Entscheidung der Woche 48-2024 (ZR)
Tim Nix
In den Fällen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistung des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BGH X ZR 81/23
Fundstelle: GRUR-RS 2024, 15314;
WM 2024, 1376
A. Orientierungs - oder Leitsätze
1. In den Fällen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistung des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht.
2. Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Bestätigen der Schaltfläche einen auf den Abschluss aller Verträge gerichtete Erklärung abgibt.
3. Hat ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines nach § 312j Abs. 3 und Abs. 4 BGB unwirksamen Abonnementvertrags eine andere Leistung zu einem vergünstigten Preis erbracht, steht der Schutzzweck der genannten Vorschrift einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB und § 818 Abs. 2 BGB in der Regel entgegen.
B. Sachverhalt
Die Beklagte (B) betreibt ein Online-Buchungsportal. Auf diesem bietet Sie eine „Prime Mitgliedschaft“ an, welche Vergünstigungen für buchbare Reiseprodukte enthält. Bei einer Buchung mit dem Smartphone wird folgender Text angezeigt: „Kostenloses 30-Tage-Probeabo Testen Sie unser Rabatt-Abonnement 30 Tage lang kostenlos! Nur 74,99 EUR im Folgejahr. Rabatte auf 100 % der Flüge und Hotels. Jederzeit kündbar. Ansonsten wird das Probeabo nach Ablauf von 30 Tage automatisch auf ein kostenpflichtiges Abonnement aktualisiert“. Wird das entsprechende Feld ausgewählt, gilt für ausgewählte Flugreisen ein ermäßigter Tarif. Am Ende des Vorgangs gelangt der Kunde auf eine Maske „Ihr Reiseplan“, in welcher die Flugdaten wiedergegeben werden. Zudem steht dort: „30-Tage-GRATIS-Probeabo (…) Mit Ihrem 30-Tage Prime Gratis-Abo sparen Sie (…) EUR bei diesem Flug”. Unter dem Button „Jetzt kaufen“ steht geschrieben: „Durch Anklicken autorisieren Sie O., ein Prime-Benutzerkonto mit der eingegebenen E Mail-Adresse zu erstellen“.
Die Klägerin (K) schloss ein Prime-Abonnement ab und buchte eine ermäßigte Flugreise. Im Folgenden wurde vom Konto der K der Flugpreis und die Abo-Jahresgebühr abgebucht. Im Nachgang hält K den Vertrag für nicht zustandegekommen und möchte die Jahresgebühr erstattet bekommen.
C. Anmerkungen
Der BGH geht davon aus, dass vorliegend kein Vertrag gem. § 312j Abs. 4 BGB zustandegekommen ist. Hier entspreche die konkrete Ausgestaltung des Bestellvorgangs nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB. Zwar sei die umgangssprachliche Verwendung des Wortes „Kauf“ unproblematisch, da sich daraus doch zweifelsfrei eine Zahlungspflicht für den Kunden ergibt. Jedoch bezwecke § 312j Abs. 3 BGB, dem Verbraucher aufzeigen zu wollen, welche Zahlungspflichten sein Handeln auslöst. Dem ist aber nicht genügt, wenn unersichtlich ist, welche Verträge der Verbraucher mit Betätigung der Schaltfläche abschließt. In diesem Fall war aus der Maske nicht erkennbar, dass es sich um einen einheitlichen Bestellvorgang für mehrere Leistungen handelt. Es fehlt an dem Hinweis auf die Zahlungspflicht für das Abonnement.
Der erlangte Vorteil eines günstigeren Preises aufgrund des Abonnements kann aufgrund der Absolvierung der Reise nicht herausgegeben werden. Die Möglichkeit von Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB schließt der Schutzzweck des § 312j Abs. 4 BGB aus. Ein Verstoß gegen diesen kommt einem Verstoß gegen eine Formvorschrift gleich. Zudem soll § 312j Abs. 4 BGB vor einer Irreführung des Verbrauchers schützen. Dieser Zweck würde durch die Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB unterlaufen werden.
D. In der Prüfung
§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
1. Etwas erlangt
2. Durch Leistung
3. Ohne rechtlichen Grund
a. Angebot und Annahme
b. Unwirksamkeit nach § 312j Abs. 4 BGB
aa. Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr
bb. Zahlungspflicht
cc. Verletzung von § 312j Abs. 3 BGB (P)
4. Keine Ausschlussgründe
5. Rechtsfolge (P)
E. Literaturhinweise
Reuter in: Kein Wertersatzanspruch des Unternehmers aus § 818 Abs. 2 BGB bei Verletzung einer Schutzpflicht aus § 312j Abs. 3 BGB, RÜ 2024, 550.
Gramlich in: Bedeutung eindeutiger Bestell-Schaltflächen für
Wirksamkeit von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr,
GRUR-Prax 2024, 588.