von § 306 I Nr. 1 StGB sein“;

JA 2021, 1044.Schönke/Schröder/Heine/Bosch, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 306 Rn. 22.

Hohmann/Radtke, Münchner Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2022, § 306 Rn. 25.

 
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