Entscheidung der Woche 20-2025 (ZR)

Ronja Beyer
Wenn der (alleinvertretungsberechtigte) Geschäftsführer einer GmbH, die eine in ihrem Eigentum stehende 5-Zimmer-Wohnung vermietet, mit einem Mietinteressenten (zur Schädigung der Vermögensinteressen der GmbH) eine Miete weit unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete in Berlin vereinbart, ist die Annahme, der Mietvertrag sei wegen kollusiven Zusammenwirkens des Geschäftsführers mit der späteren Mieterin sittenwidrig und deshalb gem. § 130 Abs. I BGB unwirksam, rechtsfehlerhaft.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BGH VIII ZR 152/23
in: NZM 2025, 345
BeckRS 2025, 6226
A. Orientierungs - oder Leitsätze
Wenn der (alleinvertretungsberechtigte) Geschäftsführer einer GmbH, die eine in ihrem Eigentum stehende 5-Zimmer-Wohnung vermietet, mit einem Mietinteressenten (zur Schädigung der Vermögensinteressen der GmbH) eine Miete weit unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete in Berlin vereinbart, ist die Annahme, der Mietvertrag sei wegen kollusiven Zusammenwirkens des Geschäftsführers mit der späteren Mieterin sittenwidrig und deshalb gem. § 130 Abs. I BGB unwirksam, rechtsfehlerhaft. Nur die Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens genügt eine Kenntnis des Mietinteressenten und Lebensgefährten der späteren Mieterin oder eine grobfahrlässige Unkenntnis vom einem Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer nicht.
B. Sachverhalt
Die Beklagte (B) und ihr Lebensgefährte bewohnen mit ihren minderjährigen Kindern mindestens seit Dezember 2017 eine im Eigentum Klägerin (K) einer GmbH stehende Fünfzimmerwohnung in Berlin mit einer Wohnfläche von rund 177 m². Nach dem schriftlichen Mietvertrag, der von B als (alleiniger) Mieterin und für K als Vermieterin von ihrem damaligen (alleinvertretungsberechtigten) Geschäftsführer unterzeichnet wurde, sollte das Mietverhältnis zum 21. Dezember 2017 beginnen.
Die Nettokaltmiete sollte monatlich 600€ betragen, die Bruttomiete monatlich 1.010 €. Die - von ihr im Folgenden erfüllte - Mietzahlungspflicht der Mieterin sollte erst zum 1. September 2018 beginnen und die Mieterin bis danin - als Gegenleistung fur die im Vertrag enthaltene Verpflichtung, die Wohnung mit Ausnahme der vom Vermieter durchzuführenden Maßnahmen fachgerecht renovieren zu lassen - eine Bruttomietbefreiung erhalten. Die Gesellschafter der K betrieben - gestützt auf den Vorwurf einer Schädigung der Vermögensinteressen der K - die Ablösung des damaligen Geschäftsführers. Mit Schreiben vom 15. Februar 2021 verlangte K nunmehr vertreten durch ihren neuen Geschäftsführer, von B die Räumung und Herausgabe der Wohnung mit der Begründung, der Mietvertrag sei durch kollusives Verhalten zustande gekommen und zudem wegen der niedrigen Miete sittenwidrig. Mit ihrer Klage begehrt K von B und ihrem Lebensgefährten die Räumung und Herausgabe der Wohnung und von B zudem die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das Jahr 2018.
C. Anmerkungen
Der BGH geht davon aus, dass eine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis von einem Missbrauch der Vertretungsmacht nicht ausreicht, um eine Unwirksamkeit aufgrund von kollusive Zusammenwirken nach § 138 Abs. 1 BGB zu bejahen. Es bräuchte vielmehr ein bewusstes Zusammenwirken der B mit dem ehemaligen Geschäftsführer der K, welches sich zum Nachteil de K auswirkt.
Für ein solches bewusstes Handeln finden sich laut BGH hier keine Anhaltspunkte. Eine auffällig geringe Miete von - in diesem Fall 600 € netto - allein rechtfertigt eine solche Annahme nicht.
Es muss sich der B dadurch allenfalls nicht ohne weiteres aufdrängen, dass der Vertreter treuwidrig handeln könnte.
Die Annahme, dass Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis zur Bejahung des § 138 Abs. 1 BGB ausreicht, führt zu unsauberer Vermischung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB und der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB. Zudem stellt der BGH fest, dass eine Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB im Hinblick auf Treu und Glauben nach § 242 BGB nicht schlicht vermutet werden darf, weil es dem Lebensgefährten der B bekannt oder grob fahrlässig unbekannt war, dass der ehemalige Geschäftsführer nicht zum Abschluss eines Vertrages mit diesem Inhalt befugt war. Vielmehr müssen dazu hinreichend tragfähige Anhaltspunkte bestehen. So etwa die Betrauung mit Aufgaben hinsichtlich der Anmietung der Wohnung in eigener Verantwortung.
Dasselbe gilt für die Wissenszurechnung bei Ehegatten. Damit entfällt auch die Grundlage für einen Anspruch der K auf Nutzungswertersatz gem. §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB.
D. In der Prüfung
Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach §§ 546, 985 BGB
I. Wirksamer Mietvertrag
1. Einigung
a. Wirksame Vertretung der K aa. Eigene Willenserklärung
Do. Im Tremeen namen
cc. Mit Vertretungsmacht dd. Kein Ausschluss nach §$ 138 Abs. 1, 242 BGB (P)
b. Annahme durch B
2. Zwischenergebnis: Einigung (+)
II. Beendigung des Mietverhältnisses (-) III. Ergebnis
E. Literaturhinweise
Flatow in: Begrenzter Schutz des Untermieters, NZM 2024, 769.
Weinland in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 166 BGB.