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Entscheidung der Woche 49-2020 (ÖR)

Btissam Boulakhrif

Unter gewissen Voraussetzungen schützt Art. 14 I GG auch das Vertrauen in den Bestand der Rechtslage, die Grundlage für Investitionen in das Eigentum geworden ist.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerfG, Beschl. v. 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17

in: NVwZ 2020, 166; WM 2020, 1691

 

A. Orientierungssätze

Unter gewissen Voraussetzungen schützt Art. 14 I GG auch das Vertrauen in den Bestand der Rechtslage, die Grundlage für Investitionen in das Eigentum geworden ist. Dieser Vertrauensschutz besteht nicht im Rahmen des Art. 12 I GG im Hinblick auf eine künftige unternehmerische Tätigkeit.

Dagegen kann Art. 12 I GG eine Übergangsregelung erfordern, wenn eine Berufsausübung die unter der vergangenen Rechtslage erlaubt war zukünftig nicht mehr erlaubt ist.

Die Vertrauensschutzverbürgungen der einzelnen Freiheitsrechte werden durch den allgemeinen Vertrauensschutz nach Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG ergänzt.


B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)

Unter der bis 2016 geltenden Seeanlagenverordnung hatten die Beschwerdeführenden im Rahmen eines Zulassungsverfahren für Offshore-Windparks Investitionen in Form von Planungen und Untersuchungen getätigt. Durch das neu erlassene Windenergie-auf-See-Gesetz wurde das Zulassungsverfahren geändert, wodurch den Beschwerdeführenden die Zulassung ihrer Vorhaben ohne Übergangsregelung unmöglich geworden ist.


C. Anmerkungen

Besonderes Augenmerk im vorliegenden Fall lag auf dem Eigentumsbegriff des Art. 14 I GG. Die Genehmigung einen Offshore-Windpark zu betreiben, sowie die im Zulassungsverfahren erlangten Verfahrenspositionen stellen kein Eigentum i.S.d. Art. 14 I GG dar, da es sich hierbei nur die Feststellung handelt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Sie sind damit von solchen subjektiven Rechten abzugrenzen, denen Eigentumsschutz zuerkannt wird, weil die mit ihr erlangte Rechtsposition der eines Eigentümers entspricht. Dies gilt dann erst recht für die im Zulassungsverfahren erlangten Verfahrenspositionen. Die an sich getätigten Investitionen stellen auch kein Eigentum i.S.d. Art. 14 I GG dar, sondern lediglich Ausgaben. Die Berufsfreiheit schützt nicht vor Veränderungen von Marktdaten oder Rahmenbedingungen von unternehmerischen Tätigkeiten und gewährleistet v.a. keine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten. Dafür braucht es vielmehr eine objektiv berufsregelnde Tendenz oder die mittelbar faktische Wirkung der Maßnahme kommt einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleich.

Schwerpunkt des vorliegenden Falles war die Frage nach der Existenz und Reichweite von Vertrauensschutzverbürgungen der Freiheitsgrundrechte. In diesem Fall insbesondere hinsichtlich der Eigentums- und der Berufsfreiheit aus Art. 14 I, 12 I GG aufgrund frustrierter Investitionen auf Grundlage einer veränderten Rechtslage. Aus Art. 14 I GG lässt sich zwar grundsätzlich eine solche Vertrauensschutzverbürgung ableiten, jedoch setzt diese voraus, dass die Investition in eine eigentumsfähige Rechtsposition getätigt oder durch diese eine solche geschaffen wird, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Weiterhin enthält Art. 2 I i.V.m. Art. 20 II GG ein allgemeines Vertrauensschutzgebot. Entscheidend ist hierbei die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die im Einzelfall festzustellen ist. Das allgemeine Vertrauensschutzgebot ist subsidiär zu den grundrechtsspezifischen Vertrauensschutzverbürgungen.


D. In der Prüfung

B. Begründetheit

I. Art. 14 I GG

1. Schutzbereich

a. Persönlicher Schutzbereich

b. Sachlicher Schutzbereich

II. Art. 12 I GG

1. Schutzbereich

II. Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG

1. Schutzbereich

2. Eingriff

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung


E. Zur Vertiefung

EnWZ 2016, 490; IR 2020, 266.

 

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