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Entscheidung der Woche 15-2024 (ZR)

Lea Kramer

Die Äußerung „#DubistEinMann“ ist eine zulässige Meinungsäußerung und stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Sinne des §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG dar.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: OLG Frankfurt,Hinweisbeschluss v. 26.09.2023 - 16 U 95/23

Fundstelle: GRUR-RR 2024, 122; NJW RR 2024/325

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

Die Äußerung „#DubistEinMann“ ist eine zulässige Meinungsäußerung und stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Sinne des §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG dar.


B. Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Transfrau und postet im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit auf „X“, ehemals Twitter, Beiträge zu politischen und gesellschaftlichen Themen. In dem Kommentar spricht sie sich gegen „#TERFs“ (d.h. Trans Exclusionary Radical Feminists) aus und fordert zu mehr Unterstützung des deutschen Frauenrats auf.

Die Beklagte reagiert direkt unter dem Kommentar der Klägerin mit dem Hashtag „times changed! #DubistEinMann“. Dazu fügt sie ein Smiley- Emoji mit lachendem Gesicht ein. Die Klägerin sieht sich durch den Kommentar in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Beklagte behaupte durch die Äußerung, dass die Klägerin ein Mann sei. Damit spreche die Beklagte ihr in ehrverletzender Weise ihre tatsächliche Geschlechtsidentität und Lebensrealität ab. Insofern stehe ihr ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog zu, es zu unterlassen, in Bezug auf ihre Person zu verbreiten, dass „sie ein Mann sei.“


C. Anmerkungen

Die streitgegenständliche Äußerung „#DubisteinMann“ ist nach Auffassung des LG Frankfurt eine zulässige Meinungsäußerung. Nachdem auch das OLG Frankfurt in einem Hinweisbeschluss diese Meinung teilte, nahm die Klägerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

In der Entscheidung wird ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog geprüft. Im Kern steht die Frage, ob ein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG vorliegt.

Die Reichweite des APR als Rahmenrecht ist nicht klar zu bestimmen. Daher muss unter Abwägung der entgegenstehenden grundrechtlichen Interessen die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden.

Abzuwägen ist der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gegenüber dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.

Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens, sowie der Beurteilung geprägt.Das Gericht sieht in der Aussage „#DuBistEinMann“ eine politische und gesellschaftliche Meinungsäußerung bezüglich transidenter Personen sowie eine Kritik am Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes. Der Kommentar stehe im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beitrag und sei daher als Reaktion auf die sachliche Auseinandersetzung anzusehen. Somit handele es sich bei der umstrittenen Auseinandersetzung um eine gesellschaftspolitische Meinung und gar nicht um unzulässige Schmähkritik. Eine Bewertung der streitgegenständlichen Äußerung sei aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Dritten zu beurteilen.

Bei der Beurteilung stellt das Gericht auf die Schreibweise des Kommentars ab. Demnach sei die Klägerin durch die Verwendung des Personalpronomens „du“ nicht persönlich angesprochen. Die Kritik richte sich an alle Personen, die sich für ein Gesetz zur Selbstbestimmung einsetzen. Auch der Gebrauch des unbestimmbaren Artikels „ein“ zeige, dass die Äußerung sich nicht auf die Klägerin persönlich beziehe, sondern als verallgemeinernde Aussage zu verstehen sei. Das Wort „Mann“ stelle ein Akronym für den von der Klägerin verwendeten Hashtag „#TERFs“ dar. Die Äußerung stehe daher in unmittelbarem Zusammenhang mit dem von der Klägerin verwendeten Hashtag. Außerdem diene die Verwendung eines Hashtags gerade dazu, eine Verknüpfung zu anderen Beiträgen herzustellen und Reichweite zu generieren beziehungsweise Gleichgesinnte zu finden.

Darüber hinaus ist der Kommentar der Klägerin öffentlich im Internet zugänglich. Unter Verwendung des Hashtags „#TERFs“ habe sich die Klägerin daher bewusst in die Öffentlichkeit begeben und damit das gesellschaftliche Thema zum öffentlichen Diskurs gemacht. Naturgemäß müsse die Klägerin dabei auch mit anderen Meinungen rechnen.


D. In der Prüfung

A. Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB

I. Analoge Anwendbarkeit des § 1004 Abs.1 S. 2 BGB

II. Verletzung geschützten Rechtsguts i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB

III. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

insb. keine Duldungspflicht, § 1004 Abs. 2 BGB analog

IV. Weitere bevorstehende Beeinträchtigungen

V. Anspruchsgegner ist Störer


E. Literaturhinweise

Grüneberg/Sprau, § 823 Rn 83 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche § 1004 Rn. 4.

 
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