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- Entscheidung der Woche 35-2024 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 35-2024 (ÖR) Janek Alexander Steinert Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BVerfG, Beschl. v. 05.12.2023 - 2 BvR 1749/20 Fundstelle: openJur 2024, 3447 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. 2. Ein Eingriff in Form einer Durchsuchung kann nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden. 3. Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. 4. Der jeweilige Eingriff muss in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der konkreten Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen. 5. Die Auffindewahrscheinlichkeit ist insbesondere bei länger zurückliegenden Ereignissen oder bei Kenntnis des Betroffenen von den Ermittlungen sorgfältig zu prüfen. B. Sachverhalt Die Beschwerdeführerin (Bf.) wurde am 13. Mai 2019 bei einer "Adbusting"- Aktion, also dem Austauschen eines Werbeplakates durch eine optisch sehr ähnliche, aber verfälschte Version, von zwei Polizisten beobachtet. Die Polizisten verhinderten den Versuch, hingen das abgehangene Plakat zurück und stellten das mitgebrachte fremde Plakat sowie ein spezielles Werkzeug zum Öffnen von Schaukästen sicher. Am 15. Juni 2019 wurden mehrere verfälschte Plakate festgestellt, die Anzeige wurde gegen "Unbekannt" geführt. Am 17. Juli 2019 ordnete das Amtsgericht Tiergarten die Untersuchung der Wohnung der Bf. an, da man sie des Diebstahls verdächtigte und davon ausging mögliche weitere Plakate sicherzustellen. Diese wurde am 6. September durchgeführt. Am 3. Dezember 2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Bf. eingestellt, da die Schuld gering sei und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe. Die Bf. erhob am 16. Juli 2020 Beschwerde gegen denDurchsuchungsbeschluss. Ihrer Begründung nach sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen, weiterhin sei "Adbusting" grundrechtlich geschützt. Am 24. August 2020 beschloss das Landgericht Berlin, dass die Beschwerde der Bf. unbegründet sei. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Bf. die die Verletzung ihrer Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, ihrer Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG und ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG. C. Anmerkungen Die Annahme des Landgerichts, dass ein versuchter Diebstahl vorliege ist nicht haltbar, da eine Zueignungsabsicht beim ursprünglichen Fall nicht anzunehmen ist. Die Durchsuchungsanordnung sei dem Rechtfertigungsbedürfnis für den schweren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Betroffenen nicht gerecht geworden. Auch die Geringwertigkeit der Sache sei nicht berücksichtigt worden. Außerdem waren die Erfolgsaussichten einer Untersuchung dadurch geschmälert, dass die Beschwerdeführerin über zwei Monate Zeit hatte, um mögliche Beweismittel zu beseitigen. Für die Ermittlungen für das versuchte Austauschen am 13. Mai 2019 sei eine Untersuchung nicht erforderlich gewesen, da bereits alle nötigen Beweise in Form von Tatwerkzeug und Plakat sichergestellt worden waren. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und auch begründet, da ein ungerechtfertigter Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung vorliege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch die Anordnung der Untersuchung und ihrer Durchführung verletzt worden. Ein Eingriff in die Kunstfreiheit der Beschwerdeführerin war weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten und des Landgerichts Berlin haben die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt. Der Beschluss des Landgerichts sei daher aufzuheben. Der amtsgerichtliche Beschluss solle nicht aufgehoben werden, da seine Wirkung mit Vollstreckung der Durchsuchung entfallen sei. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit der Klage I. Zuständigkeit des BVerfG (+) II. Beschwerdefähigkeit (+) III. Beschwerdegegenstand (+) V. Bescherdebefugnis (+) (P) Gegenwärtigkeit bei bereits ausgeführtem Akt V. Rechtswergerschöpfung (+) VI. Form und Frist (+) B. Begründetheit I. Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG (-) II. Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG 1. Schutzbereich 2. Eingriff (+) 3. Rechtfertigung (-) C. Ergebnis (+) E. Literaturhinweis https://openjur.de/u/2486105.html Entscheidung der Woche 35-2024 .pdf PDF herunterladen • 464KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 46-2021 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 46-2021 (SR) Celina Weddige Beim „Cash Trapping“ stellt das Anbringen der Metallleiste mit Klebestreifen an den Geldautomaten regelmäßig noch kein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 22 StGB dar, und zwar auch dann nicht, wenn Kunden den entsprechend präparierten Geldautomaten bedienen. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: OLG Köln 2 Ws 161/20 in: NStZ 2021, 48 BeckRS 2020, 35844 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Beim „Cash Trapping“ stellt das Anbringen der Metallleiste mit Klebestreifen an den Geldautomaten regelmäßig noch kein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes im Sinne des § 22 StGB dar, und zwar auch dann nicht, wenn Kunden den entsprechend präparierten Geldautomaten bedienen. 2. Für die Versuchsstrafbarkeit beim „Cash Trapping“ bleibt nur Raum zwischen dem Entschluss des Täters, zum Zweck der Wegnahme sein Versteck zu verlassen, nachdem sich der Kunde von dem präparierten Geldautomaten entfernt hat, und dem Ergreifen und Einstecken der an der Metallleiste klebenden Scheine als Wegnahmehandlung. B. Sachverhalt B manipulierte Geldautomaten, indem er an den Geldausgabeschacht Klebestreifen anbrachte, die mit einem Metallprofil versehen waren (sog. „Cash Trapping“). Hebt ein Kunde sodann Geld ab und bedient dafür den Geldautomaten, so bleibt das Geld an dem Klebestreifen kleben. Sobald sich der Kunde von dem Geldautomaten entfernt, besteht die Möglichkeit des Täters, das Geld von dem Klebestreifen zu entfernen und es an sich zu nehmen. Allerdings entfernten sich die Kunden nicht von dem Geldautomaten, sondern riefen die Polizei. In einem anderen Fall schaltete sich der Geldautomat nach der Manipulation des B automatisch aus. Hat sich B wegen versuchten Diebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 2, 22 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das OLG Köln befasste sich in diesem Fall konkret mit der Frage, ob B durch das Manipulieren der Geldautomaten bereits unmittelbar zur Diebstahltat ansetzte. Unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur Ausführungshandlung dergestalt ansetzt, dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht und nach seiner Vorstellung das geschützte Rechtsgut bereits konkret gefährdet ist. Das OLG Köln verneinte beim „Cash Trapping“ das unmittelbare Ansetzen und stimmte damit der vorherigen Entscheidung des LG zu. Begründet wurde dies damit, dass ein weiterer Willensimpuls für das Vorliegen des unmittelbaren Ansetzens erforderlich gewesen wäre. Wartet der Täter auf die Tatausführung oder überlegt er sich, ob er das Geld tatsächlich aus dem Geldfach nimmt, ist ein solcher Willensimpuls erforderlich. Subjektiv überschritt B gerade nicht die Schwelle zum „jetzt geht es los“, denn B konnte aus seiner Sicht sein weiteres Handeln abbrechen. Für die Wegnahme des Geldes war insbesondere erforderlich, dass sich die Kunden von dem Geldautomaten entfernen, damit B sodann entscheiden kann, ob er das Geld herausnehmen möchte und seine Deckung aufgibt. Entfernen sich die Kunden, besteht zudem die Möglichkeit, dass sich der Täter zum Tatabbruch entschließt. Aufgrund des fehlenden letzten Willensimpulses überschritt B daher gerade nicht subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“. Des Weiteren verdeutlichte das OLG Köln, dass auch objektiv wesentliche Zwischenschritte erforderlich waren, denn für eine Wegnahme seien das Bedienen des Automaten und das Entfernen der jeweiligen Kunden erforderlich gewesen. Es wurde auch ein Vergleich zum Versuchsbeginn beim „Skimming“ gezogen, bei dem Geldautomaten und Pins ausgespäht werden. Auch das Anbringen einer solchen Vorrichtung stellt noch kein unmittelbares Ansetzen dar, da Zwischenschritte erforderlich sind. Allerdings verdeutlichte das OLG auch, dass das „Skimming“ und „Cash Trapping“ nicht derart vergleichbar seien, denn das Ausspähen beim „Skimming“ geschehe über einen langen Zeitraum. Zwar begründete die Staatsanwaltschaft das unmittelbare Ansetzen beim „Cash Trapping“ damit, dass der Täter sich in Sichtweite des Geldautomaten aufhält, den Kunden beobachtet und darauf wartet, das Geld herauszunehmen. Jedoch überwiegen laut OLG die Gründe, das unmittelbare Ansetzen aufgrund des fehlenden Willensimpulses und des Erfordernisses weiterer Zwischenschritte abzulehnen. Hierfür spricht auch, dass noch keine konkrete Gefährdung des geschützten Eigentums an den Geldscheinen besteht. Eine solche Gefährdung bestehe erst beim Entfernen der Kunden von dem Geldautomaten. Das „Cash Trapping“, also das Anbringen der Metallleiste, ermögliche lediglich einen späteren Gewahrsamsbruch. Mithin hat sich B mangels unmittelbaren Ansetzens nicht gem. §§ 242 Abs. 1, 2, 22 StGB strafbar gemacht. D. In der Prüfung §§ 242 Abs. 1, 2, 22 StGB 0. Vorprüfung I. Tatentschluss II. (P) Unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB E. Zur Vertiefung Zum Begriff des unmittelbaren Ansetzens: Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 30. Auflage 2019, § 22 Rn. 36ff. Entscheidung-der-Woche-46-2021 .pdf PDF herunterladen • 83KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 22-2018 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 22-2018 (ÖR) Jendrik Wüstenberg Günther Jauch, die Grundrechte und keine unendliche Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Wo? Az: BVerfG – 1 BvR 442/15 in: BeckRS 2018, 2868 Was? Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 07.02.2018 Eine ungerechtfertigte gerichtliche Verpflichtung zum Abdruck einer Gegendarstellung verletzt einen Verlag in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Gegendarstellungen sind bei als Aufmacherfragen verdeckten Tatsachenbehauptungen zulässig. Nicht gegendarstellungsfähig sind jedoch solche Fragen, die auf die Ermittlung der Wahrheit oder Unwahrheit gerichtet sind und offen für verschiedene Antworten sind. Enthalten Aufmacherfragen keine bestimmten Tatsachenbehauptungen, kann dem Schutzbedürfnis des Betroffenen gleichwohl durch andere presserechtliche Institute Rechnung getragen werden. (Leitsätze der Redaktion) Warum? Das Presserecht bietet immer wieder interessante Fälle für Klausuren, da der Bearbeiter hier das Persönlichkeitsrecht mit der Pressefreiheit umfassend abwägen muss. Zudem lassen sich Parallelen zum Grundrecht auf Meinungsfreiheit herstellen, denn auch bei dessen Prüfung muss präzise zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil abgegrenzt werden. Besonders prüfungsrelevant ist die Konstellation auch deshalb, weil sich auch in der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ein Problem versteckt; der Prüfling muss erkennen, dass es sich bei dem Recht auf eine Gegendarstellung um eine privatrechtliche Regelung handelt. Die Grundrechte sind aber primär als Abwehrrechte gegen den Staat ausgestaltet, sodass in einer Klausurausarbeitung die Problematik der verfassungsrechtlichen Rolle des Bundesverfassungsgerichts (es ist keine Superrevisionsinstanz!) und der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zu erörtern ist. Vertiefungsaufgabe Ein Grundrechte-„Klassiker“ und zudem mit hannöverschem Bezug ist der unter dem Stichwort „Caroline von Hannover/Monaco“ vom BVerfG entschiedene Fall, der die Veröffentlichung von Paparazzi-Aufnahmen aus dem Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens und deren Angehörigen zum Gegenstand hatte. Dieser Fall sollte aufgearbeitet werden (BVerfGE 101, 361 ff.; JA 2000, 549). Entscheidung-der-Woche-22-2018 .pdf PDF herunterladen • 143KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 08-2025 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 08-2025 (ZR) Michel Annink Sichert ein Kfz-Halter das von ihm gehaltene Fahrzeug nicht ausreichend gegen Diebstahl, haftet er für Schäden aus einem Unfall während einer Schwarzfahrt. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: LG Hamburg 323 O 330/20 A. Orientierungs - oder Leitsätze Sichert ein Kfz-Halter das von ihm gehaltene Fahrzeug nicht ausreichend gegen Diebstahl, haftet er für Schäden aus einem Unfall während einer Schwarzfahrt. B. Sachverhalt Der Beklagte (B1) entwendete ein Fahrzeug vom weiteren Beklagten (B2), welches beim dritten Beklagten (B3) versichert ist. Hierbei nutzte er einen Fahrzeugersatzschlüssel, welcher sich in der nicht verschlossenen Mittelkonsole des Fahrzeugs befand. B1 wurde von der Polizei verfolgt und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 145 km/h. B1 stieß auf der Gegenfahrbahn frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammen. Darin befand sich der Sohn (S) der Klägerin (K). S trug keinen Sicherheitsgurt. Der S verstarb an der Unfallstelle. Die K wurde via Telefon über den Tod informiert und nahm in der Folgezeit medizinische und psychologische Hilfe in Anspruch. K war in dieser Zeit arbeitsunfähig. C. Entscheidung und Anmerkungen Das Gericht entschied, dass B1 bis B3 als Gesamtschuldner für einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 40.000,00€ haften. Die Ansprüche der K gegen B1 folgen aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB i.V.m. 223, 229 StGB. Festgestellt wurde, dass B1 als Schwarzfahrer mit einem gestohlenen Wagen haftet. B2 haftet als Halter des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 und 3 S. 1 2. Hs. StVG sowie § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO. Denn B2 habe die Benutzung des Fahrzeugs durch den B1 schuldhaft ermöglicht. Aus § 14 Abs. 2 S. 2 StVO ergibt sich die Pflicht, dass Kraftfahrzeuge gegen unbefugte Benutzung zu sichern sind. Dabei hat der Fahrzeughalter bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles zu tun, was ihm billigerweise zur Verhinderung von Schwarzfahrten zugemutet werden kann. Dies begründet sich durch die erheblichen Gefahren für den Straßenverkehr, welche eine nicht geeignete oder unbefugte Nutzung erfahrungsgemäß mit sich bringt. Zu den zumutbaren Sicherungsmaßnahmen gehöre es, keine Fahrzeugschlüssel ungesichert im Fahrzeug aufzubewahren, also den Fahrzeugersatzschlüssel nicht in der nicht abgeschlossenen Mittelkonsole desselben Fahrzeuges aufzubewahren. Denn so würde die Entwendung erheblich erleichtert. B3 haftet als Versicherer des Fahrzeuges von B2 aus § 7 Abs. 1 und 3 S. 1 2. Hs. sowie § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG für Schadensersatz. B3 kann sich auf den Risikoausschluss nach § 103 VVG berufen, jedoch hat B3 durch die nicht entfallende Halterhaftung des B2 für die entstandenen Schäden der K einzustehen. Durch den Verkehrsunfall hat K auch eine Gesundheitsschädigung erlitten. Sie hat sich sog. Schockschäden, also psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes oder der schwerwiegenden Verletzung eines nahen Angehörigen, zugezogen. Diese stellen nur eine Gesundheitsverletzung im Sinne der o.g. Haftungsvorschriften dar, wenn sie pathologisch fassbar sind und deutlich über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Familienangehörige bei dem Miterleben oder der Benachrichtigung von einem solchen Ereignis erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Demgegenüber begründen seelische Erschütterungen (Trauer, Kummer, Leid und seelischer Schmerz), die bei Angehörigen nach allgemeiner Erfahrung durch die Konfrontation mit dem Tod oder der gravierenden Verletzung einer nahestehenden Person zu erwarten sind, auch bei einer begleitenden Störung der physiologischen Abläufe keine Gesundheitsverletzung, wenn der psychischen Beeinträchtigung nach der medizinischen Bewertung nicht selbst ein Krankheitswert zukommt. Das Gericht stellt fest, dass die K durch den Tod ihres Sohnes S die vorauszusetzende psychopathologische Beeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten hat. Durch den § 14 Abs. 2 S. 2 StVO entsteht eine Pflicht das Fahrzeug gegen unbefugte Nutzung zu sichern. Dabei hat der Fahrzeughalter bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles zu tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann (s.o.). Versetzt man sich in die Situation eines regulären Fahrzeughalters so steht man dem Diebstahl des eigenen Fahrzeugs nicht positiv gegenüber. Wenn man den Fahrzeugschlüssel im Fahrzeug lässt und darauf vertraut, dass dieses nicht gestohlen wird, wird eine Pflicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 StVO gebrochen und man haftet für den entstehenden Schadensersatz mit. Fraglich sind die jeweiligen Grenzen und ob das Vertrauen in den ausbleibenden Diebstahl zu einer Schadensersatzpflicht führen sollte. D. In der Prüfung Anspruch gegen B2 aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 StVO I. Rechts- oder Rechtsgutverletzung (P) Schockschaden der K II. Verletzungshandlung (P) Verletzung einer Pflicht aus § 14 Abs. 2 S. 2 StVO III. Haftungsbegründende Kausalität IV. Rechtswidrigkeit V. Haftungsausfüllender Tatbestand Entscheidung der Woche 08-2025 .pdf PDF herunterladen • 164KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 31-2023 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 31-2023 (ZR) Kevin Riebe Das Gericht hat die Verhandlung nach § 337 Satz 1 ZPO zu vertagen, wenn eine Partei an der nach § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführten Verhandlung nicht teilnimmt, weil die Übertragung aus ihr nicht zuzurechnenden ungeklärten technischen Gründen nicht zustande kommt. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: OLG Celle, Beschl. v. 15.09.2022 - 24 W 3/22 in: NJW 2023, 307 NJW-RR 2022, 781 MDR 2022, 1561 IMR 2022, 466 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Das Gericht hat die Verhandlung nach § 337 Satz 1 ZPO zu vertagen, wenn eine Partei an der nach § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführten Verhandlung nicht teilnimmt, weil die Übertragung aus ihr nicht zuzurechnenden ungeklärten technischen Gründen nicht zustande kommt. 2. Bei der Beurteilung, ob technische Störungen mit unklarer Ursache einer Partei als Verschulden zuzurechnen sind, ist der Normzweck des § 128a Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen, nach dem die Nutzung dieser Verfahrensweise nicht derart erschwert werden darf, dass sie für den Verfahrensbeteiligten, der im Wege der Bild- und Tonübertragung an der Verhandlung teilzunehmen beabsichtigt, riskanter ist als das persönliche Erscheinen im Gericht. B. Sachverhalt Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erfüllung eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes Wohnmobil in Anspruch. [...] Das Landgericht hat den Termin zur Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen und zur mündlichen Verhandlung auf den 08.02.2022 anberaumt. Durch Beschluss vom 01.02.2022 hat es den Parteien und Parteivertretern sowie dem Zeugen gestattet, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2022 erschienen bei Aufruf der Sache im Wege der Bild- und Tonübertragung der Klägervertreter und der Kläger persönlich sowie der Zeuge. Eine Verbindung zum Beklagtenvertreter konnte nicht hergestellt werden. Der Klägervertreter beantragte eine Entscheidung durch Versäumnisurteil. Das Gericht erließ folgenden Beschluss: „Neuer Termin von Amts wegen.“ Mit Schriftsatz vom 09.02.2022 führte der Kläger seine Auffassung näher aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils erfüllt seien. Habe eine Säumnis nicht vorgelegen, so sei der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils durch Beschluss zurückzuweisen, gegen den die sofortige Beschwerde statthaft sei. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 12.04.2022 den Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. C. Anmerkungen Das OLG Celle sowie schon in der Vorinstanz das LG Verden lehnten den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteiles ab. In Celle wurde die sofortige Beschwerde als unbegründet angesehen. Das Oberlandesgericht führte zum Verfahren nach § 128a ZPO aus, dass eine Säumnis vorliegt, wenn eine Partei weder physisch im Gerichtssaal noch über eine Bild- und Tonübertragung anwesend ist. Bei der Frage des Verschuldens erläutert Celle weiter, dass im Rahmen des § 337 S. 1 ZPO ein anderer Maßstab als beim § 233 ZPO anzulegen ist. Maßgebend für das Verschulden der Säumnis aufgrund technischer Probleme ist, ob die technischen Probleme dem Beteiligten zugerechnet werden können oder nicht. Zur Bewertung dieser Frage zieht das Oberlandesgericht den Sinn und Zweck des § 128a ZPO heran. Der § 128a ZPO diene dazu, das Verfahren durch Nutzung moderner Kommunikationstechnik effektiver und prozessökonomischer zu gestalten. Dazu führt das OLG aus, jene Verfahrensweise dürfe daher in ihrer Nutzung nicht erschwert werden, was dazu führen würde, dass eine Teilnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung riskanter ist als das persönliche Erscheinen im Gericht. Demnach genügt zum Ausschluss des Verschuldens die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt sowie das Vorliegen nicht mehr aufklärbarer technischer Umstände, die dazu führten, dass eine Übertragung nicht zustande kam. Es ist den Teilnehmenden dabei nicht zuzumuten, in solch einem Falle auf Mobiltelefone umzusteigen, die eine vergleichsweise Teilhabe am Verfahren nicht ermöglichen. D. In der Prüfung Erlass eines Versäumnisurteils (VU), § 311 I 1 ZPO 1. Prozessantrag auf Erlass eines VUs, § 311 I 1 ZPO 2. Termin zur mündl. Verhandlung, § 311 I 1 ZPO 3. Säumnis des Beklagten 4. Kein Hindernis nach § 335 ZPO 5. Kein Hindernis nach § 337 ZPO a. Verhandlung gem. § 128a I ZPO b. Beachtung der erforderlichen Sorgfalt c. Nicht mehr aufklärbare technische Umstände E. Literaturhinweise Fuhrmann/Merks, Videoverhandlung im Zivilverfahren, ZRP 2023, 66; BeckOK ZPO/Jaspersen, 49. Ed. 01.07.2023, ZPO § 219 Rn. 2. Zum Sinn und Zweck des § 128a ZPO: Stein/Jonas/Kern, ZPO § 128a Rn. 1; Beschlussempfehlung u. Bericht d. Rechtsausschusses v. 15.05.2001 – BT-Drs. 14/6036, 116 Entscheidung-der-Woche-31-2023 .pdf PDF herunterladen • 185KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 42-2021 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 42-2021 (ZR) Marie-Christin Runkel Im Kaufrecht kann die Höhe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen (noch nicht aufgewendeten, „fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten berechnet werden. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH V ZR 33/19 in: NJW 2021, 1532 A. Orientierungs- oder Leitsatz Im Kaufrecht kann die Höhe des Schadensersatzanspruches statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB anhand der voraussichtlich erforderlichen (noch nicht aufgewendeten, „fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten berechnet werden. Die neuere Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, die diese Berechnung ablehnt, sei aufgrund der Besonderheiten des Werkvertragsrechts auch nur auf dieses anwendbar. B. Sachverhalt Der Beklagte (B) verkaufte eine Eigentumswohnung mit notariellem Kaufvertrag zum Preis in Höhe von 79.800 Euro am 27.02.2014 an die Kläger (K). Im Vertrag wurde eine Sachmängelhaftung ausgeschlossen. B verpflichtete sich aber dazu, die Fassade zu verputzen und, sofern bis zum 31.12.2015 erneut Feuchtigkeit im Schlafzimmer auftreten sollte, diese auf eigene Kosten zu beseitigen. Ende 2014 trat an der Schlafzimmerwand der K Feuchtigkeit auf. Sie forderten B zur Nacherfüllung auf, dieser ließ die Frist jedoch erfolglos verstreichen. Die K fordern von B die Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten (ohne Umsatzsteuer). C. Anmerkungen Auf den Ersatz der Kosten für die Beseitigung der Feuchtigkeit ist Kaufrecht anzuwenden. Bei der festgestellten Feuchtigkeit an der Wand handelt es sich um einen Mangel an der Kaufsache. Eine Schadensersatzpflicht wegen Nichtleistung ergibt sich hier aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB. Die Mängelbeseitigung wurde noch nicht vorgenommen, sodass sich die Frage stellt, wie der Schaden zu berechnen ist. Der Schadensersatz bemisst sich nach den Kosten für die Nachlieferung bzw. die Nachbesserung. Für das Werkvertragsrecht hat der VII. Zivilsenat in neuer Rechtsprechung (BGH VII ZR 46/17) entschieden, dass bei der Schadensberechnung gerade nicht auf die „fiktiven“ Mängelbeseitigungskosten zurückgegriffen werden kann. Die kaufrechtliche Rechtsprechung hierzu hatte zuvor auf der Rechtsprechung zum vorherigen Werkvertragsrecht beruht. Könnte sich der Käufer nicht auf die fiktiven Beseitigungskosten berufen, müsste er die Mängelbeseitigung selbst vornehmen, wodurch ihn ein Vorfinanzierungsrisiko träfe. Anders als im Werkvertragsrecht steht dem Käufer hier kein Vorschussrecht zu (§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB). Im Kaufrecht wird einer unangemessenen Überkompensation des Käufers bereits dadurch entgegengewirkt, dass der Nacherfüllungsanspruch nach § 439 Abs. 4 S. 2 BGB begrenzt wird. Aufgrund der unterschiedlichen Risikoverteilung und der Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs, ist die neue Rechtsprechung zu den Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht nicht ebenso auf das Kaufrecht anwendbar. Somit kann der Käufer mittels Schadensersatz statt der Leistung entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Beseitigungskosten verlangen, unabhängig davon, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Hintergrund: Nachdem der VII. Senat seine Rechtsprechung zum Werkvertragsrecht mit dem Argument geändert hatte, dass das Vermögen des Geschädigten nicht um ein fiktives Vermögen gemindert sei, fragte der V. Zivilsenat beim VII. Senat an, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte. Denn die Argumentation, ließe sich grundsätzlich auch auf das Kaufrecht anwenden. Diese Vorlage (als Vorstufe der Anrufung des großen Zivilsenats zur Klärung) wurde ausdrücklich bestätigt. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen der Zivilsenate V und VII kam es nicht zur Anrufung des großen Zivilsenats (§ 132 Abs. 1 S. 2 GVG). Grund dafür war ein erneutes Urteil des V. Senates (s.o.), der auf die Unterschiede des Kauf- und Werkvertragsrechts abstellt und so im Gegensatz zum Werkvertragsrecht im Kaufrecht die fiktiven Beseitigungskosten zur Schadensberechnung heranzieht. D. In der Prüfung Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB I. Schuldverhältnis II. Mangel III. Pflichtverletzung = Nichtleistung IV. Erfolglose Fristsetzung / Entbehrlichkeit der Fristsetzung V. Vertretenmüssen VI. Schaden (P) Sind die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ein ersatzfähiger Schaden? E. Zur Vertiefung „Fiktive Mängelbeseitigungskosten – Absage der Vorlage an den großen Zivilsenat“, Looschelders in NJW 2021, 1501; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 45. Aufl. ,§ 4 Rn. 93; „BGH legt Streit um fiktiven SE bei, im Kaufrecht hui, im Baurecht pfui“, Fuchs, https://www.lto.de/persistent/a_id/44491/ Entscheidung-der-Woche-42-2021 .pdf PDF herunterladen • 70KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 09-2022 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 09-2022 (SR) Nathalie Hamm Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 5/20 in: NStZ 2021, 229 BeckRS 2020, 10603 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Im Fall der Drohung muss das Tatopfer das Nötigungsmittel und die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen, um in die von § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB vorausgesetzte qualifizierte Zwangslage versetzt zu werden. 2. Auf welche Weise oder durch welchen Körpersinn der Täter seinem Gegenüber die Bewaffnung vermittelt, ist für die Herbeiführung der qualifizierten Zwangslage im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht entscheidend. Der Qualifikationstatbestand kann insbesondere auch dadurch erfüllt werden, dass der Täter verbal auf seine Bewaffnung aufmerksam macht und so die raubspezifische besondere Zwangslage beim Opfer bewirkt. B. Sachverhalt Der Angeklagte A stieg nachts in ein Haus ein, in dem mehrere Bewohnerinnen im ersten Stock schliefen. Zunächst durchsuchte er das Erdgeschoss, wobei er verschiedene Wertgegenstände an sich nahm und in einen mitgebrachten Rucksack packte. Anschließend bewaffnete er sich in der Küche mit einem Messer und ging ins Obergeschoss, um nach weiterem Diebesgut Ausschau zu halten. Eine Bewohnerin B erwachte, als A an ihrem Bett stand. Um eine Flucht zu ermöglichen und seine Beute zu sichern, rief A ihr mehrfach zu, dass er ein Messer habe, um ihr zu Verstehen zu geben, dass er dieses gegen sie einsetzen werde, sollte sie sich ihm entgegenstellen. B konnte das Messer aufgrund der Dunkelheit zwar nicht erkennen. Sie zweifelte jedoch nicht daran, dass A die Wahrheit sagte und sie sich in Leib- und Lebensgefahr begeben würde, wenn sie versuchen sollte ihn aufzuhalten. Sie verharrte deshalb auf der Treppe, während A mit der Beute die Flucht gelang. Hat A sich gem. der §§ 252, 250 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das LG Mönchengladbach hatte den A wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls gem. §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verurteilt. Problematisch ist dabei allein, ob A bei der Tat ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Norm verwendet hat. Nach Ansicht des BGH ist das Tatbestandsmerkmal des Verwendens dadurch erfüllt, dass A tatsächlich mit dem Messer bewaffnet war, dessen Einsatz konkludent androhte und B sowohl das konkrete Nötigungsmittel als auch die Gefahr seines Gebrauchs sowie die damit einhergehende Gefahr für ihr Leib und Leben erkannte. Der Annahme eines vollendeten Verwendens stehe insbesondere nicht entgegen, dass B das Messer in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Der Wortlaut der Vorschrift trage eine Einschränkung auf Fälle, in denen das Opfer das Tatwerkzeug visuell wahrnimmt, nicht. Ein „Verwenden“ sei als „sich bedienen / zu Nutze machen“ zu verstehen und bezeichne so eine Zweck-Mittel-Relation, aber keine konkrete Art und Weise der Benutzung. Dementsprechend reiche nach ständiger Rechtsprechung auch das verdeckte Tragen eines gefährlichen Gegenstandes oder ein rein taktiler Kontakt für ein vollendetes Verwenden aus, sofern der Bedrohte den Gegenstand registriert und für gefährlich hält. Nichts anderes gelte für die akustische Wahrnehmung des gefährlichen Werkzeugs durch das Opfer. Einerseits könne der Täter mit der Waffe selbst ein (Warn-)Geräusch produzieren (Warnschuss, Durchladen einer Pistole, eine knallende Peitsche etc.). Andererseits könne der Täter verbal auf seine Bewaffnung aufmerksam machen, um die raubspezifische Zwangslage beim Opfer zu bewirken. Wenn dem Täter dies gelinge, nutze er seine Bewaffnung als Drohmittel; die finale Verknüpfung zwischen Bedrohung und Beuteerlangung oder -sicherung liege dann in gleichem Maße vor wie bei einem für das Opfer sichtbar eingesetzten Tatmittel. Auch die Systematik des § 250 StGB bestätige dieses Ergebnis: Die im Vergleich zu § 250 Abs. 1 Nr. 1a, 1b StGB erhöhte Strafandrohung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB habe ihren Grund in der gesteigerten Verletzungsgefahr für das Opfer sowie in der höheren kriminellen Energie desjenigen Täters, der einen anderen Menschen mittels einer objektiv gefährlichen Bewaffnung in Angst und Schrecken versetzt, um an seine Beute zu gelangen oder sich deren Erhalt zu sichern. Beide Straferhöhungsgründe seien vorliegend gegeben. D. In der Prüfung §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Objektive Merkmale des § 252 StGB b. Objektive Merkmale des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB aa. Gefährliches Werkzeug bb. Verwenden (P) 2. Subjektiver Tatbestand a. Vorsatz bzgl. objektivem Tatbestand b. Beutesicherungsabsicht II. Rechtswidrigkeit und Schuld E. Literaturhinweise Vertiefend zur vorliegenden Entscheidung: Hirsch/Dölling, Verbales Verwenden? Zur Auslegung der Drohungsalternative des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, ZIS 2022, S. 68 – 76; zum Begriff des Verwendens:Hilgendorf/Valerius, Strafrecht Besonderer Teil II – Vermögensdelikte, 2. Auflage 2021, § 15 Rn. 11f. Entscheidung-der-Woche-09-2022 .pdf PDF herunterladen • 86KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 45-2021 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 45-2021 (ZR) Jonas Vonjahr Erlischt das Recht eines Mieters zum Abstellen von Gegenständen, ist deren weiterer Verbleib auf dem Grundstück durch den Eigentümer nicht mehr zu dulden. Das Eigentum wird durch die abgestellten Gegenstände rechtswidrig beeinträchtigt. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – V ZR 77/20 in: NJW-RR 2021, 671 WM 2021, 1967 A. Orientierungs- oder Leitsatz Erlischt das Recht eines Mieters zum Abstellen von Gegenständen, ist deren weiterer Verbleib auf dem Grundstück durch den Eigentümer nicht mehr zu dulden. Das Eigentum wird durch die abgestellten Gegenstände rechtswidrig beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung ist dem Zustandsstörer zuzurechnen, wenn sie wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzer der störenden Sache zurückgeht. Dies ist in wertender Betrachtung festzustellen. Entscheidend ist, ob Sachgründe vorliegen, die es nahelegen, dem Eigentümer oder Nutzer der beeinträchtigenden Sache die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. B. Sachverhalt K ist Eigentümerin eines Grundstücks. Auf diesem befinden sich Lagerhallen, von denen die K eine an die Firma M vermietete. Die Firma M beauftragte die B – ein Entsorgungsunternehmen – mit der Aufstellung von Abfallcontainern samt späterer Abholung der befüllten Container. Da die Firma M die Rechnung der B nicht beglich, verweigerte B die Abholung der durch M mit Alt- und Abbruchholz befüllten Container, so dass diese auch nach der Beendigung des Mietverhältnisses der Firma M durch fristlose Kündigung und die anschließende Zwangsräumung auf dem Grundstück der K verblieben. Über das Vermögen der Firma M wurde in der Folge das Insolvenzverfahren eröffnet. K begehrt von der B die Abholung der Container samt Inhalt. Die B ist hingegen lediglich zur Abholung der entleerten Container bereit. C. Anmerkungen Die Klage der K stützt sich auf § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Ursprünglich war die K als Vermieterin der M dazu verpflichtet, das Abstellen der Container durch die B – und somit durch einen Dritten – zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB), da der M als Grundstücksmieterin ein solches Recht gegenüber der K zustand. Als dieses Recht der M durch die Beendigung des Mietverhältnisses erlosch, entfiel allerdings auch die Duldungspflicht der K, so dass die abgestellten und mittlerweile befüllten Container spätestens mit Abschluss der Zwangsräumung als rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB einzuordnen sind. Um als Zustandsstörer angesehen werden zu können, genügt nach gefestigter Rechtsprechung des BGH nicht allein die Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer der Sache, von welcher die Störung ausgeht. Relevant ist darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung zumindest mittelbar auf den Willen des potenziellen Zustandsstörers zurückgeht. Dies kann nur im Rahmen einer wertenden Betrachtung des Einzelfalls festgestellt werden. In dem beschriebenen Fall liegt der entscheidende Sachgrund für die Zurechnung der Störung darin, dass die K die Container nicht bloß angeliefert, sondern sich gleichsam gegenüber M zur Abholung der befüllten Container verpflichtet hat. Somit ist davon auszugehen, dass nicht nur die Beeinträchtigung durch den Container selbst, sondern auch die durch den in diesen befindlichen Abfall auf den Willen der B wenigstens mittelbar zurückgeht. Dass die M ihrer korrespondierenden Vertragspflicht nicht nachgekommen ist, ändert an dieser Feststellung nichts; insbesondere kann B Rechte aus § 320 BGB nur der M entgegenhalten. Die K als dritte Partei außerhalb des synallagmatischen Verhältnisses wird durch § 320 BGB hingegen nicht betroffen. Selbst für im Container befindliche Fremdabfälle ist aufgrund eines adäquaten Zusammenhangs zur willentlichen Aufstellung der Container eine Zustandsstörereigenschaft anzunehmen. Ein solcher Zusammenhang wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die unbefugte Entsorgung von Fremdabfällen ein nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassender Umstand wäre. Es entspricht jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Fremdabfälle in zugänglichen Abfallcontainern entsorgt werden. D. In der Prüfung I. Beseitigungsanspruch, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB 1. Eigentumsbeeinträchtigung 2. Störer a) Handlungsstörer b) Zustandsstörer 3. Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung 4. Rechtsfolge II. Ergebnis E. Zur Vertiefung Raff in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1004 BGB Rn. 157-198. Entscheidung-der-Woche-45-2021 .pdf PDF herunterladen • 84KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 28-2024 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 28-2024 (SR) Emily Letkemann Vorsätzlich handelt ein Fahrer im Straßenverkehr bei der Verletzung einer anderen Person nur, wenn er selbst die Verletzung der eigenen Person billigend in Kauf nimmt. Aktenzeichen Az.: LG Osnabrück, Urt. v. 14.06.2024 - 6 Ks 4/24 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Vorsätzlich handelt ein Fahrer im Straßenverkehr bei der Verletzung einer anderen Person nur, wenn er selbst die Verletzung der eigenen Person billigend in Kauf nimmt. 2. Dies gilt auch, wenn der Täter mit „Gefährdungsvorsatz“ handelte, da er nicht unbedingt mit Tötungs- oder Körperverletzungsvorsatz agierte. B. Sachverhalt Am frühen Morgen bedrängte der Angeklagte den Fahrer eines VW Phaeton auf der Autobahn, indem er mit seinem Auto mehrfach auffuhr und wieder abbremste. Der Angeklagte fuhr sodann auf die linke Spur, auf die selbe Höhe des anderen Fahrzeugs. Er lenkte immer wieder ruckartig nach rechts, um den Fahrzeugführer zu schikanieren. Dadurch kollidierten die beiden Autos miteinander. Der VW Phaeton flog über die rechtsseitige Außenleitplanke, überschlug sich und blieb in einer Entfernung von 100 Metern liegen. Der Fahrer des VW Phaeton wurde schwerverletzt und ist noch heute nicht arbeitsfähig. Der Beifahrer verstarb vor Ort. Der Angeklagte hielt am Fahrbahnrand an, doch hat er keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfallgeschehen ergriffen. C. Anmerkungen Zunächst ist die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit der Tötung zu bestimmen. Der Tötungsvorsatz setzt das Wissens- und Wollenselement voraus, also dass der Täter die Tötung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt. Bei der sogenannten bewussten Fahrlässigkeit hält der Täter den Eintritt des Todes für möglich, vertraut aber zugleich darauf, dass dieser Erfolg nicht eintritt. Laut dem LG Osnabrück hätte der Angeklagte mit seinem Verhalten die Verletzung seiner eigenen Person und die Beschädigung des von ihm geführten Autos nicht billigend in Kauf genommen. Somit hat der Angeklagte durch seine rücksichtslose und gefährliche Fahrweise zwar mit „Gefährdungsvorsatz“ gehandelt, aber nicht mit Tötungsvorsatz, Körperverletzungsvorsatz oder Sachbeschädigungsvorsatz. Dieses Argument deckt sich auch mit dem Urteil des BGH im „Berliner Raser-Fall“ (BGH, Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17), da auch hier auf die Sicht des Täters abgestellt wurde, ob er durch sein Verhalten auch die Gefahr, die auf seine eigene körperliche Integrität drohte, gewollt hatte. Deshalb ging das LG Osnabrück davon aus, dass der Angeklagte drauf vertraute, dass die Fahrzeuge nicht kollidieren würden. Außerdem wäre der Winkel der Fahrzeuge zueinander sehr spitz gewesen, was gegen eine vorsätzliche Tat spricht. Somit wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu einer Gesamtfreiheitstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Bei der vorsätzlichen Tötung (§ 212 Abs. 1 StGB) wäre der Strafrahmen nicht unter fünf Jahre geblieben. Das Gericht sah außerdem von einer Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) ab. Zudem kam es zu keiner Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) mangels Strafantrags und besonderen öffentlichen Interesses (§ 230 StGB). Der Angeklagte hat keine rechtzeitigen Maßnahmen zur Festellung seiner Beteiligung an dem Unfallgeschehen ergriffen, weshalb dieser auch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) verurteilt wurde. D. In der Prüfung § 222 StGB A. Tatbestand I. Tötungserfolg II. Tötungshandlung III. Objektive Sorgfaltspflichverletzung 1. Objektive Vorhersehbarkeit 2. Objektive Vermeidbarkeit IV. Kausalität V. Objektive Zurechnung B. Rechtswidrigkeit C. Schuld I. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung II. Subjektive Vorhersehbarkeit III. Subjektive Vermeidbarkeit D. Ergebnis E. Literaturhinweise Vgl. Tofahrn, Strafrecht Besonderer Teil I, 5. Auflage, 2023, Rn.120. Vgl. Eisele/ Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil, 1. Auflage, 2020, Rn. 133. Entscheidung der Woche 28-2024 .pdf PDF herunterladen • 69KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 39-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 39-2020 (SR) Laura Schlunk Eine Erpressung (§ 253 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Genötigte eine Vermögensverfügung vornimmt, indem er entweder eigene Vermögenswerte preisgibt oder solche, deren Schutz er wahrnehmen kann oder will. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 608/19 in: BeckRS 2020, 22031 A. Orientierungs- oder Leitsatz Eine Erpressung (§ 253 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Genötigte eine Vermögensverfügung vornimmt, indem er entweder eigene Vermögenswerte preisgibt oder solche, deren Schutz er wahrnehmen kann oder will. Die Aushändigung von Sachen, die der Genötigte auf entsprechende Forderung des Täters für diesen entwendet hat, stellt keine Vermögensverfügung dar (...). B. Sachverhalt Der Angeklagte (A) suchte die Geschädigten zusammen mit weiteren Personen mehrfach in deren Wohnungen auf. Über einen Zeitraum von drei Monaten verlangten A, B und C unter Gewaltanwendung und Drohung von den Geschädigten Geld und andere Wertgegenstände. Zwei andere Täter entwendeten dabei die Ausweispapiere der Betroffenen. Ihr Ziel war es, deren Untertauchen oder Verschwinden zu verhindern. A hatte Kenntnis von der Situation der Geschädigten und nutzte die Angst des Geschädigten R aus. Er verlangte von R die Entwendung von Gegenständen und ließ sich diese ohne Gegenleistung übergeben. A erhielt eine unbekannte Anzahl von Rasierern und Messern. Hat A sich wegen Erpressung nach § 253 Abs. 1 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das LG verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung in Tateinheit, schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und Verschaffen falscher amtlicher Ausweise. Er erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der BGH stellte die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung und die erforderliche Vermögensverfügung des Geschädigten in Frage. Eine Vermögensverfügung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB setze eine Preisgabe des eigenen oder des geschützten Vermögens voraus. R wollte vorliegend nicht über sein eigenes Vermögen verfügen oder dieses schützen. Er gab lediglich unmittelbar zuvor gestohlene Gegenstände an A weiter. Sein eigenes Vermögen war nicht betroffen. Gegen die Konstellation einer Dreieckserpressung spreche das fehlende Näheverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten. Laut BGH käme lediglich eine Strafbarkeit wegen Nötigung und Anstiftung zum Diebstahl in Tateinheit in Betracht. Die Revision vor dem BGH hatte insoweit Erfolg. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Qualifiziertes Nötigungsmittel b) Nötigungserfolg c) Vermögensverfügung d) Vermögensschaden 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld E. Zur Vertiefung Zur Wiederholung der räuberischen Erpressung und dem Begriff der Vermögensverfügung: Kühl in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage, § 253 Rn. 11-16. Entscheidung-der-Woche-39-2020 .pdf PDF herunterladen • 87KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 07-2018 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 07-2018 (ÖR) Tim Brockmann Eine sehr geeignete Klausur im Bereich des öffentlichen Rechts ist durch das OVG NRW „aufgearbeitet“ worden. Wo? Az.: OVG NRW 6 A 916/16 in: BeckRS 2017, 125775 Was? OVG NRW, Urteil vom 21.09.2017 Der Dienstherr darf eine Mindestkörpergröße als Eignungsmerkmal im Erlasswege festlegen. Eine Regelung durch Parlamentsgesetz oder Rechtsverordnung ist nicht erforderlich. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen und der Exekutive zu überlassen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Als wesentlich sind Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen. Warum? Eine sehr geeignete Klausur im Bereich des öffentlichen Rechts ist durch das OVG NRW „aufgearbeitet“ worden. Wer sich hier in der Fortsetzungsfestellungsklage nur mit dem Eingriff in die subjektive Berufswahlfreiheit beschäftigt, besteht kaum, vollständiges Arbeiten ist entscheidend. Die ausführliche Argumentation muss nach der Erkenntnis, dass es sich bei Art. 33 Abs. 2 GG um ein grundrechtsgleiches Recht handelt erfolgen. Nämlich in der Abwägung zu Art. 3 Abs. 2GG. Z.B. hat wesentlich der Gesetzgeber sicherzustellen, dass ein Ausgleich zwischen dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und präventiv sicherheitspolitischen Erwägungen stattfindet. Vertiefungsaufgabe Unionsrechtlicher Bezug besteht auch hier! In EuGH, 18.10.2017 - C-409/16, BeckRS 2017, 128183 stellt der Europäische Gerichtshof auf die Diskriminierungsfähigkeit einer einheitlichen Mindestgröße für Bewerberinnen und Bewerber von (1,70m) ab (lesenswert!). Entscheidung-der-Woche-07-2018 .pdf PDF herunterladen • 269KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 49-2024 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 49-2024 (SR) Adina Sophie Hauck Mehrere Angriffe auf die Willensentscheidung eines Opfers können als einheitliche Tat bewertet werden, wenn sie demselben Ziel dienen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH, Beschluss vom 04.07.2023 - 2 StR 167/23 Fundstelle: openJur 2023, 8330 Vorinstanz: LG Gießen, Urt. v. 12.12.2022 A. Orientierungs- oder Leitsätze Mehrere Angriffe auf die Willensentscheidung eines Opfers können als einheitliche Tat bewertet werden, wenn sie demselben Ziel dienen. B. Sachverhalt Der Angeklagte versuchte Ende des Jahres 2020 vom Zeugen P Schulden aus einem Drogengeschäft einzutreiben, indem er diesem - zusammen mit anderen - ins Gesicht schlug. Im März 2021 versuchte der Angeklagte die selbe Forderung erneut in die Tat umzusetzen, indem er P unter einem Vorwand in ein Fahrzeug lockte und ihn darin an einen entfernteren Ort brachte, um ihm dort zusammen mit seinen Mittätern erneut ins Gesicht zu schlagen und ihn mit einer echt aussehenden Softair-Maschinenpistole zu bedrohen. Der Zeuge P, der mit Hinweis auf seine "mächtige" Familie eine Zahlung verweigerte, konnte fliehen. Die zurückgelassenen 80g Marihuana nahm der Angeklagte zum Zwecke des Eigenkonsums an sich. C. Anmerkungen Beide Taten des Angeklagten verfolgten das gleiche Ziel, nämlich die Zahlung der "Schulden" aus dem Drogenhandel. Der BGH führte aus, dass eine rechtliche Bewertungseinheit dann vorliegt, wenn mehrere Handlungen dasselbe Ziel verfolgen, eine sukzessive Tatausführung darstellen oder zeitliche oder räumliche Trennungen nicht zu einer Zäsur führen, solange das ursprüngliche Ziel weiterverfolgt wird. Vorliegend sind diese Kriterien erfüllt, da der Angeklagte für die zweite Tat keinen neuen Tatentschluss fasste, sondern den ursprünglichen Tatplan nur durch den Einsatz anderer Mittel und erhöhter Gewalt modifizierte. Das Ziel der beiden Taten blieb gleich. Die Handlungen des Angeklagten von Ende 2020 und März 2021 wurden somit als einheitliche Tat im Rechtssinne gewertet. Der BGH stellte klar, dass eine rechtliche Bewertungseinheit erst dann endet, wenn das Ziel des Täters erreicht ist oder ein Rücktritt aufgrund eines fehlgeschlagenen Versuchs anzunehmen ist. Der zweite Versuch des Angeklagten, die Zahlung der "Schulden" des P. zu erlangen scheiterte endgültig, als der Zeuge P. nach der Gewaltanwendung die Zahlung verweigerte und fliehen konnte. Somit wurde der Schuldspruch so geändert, dass die zwei Erpressungsversuche des Angeklagten zu einer rechtlichen Bewertungseinheit zusammengeführt wurden. Die Einzelstrafen wurden aufgehoben, da diese fehlerhaft bemessen worden waren, und der Gesamtstrafausspruch wurde zur Neuverhandlung zurückverwiesen. D. In der Prüfung I. Feststellung der Taten (Tatmehrheit, § 53 StGB oder Tateinheit, § 52 StGB) II. Prüfung von Tateinheit oder Tatmehrheit 1. Natürliche Handlungseinheit (-) 2. Rechtliche Bewertungseinheit III. Einheitliches Ziel (+) IV. Sukzessive Tatausführung (+) V. Keine Zäsur (+) VI. Ergebnis: Tateinheit nach §52 StGB E. Literaturhinweise BGHSt 2, 344. Rengier, Strafrecht AT, § 27 Rn. 41. Rengier, Strafrecht BT I, 12. Auflage 2020, Kapitel "Raub und Erpressung". Entscheidung der Woche 49-2024 .pdf PDF herunterladen • 164KB Zurück Nächste












