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Entscheidung der Woche 49-2019 (ZR)

Moritz Stamme

Bei Tieren ist im Rahmen der Abgrenzung „neu“/“neu hergestellt“ und „gebraucht“ i.S.d. § 474 Abs. 2 S. 2, § 309 Nr. 8 lit. b lit. ff BGB nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen (Fortentwicklung von Senatsurteil vom 15. November 2006 – VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31).

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH – VIII ZR 240/18

in: BeckRS 2019, 26151

 

A. Orientierungssätze

Bei Tieren ist im Rahmen der Abgrenzung "neu"/"neu hergestellt" und "gebraucht" i.S.d. § 474 Abs. 2 S. 2, § 309 Nr. 8 lit. b lit. ff BGB nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen (Fortentwicklung von Senatsurteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31).


B. Sachverhalt (verkürzt)

Die Klägerin ersteigerte am 01.11.2014 auf einer von dem Beklagten veranstalteten öffentlichen Versteigerung den seinerzeit knapp zweieinhalb Jahre alten ungekörten Hengst A zum Preis von EUR 25.678,32 brutto. Dieser war bis zum Zeitpunkt der Auktion weder geritten noch angeritten worden. Vor der Versteigerung wurde A klinisch untersucht, wobei sich keine besonderen Befunde ergaben. Im Frühjahr 2016 stellte sich heraus, dass der Hengst für die Klägerin nicht reitbar war. Er hatte schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion so genannte Kissing Spines im Bereich der Brust- und der Lendenwirbelsäule sowie eine Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhauptes aufgewiesen. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 11.10.2016 unter Fristsetzung zum 21.10.2016 vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Die Auktionsbedingungen sahen vor, dass die Gewährleistungsansprüche der Käufer bereits nach drei Monaten verjähren sollten.


C. Anmerkungen

Die Auktionsbedingungen sind unwirksam, wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf (§ 476) handelt. Das OLG Schleswig-Holstein hatte entschieden, dass die Vorschriften des Verbrauchgüterkaufs der dreimonatigen Verjährungsfrist nicht entgegenstünden, da es sich bei dem A um eine gebrauchte Sache i.S.v. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB handele. Der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach Tiere per se als gebrauchte Sachen i.S.v. § 474 Abs. 2 S. 2 BGB angesehen würden, sei nicht zu folgen. Für die Beurteilung, ab welchem Zeitpunkt ein noch nicht genutztes Pferd nicht mehr als „neu“ zu bewerten sei, ließe sich zwar keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen. Zumindest sei aber ein zweieinhalbjähriger Hengst, der schon einige Zeit von der Mutterstute getrennt ist und über einen gewissen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat, sowie seit längerem geschlechtsreif ist, als „gebraucht“ oder nicht „neu hergestellt“ anzusehen. Damit hat der BGH erstmals die offen gelassene Frage beantwortet, ob neben einer nutzungs- eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos zu berücksichtigen ist.


D. In der Prüfung

A. §§ 434, 437 Nr.2, 323 Abs. 1, 346 BGB

I. Kaufvertrag

II. Sachmangel, § 434 BGB

III. Bei Gefahrenübergang

IV. Fristsetzung, § 323 Abs. 1 BGB

V. Verjährung, §§ 438, 218 BGB

(P) Wirksame AGB, Verbrauchsgüterkauf

B. Ergebnis


E. Zur Vertiefung

RÜ 2018, 685 (Besprechung des vorinstanzlichen Urteils).

 
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