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- Entscheidung der Woche 44-2019 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 44-2019 (SR) Finja Maasjost Dass ein Tötungsmotiv nicht feststellbar ist, steht der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Vielmehr kommt es auf die Stärke des anderweitigen Handlungsantriebes an, wobei Gleichgültigkeit bereits ausreichend sein kann. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH4 StR 442/18 in: HRRS 2019 Nr. 706 A. Orientierungssatz Dass ein Tötungsmotiv nicht feststellbar ist, steht der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Vielmehr kommt es auf die Stärke des anderweitigen Handlungsantriebes an, wobei Gleichgültigkeit bereits ausreichend sein kann. B. Sachverhalt Der Angeklagte wollte trotz einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,91 Promille mit seinem Wagen den Nachhauseweg antreten. Die später getötete Th. und ihr Verlobter K warteten im Bereich eines mit einem Zebrastreifen versehenen Fußgängerüberwegs auf ein Taxi. Der Angeklagte stoppte seinen Wagen einige Meter vor dem Paar. Als diese nicht reagierten, fuhr er mit der Fahrzeugfront auf beide zu und stoppte unmittelbar vor dem Paar. Damit wollte er sie dazu bewegen, zur Seite zu treten. Das Paar reagierte jedoch nicht, woraufhin der Angeklagte „mit normaler Startgeschwindigkeit“ anfuhr und das Paar erfasste. Dabei wurde K zur Seite geschleudert und Th. auf die Motorhaube des Wagens gehoben. Als der Angeklagte den Wagen nicht stoppte, fiel Th. von der Motorhaube und gelangte unter den Wagen. Der Angeklagte bemerkte dies, stoppte seinen Wagen jedoch nicht. Auch die intensiven Aufforderungen seiner Beifahrer, den Wagen zu stoppen, ignorierte er. Zwar war ihm bewusst, dass es zu schwerwiegenden Verletzungen der Th. kommen könnte, jedoch ging er davon aus, sie sei rechts von seinem Wagen gelandet. Tatsächlich wurde Th. von dem Auto erfasst und den Rest der Weiterfahrt von dem Auto mitgeschleift. Erst als er nach etwa 400m eine Bewegung im Lenkrad vernahm, hielt er an. Th. erstickte infolge einer durch den Fahrzeugboden ausgelösten Brustkompression. C. Anmerkungen Der BGH hatte zu entscheiden, inwieweit bei dem Anfahren eines Fußgängers von Tötungsvorsatz oder lediglich bewusster Fahrlässigkeit auszugehen ist. Dabei sei ein bedingter Vorsatz anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des schädlichen Erfolges um des erstrebten Zieles willen billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Aus Sicht des BGH ist für die Abgrenzung eine Gesamtwürdigung aller objektiven Tatumstände und der Stärke des anderweitigen Handlungsantriebs des Täters maßgeblich. Dabei sei bereits Gleichgültigkeit über den möglichen Tod des Opfers für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ausreichend. Der Angeklagte hat das Geschehen durch ein bewusstes Anfahren des Paares eingeleitet. Dabei nahm er schon zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Verletzung dieser in Kauf. Trotz der zunehmenden Intensität der Aufforderungen seiner Beifahrer und des Überfahrens des Opfers stoppte der Angeklagte den Wagen nicht. Aus dieser fortschreitenden Risikoverschärfung einerseits und dem gleichbleibenden Ignorieren andererseits ist nach Ansicht des BGH eine Haltung der Gleichgültigkeit zum Ausdruck gekommen. Insbesondere der spätere panische Notruf des Angeklagten könne dabei keinen Rückschluss auf die innere Haltung in den Tatsituationen ermöglichen. Vielmehr seien alle drei Tatphasen (Anfahren auf dem Zebrastreifen, Weiterfahrt trotz Aufladens des Opfers, Weiterfahrt nach Abwurf) gesondert zu erörtern. Hinsichtlich der Anfahrt des K ist bereits von einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5 StGB auszugehen, soweit durch den Anstoß selbst eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens erfolgt. Zudem sei aus Sicht des BGH für eine Annahme des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB ausreichend, dass der Täter einen Unglücksfall durch einen verkehrsfeindlichen Eingriff gezielt herbeigeführt hat. D. Zur Vertiefung Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit: Wessels/Beulke/Satzger,Strafrecht AT, 49. Aufl. 2019, § 7 II 3. Entscheidung-der-Woche-44-2019 .pdf PDF herunterladen • 140KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 23-2019 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 23-2019 (SR) Klara Stolz Sachbeschädigung tritt nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz in Form der Konsumtion hinter schweren Bandendiebstahl oder den Wohnungseinbruchsdiebstahl zurück. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 2 StR 481/17 in: BeckRS 2018, 28869 NStZ 2018, 708-711 A. Orientierungs- oder Leitsatz Bei (vollendetem) schwerem Bandendiebstahl gem. §§ 244a Abs. 1, 244 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB oder (vollendetem) Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB steht eine zugleich begangene Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) stets im Verhältnis der Tateinheit i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB. Sie tritt nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz in Form der Konsumtion hinter den schweren Bandendiebstahl oder den Wohnungseinbruchsdiebstahl zurück. B. Sachverhalt Die Angeklagten brachen im Zeitraum von April bis Oktober 2016 in wechselnder Besetzung in 19 Fällen im K-Umland in Einfamilienhäuser bzw. Wohnungen ein. Dabei stahlen sie Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände. In einigen Fällen wurden die Angeklagten bei ihrem Vorgehen gestört oder es gelang ihnen nicht, bestehende Schließvorrichtungen bzw. Zugangshindernisse zu überwinden, so dass sie gezwungen waren, von der Fortführung der Tatbegehung abzusehen. In allen 19 Fällen entstanden durch das gewaltsame Eindringen der Angeklagten an bzw. in den jeweiligen Tatobjekten Sachschäden in unterschiedlichem Ausmaß. C. Anmerkungen Zunächst wurde die Ansicht vertreten („Konsumtionslösung“), dass grundsätzlich Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion vorliege, wenn vollendeter Einbruchdiebstahl (in Form des schweren Bandendiebstahls bzw. Wohnungseinbruchsdiebstahls) und Sachbeschädigung zusammentreffen. Danach scheide Gesetzeseinheit zugunsten der Klarstellungsfunktion von Tateinheit nur dann aus, wenn die Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem regelmäßigen Ablauf der Einbruchtat abweiche, von einem eigenen Unrechtsgehalt geprägt sei und sich nicht mehr als typische Begleittat erweise. Hiervon abweichend entschied der Senat, dass bei (vollendetem) Bandendiebstahl oder (vollendetem) Wohnungseinbruchsdiebstahl eine zugleich begangene Sachbeschädigung stets tateinheitlich gem. § 52 Abs. 1 StGB verwirklicht werde und nicht im Wege der Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion zurückstehe, gleichgültig in welchem Verhältnis der verursachte Sachschaden zu dem Wert der Diebesbeute steht. Dabei sind Erwägungen gem. § 52 Abs. 1 StGB maßgebend. Danach ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt. Ihre Anwendung setzt voraus, dass der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch einen der anwendbaren Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird. Die Verletzung des durch den Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein. Eine Einbruchtat geht jedoch nicht „regelmäßig“ mit einer Sachbeschädigung einher. In rechtlicher Hinsicht setzt die Tathandlungsvariante des Einbrechens eine Substanzverletzung i.S.v. § 303 Abs. 1 StGB nicht voraus. Von einer regelmäßigen „Begleittypik“ der Sachbeschädigung kann daher in einer Reihe von Einbruchkonstellationen nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Die tatbestandliche Verwirklichung des § 303 Abs. 1 StGB bei einem Einbruchdiebstahl ist nicht vorgezeichnet, sie hängt vom Einzelfall ab. Auch der Wertungswiderspruch bei einem Vergleich von versuchter und vollendeter Einbruchtat erscheint gravierend. Der Täter, der infolge des Einbruchs einen Sachschaden verursacht, dem anschließend jedoch eine Wegnahme nicht gelingt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH 1 StR 470/00), wegen tateinheitlicher Sachbeschädigung zu verurteilen. Vollendet der Täter hingegen die Wegnahme „mit hinreichender“ Tatbeute, entfällt nach der „Konsumtionslösung“ die Verurteilung wegen Sachbeschädigung. Die Konsumtion führt damit zu dem nicht angemessenen Ergebnis, dass der Täter, der mit der Vollendung der Diebstahlstat sogar zusätzliches Erfolgsunrecht verwirklicht, mit einem – bezogen auf die Sachbeschädigung- weniger umfassenden Schuldspruch belegt würde. D. Zur Vertiefung Siehe zu Konkurrenzen im Allgemeinen Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2018, § 56 Rn. 1ff.; im Speziellen Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 21. Aufl. 2019, § 4 Rn. 87 m.w.N. Entscheidung-der-Woche-23-2019 .pdf PDF herunterladen • 87KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 27-2024 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 27-2024 (ZR) Dean Weigel Ein handschriftlich errichtetes Testament ist unwirksam, wenn die „Unterschrift" die Verfügung nicht räumlich abschließt, sondern sich in der Mitte des Testaments befindet und die Person des Erben erst darunter genannt wird. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: OLG München, Beschluss vom 25.8.2023 - 33 Wx 119/23 Fundstelle: NJW 2023, 3801; FamRZ 2024, 229; MDR 2024, 115 A. Leitsatz Ein handschriftlich errichtetes Testament ist unwirksam, wenn die „Unterschrift" die Verfügung nicht räumlich abschließt, sondern sich in der Mitte des Testaments befindet und die Person des Erben erst darunter genannt wird (im Anschluss an BayObLG NJW 1975, 314). B. Sachverhalt Der Neffe der geschiedenen und kinderlosen Erblasserin beantragte beim zuständigen Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Der Neffe legte dabei folgende Verfügung vor: „10.3.2022 Testament! Ich (...) (=Name der Erblasserin) Vermache alles was ich habe. Mein Sparbuch-Konto Raifeisenbank (...) Versicherung bei der ZüricherVersicherung (...) - (...) („Unterschrift" der Erblasserin) An Herrn (...) (=Neffe) (...) (Anschrift)" Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Neffe legte Beschwerde dagegen ein. Im Rahmen dessen führte er an, dass die Unterschrift, auch wenn sie in der Mitte des Testaments stehe, ausnahmsweise wirksam sei. Ferner wandte er ein, dass das Testament gut sichtbar in einem mit „Testament" beschrifteten Umschlag platziert wurde und dass die Erblasserin gegenüber Freunden und Verwandten erklärt habe, ihren Neffen zum Alleinerben einsetzen zu wollen. Die Beschwerde war erfolglos. C. Anmerkungen Der BGH teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass das Testament vom 10.3.2022 formunwirksam ist, sodass der Antrag des Neffen auf Erbscheinserteilung zurückzuweisen ist. Um der Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB zu genügen, muss ein eigenhändiges Testament durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Ein Verstoß führt gem. § 125 BGB die Nichtigkeit des Testamentes herbei. Mit den erbrechtlichen Formerfordernissen verfolgte der Gesetzgeber weitergehende Zwecke. Im Mittelpunkt steht hierbei die Gewährleistung von Rechtssicherheit und privatem Rechtsfrieden. Der Erblasser soll sich im Klaren darüber sein, welchen Inhalt seine letztwillige Verfügung haben soll und dadurch vor übereilten und unüberlegten Verfügungen geschützt werden. Ferner bietet das Formerfordernis eine erhöhte Sicherheit vor Fälschungen und dient der Beweisbarkeit im Streitfall. Die Unterschrift des Testaments hat grds. am Ende des Textes zu stehen und muss den Text somit räumlich abschließen. Dies dient dem Schutz vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen. Abgesichert werden muss zumindest der Mindestinhalt eines Testaments. Räumlich von der Unterschrift nicht erfasste Zusätze müssen daher grds. gesondert unterschrieben werden. Sofern jedoch die Auslegung des Testaments ergibt, dass diese Zusätze nach dem Willen des Erblassers von der vorhandenen Unterschrift umfasst sein sollen, werden diese schon von der sich bereits auf dem Testament befindlichen Unterschrift gedeckt. Dies kann zB bei einem sonst lückenhaften, unvollständigen oder undurchführbaren Testament der Fall sein. Diese Grundsätze können jedoch dann keine Anwendung finden, wenn der räumlich auf die Unterschrift folgende Zusatz seinem Wesen und Inhalt nach den Charakter und die Bedeutung einer eigenständigen, ersten letztwilligen Verfügung hat. Auf Grund dessen ist das Testament vom 10.3.2022 formunwirksam. Zwar ist der räumlich von der Unterschrift erfasste Teil des Testaments mangels Bestimmung des Erben lückenhaft, jedoch handelt es sich dabei nicht um eine unvollständige Verfügung, es liegt vielmehr überhaupt keine Verfügung, sondern eine bloße Beschreibung des Nachlasses vor. Hierbei kommt nicht zum Ausdruck, dass die Erblasserin sich beim Verfassen und Unterschreiben des ersten, räumlich von der Unterschrift gedeckten Textteils über die Person, die sie testamentarisch zum Erben einsetzen wollte im Klaren war. Die ratio des § 2247 BGB ist damit gerade nicht erfüllt. Der Zusatz kommt mithin einer erstmaligen Verfügung gleich und hätte nach den oben dargestellten Grundsätzen zwingend einer gesonderten Unterschrift bedurft, um den erbrechtlichen Formzwecken zu genügen. Weder der Umstand, dass sich das Tetament in einem mit „Testament" beschrifteten Umschlag befand - dabei handelt es sich schließlich nicht um eine Unterschrift - noch die Willensäußerungen der Erblasserin, ihren Neffen zum Alleinerben einsetzen zu wollen, können über die Formunwirksamkeit nach § 2247 Abs. 1 BGB hinweghelfen. D. In der Prüfung Anspruch auf Erbscheinserteilung nach § 2353 BGB I. Verfahrensvoraussetzungen II. Erbenstellung P: Wirksamkeit des Testaments E. Literaturhinweise Zimmermann, Erbrecht - Ein Examenscrashkurs (Teil 2), JURA 2018, 1085 f. S. Kappler/T. Kappler in: Erman BGB, 17. Aufl. 2023, § 2247 Rn. 4 ff. Siehe ferner zu einem Ausnahmefall OLG Celle NJW 1996, 2938. Entscheidung der Woche 27-2024 .pdf PDF herunterladen • 83KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche Woche 06-2025 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche Woche 06-2025 (SR) Morris Timme "K.O.-Tropfen können nicht als Werkzeug im Sinne von strafrechtlichen Vorschriften verstanden werden, ohne die von Art. 103 Abs. 2 GG vorgegebene Wortlautgrenze zu verletzen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH 5 StR 382/24 Fundstelle: BeckRS 2024, 30935 RÜ 2/25, 83 A. Orientierungs- oder Leitsätze "K.O.-Tropfen" können nicht als Werkzeug im Sinne von strafrechtlichen Vorschriften verstanden werden, ohne die von Art. 103 Abs. 2 GG vorgegebene Wortlautgrenze zu verletzen. B. Sachverhalt Die L besuchte mit ihrer Freundin N den A, welchen sie aus der Swingerszene kannte, und dessen Verlobte, um dort die Nacht zu verbringen. Während der Abendstunden entschloss sich A, die erheblich alkoholisierte N und seine Verlobte mittels heimlicher Verabreichung von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu enthemmen. Nachdem die beiden Frauen nichts ahnend ein von A mit GBL versetztes Getränk getrunken hatten, setzte die von A erwünschte Wirkung ein. N und die Verlobte des A, welche sonst introvertierte Gemüter haben, begannen im Wohnzimmer ausgelassen zu tanzen und zogen sich im weiteren Verlauf des Abends gegenseitig aus, woraufhin sie sich auf der Couch küssten. A hielt es für möglich, dass die beiden Frauen durch die Einnahme des manipulierten Getränks in einen Bewusstseinszustand bis zur Bewusstlosigkeit versetzt werden könnten und nahm dies billigend in Kauf. Zudem war dem A bewusst, dass die Verabreichung der GBL-Tropfen, welche später im Körper zu Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB, bekannt als "K.O.-Tropfen") umgewandelt werden, erhebliche Gesundheitsrisiken bis hin zur Gefahr des Todes nach sich ziehen kann. Die beiden Frauen, die ein für sich wesensfremdes Verhalten aufzeigten, wurden später von A schlafend im Garten, nicht ansprechbar und nur mit einem nassen Bademantel bekleidet, aufgefunden. Beide waren aufgrund der Übelkeit und der Bewusstseinsveränderung dem Risiko des Erstickens ausgesetzt. C. Anmerkungen Der BGH beschäftigte sich im vorliegenden Fall mit der Frage, ob es sich bei den "K.O.-Tropfen" (GBL), um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB handelt. Vorweg wurde festgestellt, dass A durch Verabreichung der Tropfen die Gesundheit der Frauen geschädigt hat und es sich bei den Tropfen um ein Gift i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei einem Werkzeug um einen für bestimmte Zwecke gefertigten Gegenstand, mit dessen Hilfe etwas bearbeitet wird. Da unter einem Gegenstand jedoch nur feste Körper verstanden werden, können Flüssigkeiten, wie GBL-Tropfen, kein Werkzeug i.S.d. der strafrechtlichen Vorschriften sein, ohne die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebende Wortlautgrenze zu verletzen. Auch die Systematik des § 224 StGB widerspricht diesem Ergebnis nicht, da § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB in keinem Spezialitätsverhältnis stehen. Auch teleologische Gründe, wie die vergleichbare Gefährlichkeit, können zu keinem anderen Ergebnis führen, da auch dann die Wortlautgrenze nicht außer Acht gelassen werden darf. Auch die zur Verabreichung der GBL-Tropfen verwendete Pipette stellt kein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar, da sie nicht geeignet war, unmittelbar und von außen einwirkend eine Körperverletzung zu verursachen. A nutzte die Pipette lediglich als Dosierungshilfe und brachte die Tropfen nicht unmittelbar den Körpern der Frauen bei. Auch hatte die für sich genommen in der konkreten Verwendungsart ungefährliche Pipette keinen Kontakt zu den Körpern der Frauen. Indes wurde die Verabreichung der "K.O.-Tropfen" durch A an die beiden Frauen von dem BGH als hinterlistiger Überfall gem. § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB und als eine mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangenen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB klassifiziert, da durch das Erstickungsrisiko sogar eine konkrete Lebensgefahr bestand. A handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft, sodass er sich wegen gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1 i.V.m. 224 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 StGB strafbar gemacht hat. Im Übrigen wird durch die Verabreichung auch nicht der Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfüllt. Ob durch die Verabreichung der Tropfen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Tatbestand des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfüllt ist, wird mit Blick auf den hohen Strafrahmen derzeit rechtspolitisch diskutiert. D. In der Prüfung I. Strafbarkeit gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB 1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand aa) Einfache Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB bb) Gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 StGB (1) Gift, § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB (2) Gefährliches Werkzeug, § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (a) GBL-Tropfen ("K.O."-Tropfen) (b) Pipette (3) Überfall, § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (4) Lebensgefährdende Behandlung, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB b) Subjektiver Tatbestand 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld II. Ergebnis E. Literaturhinweise Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB. 30. Aufl. 2019, § 224 Rn. 10 NStZ 2009, 505 BeckRS 2012, 3911 Entscheidung der Woche 06-2025 .pdf PDF herunterladen • 226KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 24-2018 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 24-2018 (ÖR) Rocky Glaser Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein objektives Verfassungsprinzip, nach dem Rechtsbeziehungen zwischen Privaten prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Wo? Az.: BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 -1 BvR 3080/09- in: www.bundesverfassungsgericht.de Was? BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein objektives Verfassungsprinzip, nach dem Rechtsbeziehungen zwischen Privaten prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie, Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich jedoch aus Art. 3 Abs. 1 GG für spezifische Konstellationen ergeben. So entfalte das Gleichbehandlungsgebot bei einem Ausschluss von Veranstaltungen, die „[...] in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheiden“ mittels Hausrecht (hier: Stadionverbot) im Einzelfall mittelbare Drittwirkung über §§ 862, 1004 BGB. Ähnliches gelte für Fälle, in denen die Entscheidungsmacht aus einem Monopol oder struktureller Überlegenheit folge. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt in seiner Ausprägung als Willkürverbot für den Ausschluss einen sachlichen Grund. Damit verbunden sind besondere Verfahrenserfordernisse wie beispielsweise die Anhörung des Betroffenen. Als sachlicher Grund genügt vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 1 GG der Anfangsverdacht einer Straftat, selbst wenn das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wurde, soweit künftige Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Warum? Die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten ist eine häufig geprüfte Problematik in Klausuren. Sie ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde unter dem Punkt der Beschwerdebefugnis zu erörtern. Die Entscheidung zeigt auf, dass nicht nur Freiheits- sondern auch Gleichheitsgrundrechte mittelbare Drittwirkung zwischen Privaten entfalten können. Ein häufiger, schwerwiegender Fehler in Klausuren ist das Übergehen der Problematik in Anbetracht eines zivilrechtlichen Urteils. Vertiefungsaufgabe Lektüre des „Lüth-Urteils“ (BVerfG, Beschluss vom 15.01.1958 -1 BvR 400/51-) sowie des Streitstands zur mittelbaren Drittwirkung (BAGE 1, 185, 191 ff.; Lücke, JZ 1999, 377 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, 34 f.); Vgl. hierzu auch den völlig anderen Ansatz des EuGH zur unmittelbaren Wirkung der Gleichheitsrechte der GrCH zwischen Privaten (EuGH, 17.04.2018, -C 414/16-, Rn. 77 ff.). Entscheidung-der-Woche-24-2018 .pdf PDF herunterladen • 177KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 41-2023 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 41-2023 (SR) Cora Strecker Ein Teleskopschlagstock ist eine Waffe i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1., erfüllt aber nicht die Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 81/22 in: BeckRS 2022, 14775 BGH, NStZ-RR 2022, 259 LSK 2022, 14775 FD-StrafR 2022, 450119 (David Püschel) A. Orientierungs- oder Leitsatz (Leitsätze der Redaktion) 1. Ein Teleskopschlagstock ist eine Waffe i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1., erfüllt aber nicht die Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. 2. Das Tatbestandsmerkmal „unter der Wirkung“ in § 24a Abs. 2 StVG erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Es ist schon dann erfüllt, wenn eine der in Anlage zu § 24a StVG genannten Substanzen im Blut nachgewiesen ist und diese Wirkstoffkonzentration eine Fahruntüchtigkeit zumindest möglich erscheinen lässt. B. Sachverhalt A und B fuhren zusammen in einem Pkw über die Grenze von den Niederlanden nach Deutschland. Dabei führten sie wissentlich ca. 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,4% THC mit sich, welches später von Unbekannten gewinnbringend weiterverkauft werden sollte. Beide trugen während der Fahrt jeweils einen in einer um die Brust gehängten Tasche befindlichen Teleskopschlagstock bei sich. A, der Fahrer des Autos, hatte während der Fahrt eine Konzentration von 0,8 ng/ml THC sowie Benzoylecgonin im Blut; Letzteres ist ein Abbauprodukt von Kokain. C. Anmerkungen Der BGH hat, anders als das vorinstanzielle Landgericht Kleve, keine Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ angenommen. Auch ist das gegen A verhängte Fahrverbot entfallen. Alleine der Schulspruch wegen jeweils bewaffeneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bleibt bestehen. Grund für das Entfallen des Verstoßes gegen das Waffengesetz ist, dass ein Teleskopschlagstock zwar unter den Begriff der „Waffe“ i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1 fällt, aber nicht unter den Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. Dort werden nur Stahlruten, Totschläger und Schlagringe genannt. Wesentliches Kritierium bei Totschlägern ist die Biegsamkeit; nur durch sie wird die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung erzeugt. Im Gegensatz zu Stahlruten können sie nicht zusammengeschoben werden und weisen Metallköpfe auf. Bei Teleskopschlagstöcken handelt es sich nicht um Totschläger i.S.d. Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG. Eine Bestrafung nach § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 WaffG kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Teleskopschlagstock nicht bei einer öffentlichen Veranstaltung geführt worden sei. Soweit es nach § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG verboten sei, einen Teleskopschlagstock zu führen, stelle ein Zuwiderhandeln nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG dar. Dies wurde tateinheitlich zur Straftat des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht, weshalb nur das Strafgesetz angewendet wird. Grund für das Entfallen des Fahrverbots gegen A ist das Tatbestandsmerkmal „unter der Wirkung“ des § 24a Abs. 2 StVG. Dieses erfordert zwar keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, sondern ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der in Anlage zu § 24a StVG genannten Substanzen im Blut nachgewiesen wird. Eine Mindestkonzentration ist nicht erforderlich, es ist jedoch entscheidend, ob die nachgewiesene Wirkstoffkonzentration eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest möglich erscheinen lässt. Bei THC liegt der Wert, ab dessen Vorliegen keine konkrete Beeinträchtigung mehr gefordert wird, bei 1 ng/ml, mithin ist er vorliegend unterschritten. Für Benzoylecgonin liegt diese Grenze bei 75 ng/ml, aus dem Urteil geht die konkrete Wirkstoffkonzentration allerdings nicht hervor. Unterhalb dieser Grenzwerte muss eine konkrete Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit festgestellt werden, was vorliegend nicht der Fall ist. D. In der Prüfung I. Strafbarkeit gem. § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand aa. Tatobjekt: Waffe bb. Tathandlung: Bei sich führen b. Subjektiver Tatbestand 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld 4. Ergebnis II. Strafbarkeit gem. § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG III. Strafbarkeit gem. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG IV. Strafbarkeit gem. § 24a Abs. 2 StVG E. Literaturhinweise Patzak/Volkmer/Fabricius/ , 10. Auflage 2022, § 30a BtMG Rn. 72; BVerwG, NJW 2015, 2439; BVerfG, NZV 2005, 270. Entscheidung-der-Woche-41-2023 .pdf PDF herunterladen • 180KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 50-2018 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 50-2018 (ZR) Jonas Vonjahr Die Änderung von Grundstückskaufverträgen nach der Auflassung ist auch nicht formbedürftig nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, wenn die Eintragung ins Grundbuch noch nicht erfolgt ist. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – V ZR 213/17 in: NJW 2018, 3523 MDR 2018, 1308 A. Orientierungs- oder Leitsatz Die Änderung von Grundstückskaufverträgen nach der Auflassung ist auch nicht formbedürftig nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, wenn die Eintragung ins Grundbuch noch nicht erfolgt ist. B. Sachverhalt Der Beklagte kaufte im Mai 2011 drei Eigentumswohnungen per notariell beglaubigtem Grundstückskaufvertrag. Der Notar wurde dabei angewiesen, die die Auflassungserklärung beinhaltende Urkunde erst auszufertigen, nachdem ein Nachweis über die Zahlung des Kaufpreises erbracht worden ist. Der Kaufpreis beinhaltete die noch durch die Klägerin vorzunehmende Sanierung der Wohnungen. Als klar wurde, dass eine veranschlagte Dekontamination der Wohnung nicht notwendig sein würde, verlangte der Beklagte Kaufpreisminderung in Höhe der für die Dekontamination veranschlagten Kosten. Das entsprechende Schreiben unterzeichnete der Geschäftsführer der Klägerin mit den Worten: „Zur Kenntnis genommen und anerkannt.“ Auf Zahlung des geminderten Kaufpreises hin, forderte die Klägerin Zahlung der Differenz zum ursprünglich veranschlagten Kaufpreis. C. Anmerkungen Der BGH beschäftigt sich in seinem Urteil zunächst mit der Frage, ob die Änderung eines nach § 311b BGB formbedürftigen Vertrages ebenfalls der notariellen Beurkundung bedarf. Darüber hinaus entscheidet der BGH, ob der Sinn und Zweck des § 311b Abs. 1 BGB bereits erreicht ist, wenn lediglich die Auflassung getätigt wurde. Der BGH bestätigt in seinem Urteil, dass alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft zugehörig sind grundsätzlich dem Formzwang des § 311b BGB unterliegen. Dazu zählen für gewöhnlich auch nachträgliche Kaufpreisminderungen. Solche nachträglichen Vereinbarungen sind lediglich dann formfrei, wenn sie getätigt werden, um bei Abwicklung des Geschäftes unvorhergesehen auftretende Schwierigkeiten zu beseitigen. Dies gilt nur für Fälle, in denen beiderseitige Verpflichtungen nicht wesentlich verändert werden. Somit gilt diese Ausnahme nicht für abweichende Vereinbarungen, die die Höhe einer Forderung betreffen. Nach Auffassung des BGH ist nach der Auflassung zwar keine Erfüllung eingetreten, zumindest aber eine unwiderrufliche Erbringung der jeweiligen Leistungshandlungen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die entsprechende Auflassungsurkunde noch nicht ausgefertigt worden ist, da der Wille der Parteien auch ohne die Ausfertigung selbst unwiderruflich zum Ausdruck gebracht worden ist. Der maßgebliche Zeitpunkt, an welchem der Schutzzweck des § 311b BGB ansetzt ist laut BGH eben dieser Moment der unwiderruflichen Erbringung der Leistungshandlung und dementsprechend nicht der Zeitpunkt der endgültigen Eigentumsübertragung. Eine Formnichtigkeit in den genannten Fällen anzunehmen würde darüber hinaus die Rechtssicherheit erheblich einschränken. Der BGH setzt in dieser Entscheidung seine Rechtsprechung fort. Er sieht den Schutzzweck des Formerfordernisses als erreicht an und bindet weitere Änderungen des Grundstückkaufvertrages nicht an die Form des § 311b BGB, soweit sie keine Erwerbs- oder Veräußerungspflichten verändern oder neu begründen. D. In der Prüfung I. Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises 1. Wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 BGB a. Einigung b. Formnichtigkeit, § 125 S. 1 BGB 2. Rechtsfolge II. Ergebnis E. Zur Vertiefung Zur Formbedürftigkeit von Verträgen i.S.d. § 311b BGB: Becker, MDR 2018, 773; nachträglich Änderung: BGH – V ZR 43/83; Steinbrecher, NJW 2018, 1214. Wiederholung: Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 42. Auflage, 2018, § 13 Rn. 298ff.; Jauernig/Stadler, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 17. Auflage, München 2018, § 311b Rn. 1-44 (insb. Rn. 5-35). Entscheidung-der-Woche-50-2018 .pdf PDF herunterladen • 88KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 48-2023 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 48-2023 (ÖR) Jasmin Wulf Zur präventiven Kontrolle bauordnungsrechtlicher und bauplanungsrechtlicher Gesichtspunkte stellt ein Campingplatz kraft gesetzlicher Fiktion eine bauliche Gesamtanlage dar. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: VG Koblenz, Urt. v. 28.08.2023 - 1 K 172/23.KO in: BeckRS 2023, 25477 A. Redaktionelle Leitsätze 1. Zur präventiven Kontrolle bauordnungsrechtlicher und bauplanungsrechtlicher Gesichtspunkte stellt ein Campingplatz kraft gesetzlicher Fiktion eine bauliche Gesamtanlage dar. 2. Für das Vorliegen der Genehmigungsbedürftigkeit ist zwischen der Instandsetzung und der Neuerrichtung abzugrenzen. Wenn die Identität der vorhandenen Anlage durch die beabsichtigten Baumaßnahmen noch gewahrt wird, ist von einer Instandsetzung auszugehen. Werden jedoch erhebliche bauordnungsrechtliche Prüfungen erforderlich oder erreichen die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau, ist eine Neuerrichtung gegeben. 3. Für das Vorliegen von Bestandsschutz ist ein bestandsschutzfähiger Bestand notwendig, der als Mindestvoraussetzung ein Minimum an baulicher Verfestigung der Nutzung erfordert. B. Sachverhalt Der Kläger begehrt die Feststellung der Genehmigungsfreiheit des Wiederaufbaus seines Campingplatzes. Dieser wurde durch die Flutkatastrophe an der Ahr 2021 zerstört. Auf dem Campingplatz existierten zwei Betriebsgebäude, die zwar stark beschädigt wurden, in Teilen aber weiterhin noch vorhanden sind. Vor allem das Mauerwerk besteht noch, sodass laut Kläger keine statischen Neuberechnungen anzustellen sein. Der gesamte Oberboden des Campingplatzes wurde hingegen durch die Flut weggeschwemmt. Der Kläger hatte für beide Gebäude jeweils eine Baugenehmigung erhalten und meinte daher, dass er seinen Campingplatz wieder aufbauen dürfe, ohne hierfür eine Baugenehmigung beantragen zu müssen. Der beklagte Landkreis lehnte dies nun ab. Dagegen wendete der Kläger sich vor dem VG Koblenz. C. Anmerkungen Auch das VG Koblenz kam der begehrten Feststellung der Genehmigungsfreiheit nicht nach. Die 1. Kammer entschied, dass der Wiederaufbau ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben sei. Nach § 61 LBauO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung sowie der Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 LBauO grundsätzlich einer Baugenehmigung, soweit in den §§ 62, 67, 76 und 84 LBauO nichts anderes bestimmt ist. Der Campingplatz stellt kraft gesetzlicher Fiktion eine bauliche Gesamtanlage in diesem Sinne dar (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LBauO). Dessen geplanter Wideraufbau, der keinem Ausnahmetatbestand entfällt, ist eine (Neu-)Errichtung i.S.d. § 61 LBauO. Die Errichtung einer Anlage erfasst auch Fälle des Neu- bzw. Wiederaufbaus einer Anlage am gleichen Ort nach ihrer Zerstörung oder gravierenden Beschädigung infolge von Naturgewalten. Die Neuerrichtung ist abzugrenzen zu einer bloßen Instandsetzung eines Bestandes. Diese ist anzunehmen, wenn die Identität der vorhandenen Anlage durch die beabsichtigte Baumaßnahme noch gewahrt wird. Ist dagegen ein Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv, dass er eine abordnungsrechtliche Prüfung erfordert, etwa weil die Standfestigkeit eines betroffenen Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich ist, oder erreichen die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau oder übersteigen sie diesen, liegt eine genehmigungsbedürftige Errichtung vor. Der vom Kläger beabsichtige Wiederaufbau des Campingplatzes ist gemessen daran keine Instandsetzung, sondern eine Neuerrichtung. Wegen der Fiktion ist auf die Gesamtanlage des Campingplatzes abzustellen, nicht nur auf die beiden Gebäude. Dazu gehören insbesondere auch die Stellplatzflächen nebst Erschließungsanlagen und der weiteren zum Betrieb des Campingplatzes benötigten Infrastruktur. Diese Flächen sind jedoch vollständig durch die Hochwasserkatastrophe zerstört worden. Deshalb ist von einer die Genehmigungspflicht auslösenden Neuerrichtung des Gesamtanlage des Campingplatzes auszugehen. Die nicht vorhandene Baugenehmigung ist auch nicht aus Gründen des Bestandsschutzes ausnahmsweise entbehrlich. Die Baugenehmigungen für die beiden Gebäude entfalten keine Legalisierungswirkung für die Gesamtanlage. Selbst wenn das der Fall wäre, wäre sie aufgrund der Zerstörung der Fläche gegenstandslos geworden, denn im Falle der Zerstörung oder gravierenden Beschädigung einer Anlage erledigt sich eine vorhandene Baugenehmigung. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit Feststellungsklage, § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO B. Begründetheit I. Genehmigungsbedürftigkeit 1. Campingplatz als Gesamtanlage 2. Abgrenzung zwischen Neuerrichtung und Instandsetzung 3. Ausnahmen II. Bestandsschutz C. Ergebnis E. Literaturhinweise BeckOK Bauordnungsrecht Niedersachsen/Kemper, Stand 01.08.2023, § 70 Rn. 28 ff; Beckmann, Der baurechtliche Bestandsschutz - eine systemtische Darstellung über das Wesen und die Reichweite desselben, KommJur 2014, 401. Entscheidung-der-Woche-48-2023 .pdf PDF herunterladen • 124KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 31-2021 (SR) Clara Kittelmann Einwilligungsfähig ist, wer nach seiner geistigen und sittlichen Reife imstande ist, Bedeutung und Tragweite des konsentierten Rechtsgutsangriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen, wobei umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je gewichtiger der Angriff ist und je schwerer seine Folgen abzusehen sind. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 5 StR 541/17 in: NStZ 2018, 537 BeckRS 2018, 570 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Einwilligungsfähig ist, wer nach seiner geistigen und sittlichen Reife imstande ist, Bedeutung und Tragweite des konsentierten Rechtsgutsangriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen, wobei umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je gewichtiger der Angriff ist und je schwerer seine Folgen abzusehen sind. 2. Bei der Bemessung einer Gesamtfreiheitsstrafe für Serientaten darf dem Angeklagten das Absinken seiner Hemmschwelle im Verlauf der Tatserie jedenfalls dann nicht zugute gehalten werden, wenn er von vornherein eine Vielzahl von Taten geplant hat. B. Sachverhalt Der Angeklagte hat sich unter Ausnutzung väterlicher Autorität und Vorspiegeln falscher Tatsachen in insgesamt 18 Fällen an seinen beiden Kindern vergangen. Unter mehrfachem Einsatz von Strangulationswerkzeug, im Einzelnen Stricke, Schals, Tücher sowie Lederbänder, würgte er die Kinder jeweils bis zum Eintritt von Atemnot. Diese sadomasochistischen Praktiken filmte bzw. fotografierte der Angeklagte, um sich an den Aufnahmen sexuell zu erregen. Der Tochter, welche ihrem Vater während dieser ersten Tatserie 13 Mal zum Opfer gefallen und zu jener Zeit höchstens zwölf Jahre alt war, täuschte er vor, ohne den Verkauf der Film- bzw. Fotoaufnahmen werde die Familie ihre Wohnung verlieren und auseinanderbrechen. Mitwirkungsbereitschaft erzwang der Angeklagte auch bei der etwa ein Jahr nach dem ersten Tatkomplex folgenden zweiten Tatserie, welche weitere fünf Taten zum Nachteil der nunmehr vierzehn Jahre alten Tochter umfasst. Unter Scheinidentitäten drohte er, ihr würden zunächst die Finger gebrochen und die Haare ausgerissen, woraufhin sie durch Überstülpen einer Plastiktüte erstickt werde, sofern sie nicht weitere Aufnahmen von sadomasochistischen Praktiken von sich erstellen lasse und übermittle. C. Anmerkungen Der BGH stellte in seinem Beschluss heraus, dass es hinsichtlich beider Tatserien einer differenzierteren Betrachtung einer Unwirksamkeit der Einwilligung der Tochter wegen Täuschung oder der Einwilligung beider Kinder wegen Sittenwidrigkeit i.S.v. § 228 StGB gar nicht bedarf. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre sei bei der Einwilligungsfähigkeit auf die geistige und sittliche Reife der verletzten Person, Bedeutung und Tragweite des gestatteten Rechtsgutsangriffs erkennen und sachgerecht beurteilen zu können, abzustellen. Dabei seien umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger der Angriff ist und je schwerer dessen Folgen abzusehen sind. Bezüglich der ersten Tatserie scheitere eine Rechtfertigung der Taten wegen Einwilligung der Opfer bereits an der Einwilligungsunfähigkeit beider Kinder. Es stehe außer Zweifel, dass dem zur Tatzeit zehn Jahre alten Jungen und seiner zwei Jahre älteren Schwester das erforderliche Urteilsvermögen in Bezug auf vom Täter nicht gänzlich kontrollierbare und somit zumindest abstrakt lebensgefährliche Würgehandlungen fehlt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Kinder unterhalb der Altersgrenze von 14 Jahren im Falle geringer wiegender Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit einwilligungsfähig sein können oder ob ihnen die Einwilligungsfähigkeit generell abzusprechen ist, sei in diesem Fall entbehrlich. Hinsichtlich der zweiten Tatserie sei die Mitwirkungsbereitschaft der mittlerweile 14-jährigen Tochter des Angeklagten mangels Freiwilligkeit rechtlich ohne Bedeutung. In der durch die den Taten vorangegangene Drohung geschaffene und von ihr als real empfundene Drucksituation, sah sich das Mädchen gezwungen, die Gräueltaten über sich ergehen zu lassen. Die insofern unfreiwillig erteile Einwilligung vermag eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus nahm sich der BGH in diesem Fall der Auswirkung des Seriencharakters von Taten bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe an. Er führte diesbezüglich aus, dass bei wiederholter Tatbegehung zum Nachteil desselben Opfers ein Herabsinken der Hemmschwelle des Täters im Verlauf der Tatenjedenfalls dann nicht in Form eines mildernden Zumessungsgrundes zu dessen Gunsten wirken kann, sofern er von vornherein eine Vielzahl von Taten geplant hat. Insbesondere im Falle serienhaft begangener Missbrauchstaten könne jedoch grundsätzlich bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe i.R.v. § 46 Abs. 2 StGB eine nähere Auseinandersetzung dahingehend nötig und gegebenenfalls eine Verminderung des Schuldgehalts für die Folgetaten zu berücksichtigen sein. D. In der Prüfung I. Tatbestand II. Rechtswidrigkeit: Einwilligung, insb. § 228 StGB III. Schuld IV. Strafzumessung: Bestimmung des Schuldrahmens, § 46 StGB E. Zur Vertiefung Zur Einwilligung bei Körperverletzungen: Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, §§ Vor 32ff. Rn. 29ff; Zur Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe bei Serientaten: Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Rn. 1210ff. Entscheidung-der-Woche-31-2021 .pdf PDF herunterladen • 87KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 32-2019 (SR) Malte Gauger Ein vor Eintritt der Bewusstlosigkeit gefasster Sterbewille kann im bewusstlosen Zustand fortwirken. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 5 StR 132/18 und BGH 5 StR 393/18 in: bundesgerichtshof.de A. Orientierungssatz Ein vor Eintritt der Bewusstlosigkeit gefasster Sterbewille kann im bewusstlosen Zustand fortwirken. B. Sachverhalt Zwei über 80-jährige Frauen leiden unter mehreren, nicht lebensbedrohlichen Krankheiten, die ihre Lebensqualität einschränken. Der angeklagte Arzt bescheinigt beiden Frauen in einem psychiatrisch-neurologischen Gutachten die uneingeschränkte Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Im Anschluss wohnt er auf Verlangen der beiden Frauen der Einnahme tödlich wirkender Medikamente bei. Nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit unterließ es der Angekl. auf ausdrücklichen Wunsch, lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Im anderen Fall leidet eine 44-jährige Frau an einer nicht lebensbedrohlichen, aber starke krampfartige Schmerzen verursachenden Erkrankung. Sie bat den Angekl., ihren Hausarzt, um Unterstützung beim Suizid, nachdem sie bereits mehrere Selbsttötungsversuche unternommen hatte. Der Angekl. verschaffte seiner Patientin Zugang zu einem in hoher Dosierung tödlich wirkenden Medikament. Er betreute die Frau danach, wie gewünscht, während Ihres zweieinhalb Tage dauernden Sterbens. Hilfe zur Rettung unternahm der Angekl. nicht. C. Anmerkungen Der BGH hatte vorliegend in zwei ähnlich gelagerten Fällen zu entscheiden, inwieweit sich das Selbstbestimmungsrecht auf die Hilfspflicht bei der freiverantwortlichen Selbsttötung auswirkt. Sowohl das LG Hamburg als auch das LG Berlin hatte die Angeklagten jeweils freigesprochen. Aus Sicht des BGH hätte eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der im Vorfeld geleitsteten Beiträge vorausgesetzt, dass die Frauen nicht in der Lage waren, einen freiverantwortlichen Selbsttötungswillen zu bilden. In beiden Fällen beruhte der Sterbewunsch auf einer gewissen Lebensmüdigkeit und nicht etwa auf einer psychischen Störung. Die Angeklagten waren jeweils auch nicht dazu verpflichtet, nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen, lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Im Hamburger Verfahren waren die Frauen nicht in Behandlung des Angekl., was ihn hätte zu lebensrettenden Maßnahmen verpflichten können. Die Erstellung des Gutachtens begründet ebenso keine Schutzpflicht für ihre Leben. Im Berliner Verfahren war der Angekl. von seiner durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Arzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens der Suizidentin entbunden. Eine nach § 323c StGB für jedermann bestehende Hilfspflicht in Unglücksfällen bestand aus Sicht des BGH ebenfalls nicht. Die Angeklagten wussten, dass die Suizide auf dem Selbstbestimmungsrecht der sterbewilligen Frauen beruhten. Damit waren Rettungsmaßnahmen entgegen ihrem Willen nicht geboten. Eine mögliche Verletzung der ärztlichen Berufspflichten wirken sich nicht auf die Strafbarkeit des Verhaltens aus. Der BGH hat entschieden, dass das Selbstbestimmungsrecht ein hohes Gut in der strafrechtlichen Bewertung darstellt. In der „Peterle“ Entscheidung (BGH NJW 1984, 2639) hat der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall eine Strafbarkeit bejaht, da er davon ausging, dass die Tatherschafft ab dem Moment der Bewusstlosigkeit entfällt. Dieser Auffassung ist der BGH nun nicht (mehr) gefolgt und stellt damit fest, dass ein vor Eintritt der Bewusstlosigkeit gefasster Sterbewille im bewusstlosen Zustand fortwirkt. D. Zur Vertiefung Zum Hamburger Verfahren gutachterlich aufbereitet siehe: Gauger, HanLR 2018, 290; Zum Berliner Verfahren siehe: NStZ-RR 2018, 246 (m. Anm. Miebach). Entscheidung-der-Woche-32-2019 .pdf PDF herunterladen • 229KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 40-2024 (SR) Laura Bock Eine tatrichterliche Beweiswürdigung zum Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdelikts ist lückenhaft, wenn der Nachweis des konkreten Ursachenzusammenhangs zwischen der Tathandlung und dem Tod des Geschädigten im Ergebnis maßgeblich auf die Wiedergabe der äußeren Geschehensabfolge durch den Angeklagten gestützt wird, dabei aber offenbleibt, auf welcher Tatsachengrundlage der Angeklagte selbst zu dieser Einschätzung gelangt ist. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH, Beschluss vom 29.05.2024 - 4 StR 138/22 Fundstelle: NJW 2024, 2856; BeckRS 2024, 22316; LSK 2024, 22316 Vorinstanz: LG Essen, Urteil vom 03.11.2021 - 22 Ks 8/21 70 Js 462/20 A. Orientierungs- oder Leitsätze 1. Eine tatrichterliche Beweiswürdigung zum Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdelikts ist lückenhaft, wenn der Nachweis des konkreten Ursachenzusammenhangs zwischen der Tathandlung und dem Tod des Geschädigten im Ergebnis maßgeblich auf die Wiedergabe der äußeren Geschehensabfolge durch den Angeklagten gestützt wird, dabei aber offenbleibt, auf welcher Tatsachengrundlage der Angeklagte selbst zu dieser Einschätzung gelangt ist. B. Sachverhalt Der Angeklagte, ein Facharzt für Anästhesiologie mit intensivmedizinischer Zusatzausbildung, arbeitete zur Tatzeit als Funktionsoberarzt auf der intensivmedizinischen Station eines regionalen Maximalversorgers in Essen, einem ECMO-Zentrum. Hier wurde der Patient H während der zweiten Corona-Welle im Herbst 2020 behandelt. Trotz einer ECMO-Behandlung verschlechterte sich sein Zustand kontinuierlich, was zu einer sehr geringen Aussicht auf Heilung führte. Der Chefarzt beschloss schließlich, die Familie des Patienten einzubestellen, um den mutmaßlichen Patientenwillen zu klären. Am 13. November 2020, nachdem der Angeklagte vom schlechten Gesundheitszustand des Patienten erfahren hatte, täuschte er die Angehörigen darüber, dass die Behandlungsmöglichkeiten erschöpft seien, und beendete die lebenserhaltenden Maßnahmen. Er schaltete das ECMO-Gerät ab und gab dem Patienten Medikamente, die seinen Sterbeprozess beschleunigten. Schließlich entschied er sich, den Sterbeprozess durch die Verabreichung einer tödlichen Dosis Kaliumchlorid zu beenden, was zum Tod des Patienten führte. Der Angeklagte handelte dabei vorsätzlich, um den Tod des Patienten herbeizuführen. C. Anmerkungen Ein Mensch tötet, wer seinen Tod durch eine ihm zurechenbare Handlung vorsätzlich verursacht. Bei einem Menschen im Sterbeprozess genügt in objektiver Hinsicht, dass zu der bereits bestehenden, zum Todeseintritt führenden Kausalreihe ein Verhalten des Täters hinzutritt, durch das der Tod frühzeitiger herbeigeführt wird. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich dann der Fall, wenn das Handeln des Täters hinter den gegebenen Umständen auf der Grundlage anerkannter naturwissenschaftlicher Gesetzesmäßigkeiten als (notwendige) Bedingung für den (früheren) Todeseintritt beschrieben werden kann. Hiervon ist nach ständiger Rechtsprechung auszugehen, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Dabei ist grundsätzlich gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Ein Kausalzusammenhang in diesem Sinne ist erst zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung einer früheren Ursache beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg allein herbeiführt. Die Annahme der Strafkammer, das Herz des Geschädigten sei infolge der Verabreichung des Kaliumchlorid durch den Angeklagten stehengeblieben und die Verabreichung des Kaliumchlorids kausal für den (vorzeitigen) Todeseintritt geworden, sei beweiswürdigend nicht tragfähig belegt. Ihre Überzeugung, dass die Verabreichung der Kaliumchloridlösung den Tod des Geschädigten herbeigeführt hat, stütze die Kammer "maßgeblich" auf die Angaben des Angeklagten gegenüber der Ermittlungsrichterin. Zwar sei die generelle Eignung der durch den Angeklagten verabreichten Gesamtmenge von 58,75 ml Kaliumchloridlösung zur Herbeiführung des Todes des Geschädigten tragfähig belegt. Der Nachweis des konkreten Ursachenzusammenhangs werde im Ergebnis jedoch maßgeblich auf die Wiedergabe der äußeren Geschehensabfolge durch den Angeklagten gestützt. Bei dieser Sache bleibe offen, ob die Gesamtmenge des Kaliumchlorids tatsächlich vor Eintritt des Todes wirksam geworden ist oder ob der Tod unabhängig davon - möglicherweise durch die schweren Erkrankungen des Patienten, das Abstellen der lebensnotwendigen Maschinen, die Zugabe anderer Medikamente oder die Zusammenwirkung mehrerer oder aller dieser Umstände - eingetreten sein könne. Nach alledem kann die Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlags nicht bestehen bleiben. D. In der Prüfung § 212 StGB A. Tatbestand I. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt b) Tathandlung c) Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg (-) d) Zwischenergebnis II. Zwischenergebnis B. Ergebnis (-) E. Literaturhinweise Rönnau/Saathoff, JuS 2024, Grundwissen - Strafrecht: Kausalität, S. 923 Entscheidung der Woche 40-2024 .pdf PDF herunterladen • 206KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 23-2021 (ÖR) Anna Ordina Sowohl ein etwaiger einfach-gesetzlicher Anspruch auf eine Schutzimpfung aus § 20 Abs. 5 Satz 1 IfSG oder aus § 1 Abs. 1 CoronaImpfV als auch der verfassungsrechtliche Teilhabeanspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG bestehen nur im Rahmen der aktuell tatsächlich zur Verfügung stehenden Kapazitäten. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: VG Frankfurt a.M., Beschl v. 12.02.2021 – 5 L 219/21.F und VG Hannover, Beschl. v. 25.01.2021 – 15 B 269/21 in: BeckRS 2021, 2028 bzw. BeckRS 2021, 627 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Sowohl ein etwaiger einfach-gesetzlicher Anspruch auf eine Schutzimpfung aus § 20 Abs. 5 Satz 1 IfSG oder aus § 1 Abs. 1 CoronaImpfV als auch der verfassungsrechtliche Teilhabeanspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG bestehen nur im Rahmen der aktuell tatsächlich zur Verfügung stehenden Kapazitäten. 2. Die Priorisierungsentscheidung der CoronaImpfV ist mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Staat erfüllt seine Schutzpflichten für Leben und körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung und hat die Reihenfolge gestützt auf taugliche Sachgründe – Letalitätsrisiko, Expositionsrisiko, Wichtigkeit der ausgeübten Tätigkeit – unter Rückgriff auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission festgelegt. 3. Einer individuellen Auswahlentscheidung bedarf es nicht. In Massenverfahren ist der Staat auch durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, sich aus Gründen der Verfahrensvereinfachung generalisierender, pauschalierender und typisierender Regelungen zu bedienen. Gemessen hieran ist vorliegend ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Die in der CoronaImpfV vorgenommene Einordnung bestimmter Personengruppen in die höchste Prioritätsstufe nach § 2 CoronaImpfV ist durch Sachgründe gerechtfertigt. B. Sachverhalt (vereinfacht) Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung und machen geltend, einen Anspruch auf unverzügliche Impfung gegen das Coronavirus Sars CoV-2 zu haben. Es handele sich um einen Härtefall. Das Ermessen des Antragsgegners soll jeweils auf Null reduziert sein. Das durch den Antragsgegner vorgebrachte Argument eines Mangels an Impfstoffes treffe jeweils nicht zu. C. Anmerkungen Die Entscheidungen sind zum einen aufgrund der Aktualität relevant und zum anderen, weil sie sich sehr gut eignen, um viele beliebte prüfungsrelevante Aspekte wie z.B. den einstweiligen Rechtsschutz und einen Antrag nach § 123 VwGO sowie nicht gängige Normen und Grundrechte kombiniert abzuprüfen. D. In der Prüfung A. Sachentscheidungsvoraussetzungen I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO – § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG als abdrängende Spezialzuweisung zu den Sozialgerichten (-), weil es sich nicht um eine Angelegenheit der gesetzl. Krankenversicherung, sondern um die Geltendmachung eines infektionsschutzrechtlichen Leistungs- bzw. Teilhabeanspruchs handelt II. Statthafte Antragsart Regelungsanordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO III. Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog Anspruch auf vorrangige Impfung aus § 1 Abs. 1 CoronaImpfV, § 20 Abs. 5 IfSG oder Art. 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG B. Begründetheit I. Anordnungsanspruch 1. Anspruch aus § 1 Abs. 1 S. 1 CoronaImpfV a. Vereinbarkeit der Priorisierungsentscheidung in § 1 Abs. 2 S. 1 CoronaImpfV mit Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG (Vorbehalt des Gesetzes) -> kann offen stehen b. Der Anspruch besteht nur im Rahmen der Verfügbarkeit vorhandener Impfstoffe c. Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Gruppen aus Art. 3 Abs. 1 GG Der Gesetzgeber ist durch das Gleichheitsgebot nicht gehindert, sich in Massenverfahren an Stelle eines ausschließlich individuellen Wirklichkeitsmaßstabes aus Gründen der Verfahrensvereinfachung generalisierender, pauschalierender und typisierender Regelungen zu bedienen. 2. (bei Unwirksamkeit der CoronaImpfV) -> Anspruch aus einem grundrechtlichen Leistungs- und Teilhabeanspruch aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG a. GR grds. als Abwehrrechte gegen den Staat, jedoch bewirken sie zudem Schutzpflichten, die sich zu Leistungsansprüchen verdichten können schafft der Staat ein Leistungsangebot, so entsteht für die Bürger*innen ein Anspruch auf Teilhabe an diesen staatlichen Leistungen. Das Teilhaberecht begründet nicht einen individuellen Anspruch für jedermann auf sofortigen Zugang zum Impfstoff, sondern ein Recht auf gleichheitsgerechten Zugang zum Impfstoff. Deshalb hat die zuständige Behörde im Rahmen des grundrechtlichen Teilhabeanspruchs eine Priorisierungs- und Auswahlentscheidung zu treffen, sodass daraus ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht. II. Anordnungsgrund E. Zur Vertiefung Bilsdorfer/Sigel, NVwZ, 2021, S. 594 – 598; BeckOK InfSchR/Aligbe, 5. Ed. 10.05.2021, IfSG, § 20 Rn. 59-75a. Entscheidung-der-Woche-23-2021 .pdf PDF herunterladen • 70KB Zurück Nächste












