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Entscheidung der Woche 51-2018 (SR)

Simon Künnen

Eine Einengung des Anwendungsbereichs des § 211 StGB auf die Umstände im Augenblick der eigentlichen Tötungshandlung zu beschränken, ist ungerechtfertigt.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 5 StR 296/18

in: BeckRS 2018, 22025

NStZ-RR 2018, 344

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat kann Heimtücke gerade in den Vorkehrungen liegen, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, falls diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Eine Einengung des Anwendungsbereichs des § 211 StGB auf die Umstände im Augenblick der eigentlichen Tötungshandlung zu beschränken, ist ungerechtfertigt.


B. Sachverhalt

A lockte den Sohn der B zu sich in die Wohnung, um ihm dort gewaltsam den Wohnungsschlüssel der B zu entwenden. Anschließend fuhr A zur Wohnung der B und öffnete die Tür mit dem Hausschlüssel, wo diese arglos auf die Heimkehr ihres Sohnes wartete. A bedrohte die B zunächst mit einer Schreckschusspistole, bevor er sie mit einem Küchenmesser der B erstach.


C. Anmerkungen

Der BGH schloss sich dem Urteil des LG wegen Mordes in Tateinheit mit Geiselnahme und wegen Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Nötigung im Ergebnis an und verwarf somit die Revision als unbegründet. Im Mittelpunkt dieser Entscheidung stand dabei der Zeitpunkt des Vorliegens des vom Landgericht Berlin angenommene Mordmerkmals der Heimtücke.

Für die Heimtücke bedarf es zunächst der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. Dabei ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich der Beginn der ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffshandlung, also beim Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (Koinzidenzprinzip). Eben dies schien jedoch im vorliegenden Fall problematisch, denn zu Beginn der Tötungshandlung mit dem Messer sah B sich bereits den massiven Drohungen des A ausgesetzt, so dass sie von einem Angriff auf ihre körperliche Unversehrtheit ausgehen musste und folglich nicht mehr arglos war.

Der BGH bejaht jedoch die Arglosigkeit in solchen Fällen, bei denen die Heimtücke gerade in den Vorbereitungen der von langer Hand geplanten Tat liegt, auch dann, wenn sich jene Heimtücke bei der Ausführung der eigentlichen Tat noch fortwirkt. Schließlich sei auch nicht entscheidend, ob und wann das Opfer die Gefahr erkennt, wenn der Täter seinem ahnungslosen Opfer in dessen Wohnung auflauert. Vielmehr komme es darauf an, dass - dem Sinn und Zweck des Heimtückemerkmals nach - die Schutzlosigkeit und das Fehlen von Abwehrmöglichkeiten sich noch aus der zuvor in der Vorbereitungshandlung ausgenutzten andauernden Arglosigkeit ergibt. Eine fehlende Würdigung der Vorhandlung und ein Abstellen auf den alleinigen Zeitpunkt der konkreten Tathandlung würde daher den Anwendungsbereich des § 211 StGB ungerechtfertigt einengen. So entzog A hier mit dem überraschenden Eindringen in die Wohnung der ahnungslosen B ihr von vorne herein alle realistischen und zumutbaren Abwehrchancen. Mit der anhaltenden Drohung machte er eine Gegenwehr, Flucht oder auch nur Hilferufe von unmöglich.

Damit wirkte sein heimtückisches Vorgehen vom Zeitpunkt des Eindringens in die Wohnung bis zur eigentlichen, kurz darauffolgende, Tötungshandlung fort. Letztlich hält der BGH mit diesem Urteil an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vorverlagerung der Heimtücke fest (dazu auch BGHSt 22, 77, 79f.; BGHSt 32, 382, 385f.).


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Tötung eines anderen Menschen

b. Mordmerkmale der 2. Gruppe

aa. Heimtücke (!)


E. Zur Vertiefung

Zum Heimtückemord unter außergewöhnlichen Umständen / Haustyrannen-Fall: Otto, NStZ 2004, 142f.;

Umfassende Anmerkung zum Urteil mit Kritik zur Vorverlagerung der Heimtücke: Schiemann, NStZ 2018, 654.

 
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