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- Entscheidung der Woche 52-2024 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 52-2024 (SR) Anna Bredemeier Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob das Opfer die Gefährlichkeit des drohenden Angriffs in ihrer vollen Tragweite überblickt. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH Urt. v. 01.02.2024 - 4 StR 287/23 Fundstelle: NJW 2024, 241; VRS 147, 169; ZfS 2024, 345 A. Orientierungs- oder Leitsätze 1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob das Opfer die Gefährlichkeit des drohenden Angriffs in ihrer vollen Tragweite überblickt. 2. Arg- und Wehrlosigkeit können auch gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Opfer aber gleichwohl in der Tatsituation nicht mit einem erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. 3. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen. B. Sachverhalt A wurde auf einem Parkplatz in seinem Auto sitzend von K angesprochen. Dieser bat ihn, ihm ein Gramm Cannabis zu verkaufen. A sagte die spätere Lieferung des Rauschgifts durch einen Dritten zu. K, der das Cannabis sofort konsumieren wollte, geriet in Wut. Er schlug A nach einer verbalen Auseinandersetzung ins Gesicht und nannte ihn einen "räudigen Hund". A wollte die Demütigung nicht auf sich beruhen lassen und beschloss, unter Einsatz des von ihm geführten Kraftfahrzeugs den K anzufahren. A verließ den Parkplatz, wobei er die Vorfahrt missachtete. Um eine Kollision mit einem anderen Auto zu vermeiden, musste er scharf abbremsen. K nahm diese Bremsgeräusche wahr und sah, dass A mit dem Auto auf ihn zufuhr. Dabei hielt er es für möglich, dass A ihm folgen könnte, um ihm Angst einzujagen. Mit einer körperlichen Auseinandersetzung rechnete er nicht. Er führte seinen Weg unbeirrt fort. A beschleunigte nun sein Fahrzeug und lenkte es mit rund 50 km/h gezielt auf den Gehweg. K sah sich kurz vor der Kollision noch einmal um und sah, dass A auf ihn zusteuerte. Ihm verblieb aber keine Zeit, noch auszuweichen. Tatplangemäß erfasste A den K mit dem Kfz, wodurch K mehrere Verletzungen erlitt. A nahm an, ihn getötet zu haben. C. Anmerkungen Der BGH bestätigte ein heimtückisches Handeln im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB des A. Zwar ging dem Tatgeschehen zwischen A und K eine verbale und körperlich geführte Auseinandersetzung voraus. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung verhielt sich der Angeklagte aber zurückhaltend, passiv und ängstlich. K erwartete nach der aus seiner Sicht beendeten Auseinandersetzung keinen erheblichen Angriff gegen seine körperliche Integrität, sondern rechnete allenfalls damit, dass der ihm körperlich unterlegene A ihn angesichts seines vorangegangenen Verhaltens zur Rede stellen oder ihm "Angst einjagen" könne. K rechnete somit nicht mit einem Angriff auf sein Leben oder einem erheblichen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit. Dass er sich unmittelbar vor der Kollision umwandte und den Angriff daher in letzter Minute wahrnahm, stellt seine Arglosigkeit nicht in Frage, weil die verbleibende Zeitspanne zu kurz war, um der nunmehr erkannten Gefahr zu begegnen. Diese Annahme wird daraus gefolgert, dass K dem A den Rücken zuwandte und seinen Weg unbeirrt fortsetzte, ohne die Möglichkeit einer Flucht zu ergreifen. Auch das Ausnutzungsbewusstsein des A wird bejaht. Dafür spricht die Höchstgefährlichkeit der Angriffsweise. D. In der Prüfung §§ 211 Abs. 2, 22, 23 StGB I. Vorprüfung II. Tatentschluss 1. Taterfolg 2. Heimtücke 3. Kausalität 4. objektive Zurechnung III. Unmittelbares Ansetzen IV. Rechtswidrigkeit V. Schuld E. Literaturhinweise Balke/Frese/Koehl, NJ 2024, 245 (241 f). Entscheidung der Woche 52-2024 .pdf PDF herunterladen • 158KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 20-2023 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 20-2023 (SR) Kevin Schmolowski "Donuts" (360-Grad-Kehren) sind kein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen und unterfallen nicht § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Aktenzeichen & Fundstelle Az: KG 3 Ss 59-60/21 in: BeckRS 2022, 1853 DAR 2022, 393 LSK 2022, 1853 A. Orientierungs- oder Leitsätze 1. "Donuts" (360-Grad-Kehren) sind kein unerlaubtes Kraftfahrzeugrennen und unterfallen nicht § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. 2. Der Tatbestand der Nötigung erfordert in Bezug auf die Zwangswirkung nicht in jedem Fall Absicht. B. Sachverhalt Am 09.02.2020 befuhr A mit dem Pkw Maserati die J-Straße in Berlin. Unter starker Beschleunigung brachte er das von ihm geführte Fahrzeug in eine kreisende, driftende Fahrbewegung. Unter zunehmender weiterer Beschleunigung vollzog der A für etwa 10 Sekunden „Donuts“ (360-Grad-Kehren auf der Stelle) über den gesamten Kreuzungsbereich, wobei die Reifen quietschten und aufgrund des Reifenabriebs starke Qualmentwicklung die Folge war. Aufgrund des sich mit starker Beschleunigung im Kreis bewegenden Pkw des A wurden andere Verkehrsteilnehmer durch die physisch unmittelbar blockierend wirkende Anwesenheit des Pkw, sowie die von diesem ausgehende Gefahr aufgrund eines jederzeit möglichen unkontrollierten Ausbruchs des Fahrzeugs daran gehindert, den gesamten Kreuzungsbereich ungehindert zu befahren. Dies hatte zur Folge, dass eine unbestimmte Anzahl an Verkehrsteilnehmern, hier insbesondere andere Kraftfahrzeugführer, Radfahrer und Fußgänger, jedenfalls vorübergehend an einem sicheren und zügigen Passieren der Kreuzung durch A gehindert wurden. A kam es hierbei vorrangig darauf an, anderen Teilnehmern des sich vor Ort befindlichen Hochzeitskorsos zu imponieren, wobei dieser zumindest billigend in Kauf nahm, dass auch andere Verkehrsteilnehmer angesichts seines risikobehafteten Fahrmanövers den Kreuzungsbereich vorübergehend nicht passieren konnten. Nachdem A das Fahrzeug mehr als zweimal um die eigene Achse gedreht hatte, fuhr er entgegen der Fahrtrichtung in die H-Straße. Hat sich A wegen eines verbotenen Einzelrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB oder wegen einer Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Sowohl die Amtsanwaltschaft Berlin als auch der Angeklagte legten Revision ein. Erstere macht geltend, der Angeklagte hätte auch wegen eines verbotenen Einzelrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt werden müssen. Letzterer vertritt die Auffassung, die Feststellungen trügen eine Verurteilung wegen Nötigung weder in Bezug auf die innere noch auf die äußere Tatseite. Beide Rechtsmittel blieben erfolglos. Entschieden hat das Kammergericht Berlin, welches als Oberlandesgericht des Landes Berlin das höchste Berliner Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist. Im vierstufigen Gerichtsaufbau Deutschlands steht das Kammergericht über den Amtsgerichten und dem Landgericht, aber unterhalb des Bundesgerichtshofs. Durch sein verkehrsfremdes Fahrmanöver hat der Angeklagte ein physisches Hindernis errichtet und folglich mit kompulsiver Gewalt eine der zentralen Straßenkreuzungen Berlins blockiert und hierdurch eine unbestimmte Zahl von Verkehrsteilnehmern für einen nicht unwesentlichen Zeitraum (vollständig) daran gehindert, die Kreuzung zu Verkehrszwecken zu nutzen. Wie lange eine Zwangswirkung andauern muss, um tatbestandsrelevant zu sein, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Vorliegend hat der Vorgang mit der Dauer des Einfahrens in die Kreuzung, der Positionierung sowie dem Ausfahren aus der Kreuzung etwa 15 Sekunden gedauert. Diese Dauer liegt im zeitlichen Rahmen solcher im Straßenverkehr begangener Tathandlungen, die als Nötigung anerkannt sind, z. B. eines Ausbremsens. In Bezug auf § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB sieht der Senat zunächst das Merkmal der „Fortbewegung“ als nicht verwirklicht an, denn der A hat sich durch seine 360-Grad-Kehren gerade nicht fortbewegt, sondern er rotierte auf der Stelle. Eine Auslegung dahin, Rotationen seien eine Art der Fortbewegung, scheitert bereits an der Wortlautgrenze. Darüber hinaus handelte A nicht, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Der Terminus der „nicht angepassten Geschwindigkeit“ zeigt, dass der Gesetzgeber Fahrweisen unter Strafe stellen wollte, die einer angepassten Geschwindigkeit grundsätzlich zugänglich sind. Das missbräuchliche Rotierenlassen eines PKW fällt nicht darunter. Auch die amtliche Überschrift des § 315d StGB „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ lässt erkennen, dass die Vorschrift das hier abgeurteilte Verhalten, dem jedes kompetitive Moment fehlt, nicht erfasst. A hat sich wegen einer Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB scheidet aus. D. In der Prüfung I. § 240 StGB 1. Tatbestand a) Nötigungshandlung: Gewalt b) Nötigungserfolg c) Vorsatz 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld II. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB E. Literaturhinweise Heger in: Lackner/Kühl/Heger, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2023, § 315d Rn. 5. Entscheidung-der-Woche 20-2023 .pdf PDF herunterladen • 206KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 15-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 15-2020 (SR) Laura Schlunk Der Rücktrittshorizont bei einer versuchten Straftat kann nachträglich korrigiert werden, wenn der Täter nach Durchführung der Tathandlung zunächst den Erfolgseintritt für möglich hält, dann aber erkennt, dass er sich geirrt hat. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 2 StR 340/19 in: BeckRS 2019, 36898 A. Orientierungs- oder Leitsatz Der Rücktrittshorizont bei einer versuchten Straftat kann nachträglich korrigiert werden, wenn der Täter nach Durchführung der Tathandlung zunächst den Erfolgseintritt für möglich hält, dann aber erkennt, dass er sich geirrt hat. Dann kann er durch die Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten. B. Sachverhalt A hatte sich mit N über dessen bevorstehende Hochzeit mit seiner Tochter gestritten. Er besorgte sich eine Pistole mit vier Schuss und ein Luftgewehr. Bei einem Treffen in einer Moschee bat er N nach draußen. Dieser weigerte sich an einen ruhigeren Ort zu gehen. Mit der Absicht, N zu töten, zog A seine Waffe. Zwei Schüsse trafen N in den Bauch, zwei gingen fehl. A gab weitere Schüsse mit dem Luftgewehr ab, während N versuchte zu fliehen. Zunächst wendete sich A ab, bevor er umkehrte und dem N hinterherrief, dass er noch nicht mit ihm fertig sei. Hat sich A wegen versuchten Mordes strafbar gemacht? C. Anmerkungen A wurde wegen versuchten Mordes aus niederen Beweggründen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gem. §§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 1 Var. 4, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 52 Abs. 1 StGB verurteilt. Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass A seine Munition verbraucht und keine Luftschüsse abgegeben habe. Das Luftgewehr sei zum Beenden des Versuches ungeeignet gewesen. Ein freiwilliger Rücktritt war nicht möglich, da A von einer tödlichen Verletzung des N überzeugt gewesen sei. Der BGH kritisierte, dass ein korrigierter Rücktritthorizont nicht in Betracht gezogen wurde. Bei der Abgrenzung von beendetem und unbeendetem Versuch komme es darauf an, ob der Täter den Erfolg weiterhin für möglich hält und wie er die verursachte Gefährdung des Opfers einschätze. Daraus ergäben sich die notwendigen Rücktrittshandlungen. Ein beendeter Versuch setze insoweit eine Verhinderungskausalität bzw. ein ernsthaftes Bemühen (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, S. 2 StGB) voraus, während bei einem unbeendeten Versuch die bloße Aufgabe der Tat genüge (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB). Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts und damit der Anforderungen an die Rücktrittshandlung sei möglich, wenn der Täter den Eintritt des Erfolges zwar zunächst für möglich hält, dann aber unmittelbar seinen Irrtum erkenne. A entfernte sich zunächst und rief dann, dass er noch nicht „fertig“ sei. Dies spreche gegen die Annahme, dass er von einer tödlichen Verletzung und damit von einem bereits beendeten Mordversuch ausging. Vielmehr könne hier eine Korrektur des Rücktrittshorizonts vorliegen, wonach A nicht mehr der Ansicht war, bereits das zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan zu haben. Hierfür spreche auch, dass A weiter mit dem Luftgewehr auf N feuerte und dieser für A gut sichtbar wegrannte. Das LG hätte daher einen strafbefreienden Rücktritt vom Mordversuch durch bloße Aufgabe der Tat nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB in Betracht ziehen müssen. D. In der Prüfung I. Vorprüfung II. Tatbestandsmäßigkeit III. Rechtswidrigkeit IV. Schuld V. Rücktritt, § 24 StGB 1. Kein Fehlschlag 2. Beendeter/Unbeendeter Versuch 3. Freiwilligkeit E. Zur Vertiefung Zur Wiederholung des Rücktritts vom Versuch und der Korrektur des Rücktritthorizonts: Hoffmann-Holland in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2017, § 24 Rn. 72-76. Entscheidung-der-Woche-15-2020 .pdf PDF herunterladen • 91KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 52-2022 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 52-2022 (ÖR) Nils Grimmig Für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, kommt eine Begrenzung des Fragerechts des Abgeordneten im Sinne einer „Bereichsausnahme“ nicht in Betracht. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG 2 BvE 8/21 in: BeckRS 2022, 35774 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, kommt eine Begrenzung des Fragerechts des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG im Sinne einer „Bereichsausnahme“ nicht in Betracht. 2. Das parlamentarische Kontrollgremium ist ein zusätzliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, das sonstige parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt. B. Sachverhalt Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages bat die Bundesregierung um Auskunft über die Anzahl der in den letzten fünf Jahren jeweils in das Ausland entsandten Bediensteten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Mit Schreiben vom 9.12.2020 teilte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) im Namen der Bundesregierung mit, dass die Beantwortung der Frage nicht erfolgen könne. Die abgefragten Informationen beträfen in besonderem Maße das Staatswohl. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Sicherheitsbehörden des Bundes seien im Hinblick auf die künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzwürdig. Die Beantwortung der Frage würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik und den konkreten Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden einem nicht eingrenzbaren Personenkreis zugänglich machen. Insbesondere durch die Auskunft über die Größenordnung des eingesetzten Personals könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Der Abgeordnete stellte daraufhin einen Antrag auf Einleitung eines Organstreitverfahrens. Er begehrt die Feststellung, dass ihn die Bundesregierung durch die Verweigerung der erbetenen Auskunft in seinem parlamentarischen Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verletzt hat. C. Anmerkungen Der zulässige Antrag ist begründet. Die Bundesregierung hat den Antragsteller durch die Verweigerung der Auskunft in seinem parlamentarischen Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verletzt. Aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung gegenübersteht. Dieses parlamentarische Fragerecht des Antragstellers hat die Bundesregierung durch die Verweigerung der Beantwortung des Auskunftsersuchens beeinträchtigt. Die Wahrnehmung dieses Rechts wird dabei durch den Zuständigkeitsbereich der Regierung, den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, die Grundrechte Dritter und das Staatswohl begrenzt. Doch die Bundesregierung hat eine darauf gestützte Verweigerung nachvollziehbar zu begründen. Ein Nachschieben von Gründen ist dabei nicht zulässig. Das BfV ist eine dem BMI nachgeordnete Behörde, die dessen Rechts- und Fachaufsicht untersteht. Damit betrifft die Anfrage den Zuständigkeitsbereich der Regierung. Zudem erfasst sie ausschließlich in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Vorgänge, sodass der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht berührt ist. Grundrechte Dritter in Form des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der verdeckt handelnden Bediensteten des BfV aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sind ebensowenig berührt. Denn die bloße Mitteilung der Zahl der im nicht näher spezifizierten Ausland verdeckt handelnden Bediensteten des BfV begründet keine relevanten Enttarnungsrisiken für einzelne Personen. Als Rechtfertigung für die Verweigerung der Auskunft käme demnach nur das Staatswohl in Form des Interesses an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes in Betracht. Die Bundesregierung führt an, die begehrte Auskunft könne ein entscheidendes Teilstück sein, um sicherheitsrelevante Rückschlüsse auf die Tätigkeit des BfV im Ausland ziehen zu können, da gegnerische Nachrichtendienste Informationen sammelten, um diese wie ein „Mosaik“ zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zusammenzuführen. Indes hat naturgemäß jede Auskunft einen Inhalt, der abstrakt einen „Mosaikstein“ in irgendeinem Zusammenhang darstellen könnte. Eine Übernahme dieser Argumentation hätte ein nahezu völliges Leerlaufen des parlamentarischen Fragerechts der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Sinne einer Bereichsausnahme für die Tätigkeit der Nachrichtendienste zur Folge. Eine solche Bereichsausnahme aber widerspräche dem Gebot, bei einer Kollision des verfassungsrechtlich verankerten Geheimhaltungsinteresses mit dem parlamentarischen Auskunftsanspruch einen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herbeizuführen. Aus diesem Grund hätte die Bundesregierung konkret darlegen müssen, dass es sich bei der Auskunft über die Anzahl der im Ausland verdeckt handelnden Bediensteten des BfV gerade um einen solchen „Mosaikstein“ handeln könnte, der geeignet wäre, ein Gesamtbild entstehen zu lassen und damit einen Erkenntnisgewinn anderer Geheimdienste zu ermöglichen. Die behaupteten Geheimhaltungsinteressen überwiegen den parlamentarischen Informationsanspruch hier daher nicht. Schließlich tritt das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten auch nicht hinter das Parlamentarische Kontrollgremium zurück, das aufgrund seiner Aufgabenstellung, seiner eingeschränkten Möglichkeiten der Beweiserhebung und deren Bindung an – teilweise qualifizierte – Mehrheitserfordernisse lediglich eine partielle Kontrolle der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden gewährleisten kann. Ebensowenig trägt der isolierte Einwand, die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger stehe der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage des Antragstellers selbst in eingestufter Form entgegen. Denn das Staatswohl ist im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut. Daher kann eine Berufung auf das Staatswohl gegenüber dem Deutschen Bundestag bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen in aller Regel jedenfalls dann nicht in Betracht kommen, wenn wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Zwar kommen bereits keine Rechtfertigungsgründe für die Verweigerung der Auskunft in Betracht. Darüber hinaus hat die Bundesregierung ihre Verweigerung aber auch nicht hinreichend, den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend, begründet. Denn die Darlegungen beschränken sich hier letztlich auf die bloße Behauptung, die Mitteilung der Gesamtzahl der im angefragten Zeitraum im Ausland tätigen Bediensteten des BfV begünstige die Entwicklung von Abwehrstrategien ausländischer Dienste und gefährde dadurch den Einsatzerfolg. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass es sich bei der Auslandstätigkeit des BfV dem Grunde nach um eine offenkundige Tatsache handeln dürfte, erfolgt nicht. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit der Klage II. Begründetheit 1. Rechtsposition des Antragstellers 2. Beeinträchtigung 3. Rechtfertigung a) Zuständigkeitsbereich, Kernbereich, Grundrechte Dritter b) Staatswohl (Unzulässigkeit einer Bereichsausnahme) E. Literaturhinweise Harks, Das Fragerecht der Abgeordneten, JuS 2014, 979-982; Warg, Die Grenzen parlamentarischer Kontrolle am Beispiel des Staatswohls, NVwZ 2014, 1263-1269. Entscheidung-der-Woche-52-2022 .pdf PDF herunterladen • 144KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 05-2020 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 05-2020 (ZR) Joshua Mensak Folgenlos überstandene Krankheiten und Verletzungen, wie ausgeheilte Rippenfrakturen eines Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist, stellen keinen Sachmangel des verkauften Tieres iSd § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – VIII ZR 69/18 in: BeckRS 2019, 29984 NJW 2020, 389 (vsl.) MDR 2020, 17 (vsl.) A. Orientierungssätze Folgenlos überstandene Krankheiten und Verletzungen, wie ausgeheilte Rippenfrakturen eines Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist, stellen keinen Sachmangel des verkauften Tieres iSd § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Der Verkäufer eines Tieres hat ohne vorrangige Beschaffenheitsvereinbarung (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen für die gewöhnliche Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre. B. Sachverhalt (verkürzt) Die Klägerin erwarb im November 2013 von dem Beklagten nach einem Proberitt einen im Jahr 2005 geborenen Wallach. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wurde nicht getroffen. Nachdem ein durch die Klägerin beauftragter Tierarzt nach Übereignung vermeintlich noch nicht ausgeheilte Rippenfrakturen feststellte, erklärte diese ihren Rücktritt und verlangt nunmehr u.a. Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und -übereignung des Pferdes. Das Pferd erlitt in der Vergangenheit erhebliche Rippenfrakturen aufgrund eines nicht näher aufgeklärten Ereignisses. Eine gegenwärtig hohe Wahrscheinlichkeit für alsbaldige (Folge-)Erkrankungen aufgrund der Rippenfrakturen wurde nicht festgestellt. Ob die Frakturen nunmehr vollständig ausgeheilt seien, wurde durch das Berufungsgericht nicht aufgeklärt. Denn selbst wenn dies zuträfe, sei nach dessen Ansicht ein Mangel iSd § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB unabhängig davon schon allein in dem Umstand zu sehen, dass das Pferd in der Vergangenheit erhebliche Verletzungen erlitten habe. C. Anmerkungen Eine fehlende „Freiheit von Vorverletzungen“, d.h. allein der Umstand, dass das Tier irgendwann eine erhebliche Verletzung erlitten hat, stellt keinen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar. Die Rechtsprechung zum Mangelbegriff beim Verkauf reparierter Unfallfahrzeuge, wonach das Fahrzeug auch bei vollständig und fachgerecht repariertem Unfallschaden einen Mangel allein aufgrund der Tatsache eines vorherigen Unfalls aufweise, ist auf Tiere nicht uneingeschränkt übertragbar. Denn der Verkäufer eines Tieres hat, sofern keine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, (lediglich) für den in den Orientierungssätzen beschriebenen Zustand einzustehen. Diese gelten auch für folgenlos überstandene Verletzungen, wie eine ausgeheilte Rippenfraktur eines nunmehr klinisch unauffälligen Pferdes. Es gehört nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht, denn Lebewesen unterliegen einer ständigen Entwicklung und sind - anders als Sachen - mit individuellen Anlagen ausgestattet und mit unterschiedlichen Risiken behaftet. Es ist damit zu rechnen, dass das Tier physiologische Abweichungen von einer „Idealnorm“ aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind, damit verbundene Risiken für spätere Entwicklungen sind für Lebewesen typisch. Die Eignung eines Pferdes für die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd ist nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund dieser Abweichungen von der „Idealnorm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig Symptome entwickelt, die dieser Verwendung entgegenstehen. Dass der Käufer oder „der Markt“ einem solchen Tier tatsächlich einen geringeren Wert beimessen, ist nicht entscheidend. Denn es kommt auf die objektiv berechtigte Käufererwartung an. Solange zumindest keine hohe Wahrscheinlichkeit für eine baldige Erkrankung besteht und die Verletzungen vollständig ausgeheilt sind, widerspricht der o.g. Zustand des Tieres der objektiv berechtigten Käufererwartung nicht. D. In der Prüfung A. §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 434 BGB I. Rücktrittsgrund 1. Kaufvertrag 2. Sachmangel a. § 434 Abs. 1 S. 1; S. 2 Nr. 1 BGB (-) b. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (P) geheilte Verletzungen; Vgl. zu Kfz? II. Zwischenergebnis B. Ergebnis E. Zur Vertiefung BGH - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 m. Anm. RA W. Müller; MüKo/Westermann, BGB 8. Aufl. 2019, § 434 Rn. 84 f. Entscheidung-der-Woche-05-2020 .pdf PDF herunterladen • 87KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 10-2025 (ÖR) Pierre Watermann Das Recht auf individuelle Grabgestaltung unterliegt den Beschränkungen, die sich aus dem Gemeinschaftscharakter des Friedhofs ergeben. Hierbei sind auch die Grundrechte anderer Friedhofsnutzer zu beachten. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: VGH Mannheim - Az. 1 S 800/24 Fundstelle: LSK 2024, 27095 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Das Recht auf individuelle Grabgestaltung unterliegt den Beschränkungen, die sich aus dem Gemeinschaftscharakter des Friedhofs ergeben. Hierbei sind auch die Grundrechte anderer Friedhofsnutzer zu beachten. 2. Der Friedhofszweck des ungestörten Totengedenkens und der Würde des Friedhofs ist auch Ausdruck grundrechtlicher Positionen Dritter, die im Wege der praktischen Konkordanz im Rahmen der Religions- und Meinungsfreiheit der Grabnutzungsberechtigten Berücksichtigung finden können. B. Sachverhalt Die Kläger (Angehörige des Grabbewohners) ließen auf dem genannten Grab, ohne vorherige Prüfung, durch die Beklagte ein 1,55m hohes Grabmal in Gestalt eines Abbilds des Verstorbenen in weiß, gelb, orange und rot errichten. Die Friedhofsverwaltung erreichten mehrere Beschwerden von anderen Besuchern des Friedhofs. Diese brachten zum Ausdruck, dass sie sich durch die aufällige Gestaltung der Grabskulptur gestört fühlten. Nach mehreren gescheiterten Kompromissversuchen folgte schließlich eine Beseitigungsverfügung. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf einen Verstoß gegen §§ 15, 17, 21 Friedhofssatzung (FS). Die Ausführung des Grabmales sei rechtswidrig, da die Genehmigungserfordernis nicht erfüllt sei und sie der Würde des Friedhofs nicht entspreche. Durch die grelle Farbgebung, die Größe der Figur und die figürliche Darstellung des Verstorbenen sei der Eindruck so aufdringlich, dass sich andere Trauernde der Wirkung nicht entziehen könnten. Die Angehörigen zogen daraufhin vor das VG Stuttgart. Sie begehrten die Erteilung einer Genehmigung für das bereits errichtete Grabmal und wendeten sich gegen die Verfügung der Beklagten, dieses zu beseitigen. Sie trugen vor, die Verfügungen der Beklagten verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 2 GG und Art. 4 GG, in ihrem Totenfürsorgerecht und zugleich werde eine Verletzung der Würde des Verstorbenen (Art. 1 GG) gerügt. Die Vorschrift des § 15 FS sei insbesondere zu unbestimmt und daher bereits nichtig. Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied erstinstanzlich, dass die Skulptur andere Besucher in ihren Rechten, vor allem deren Relegionsfreiheit, einschränke und die Beseitigungsverfügung rechtmäßig sei. Dagegen legten die Angehörigen Berufung beim VGH Mannheim ein. C. Anmerkungen Der VGH begründet wie folgt: Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. April 2024 - Az. 6 K 943/23 - wird abgelehnt. Danach seien § 15 FS und § 14 BestattG Baden-Württemberg gegen die von den Angehörigen geltend gemachte Relegionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und die Kunstfreiheit gem Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG abzuwägen. § 15 FS bestimme, das Grabmale "der Würde des Friedhofs in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtanlage entsprechen" müsse. Ähnliches sieht § 14 BestattG vor: "Gestaltung und Ausstattung der Grabstätten müssen der Würde des Ortes entsprechen. Grundsätzlich sei man daher berechtigt, eine Grabstätte "in einer ihrem ästhetischen oder religiösen Empfinden entsprechenden Weise zu gestalten". Jedoch nur insoweit, dass dieses Recht seine Grenze in den Rechten Dritter finde, der Anstaltszweck des Friedhofs also gewahrt werden müsse. Dieser bestünde darin, Sorge für eine würdige Totenbestattung zu tragen und Friedhofsbesuchern einen Ort der Andacht zu gewähren. Der Zweck eines Friedhofs sei also, die Möglichkeit zu schaffen, ungestört den Totn zu gedenken. Für die Erreichung dieses Zwecks sei der Friedhofsträger verantwortlich. Damit einher ginge die Schaffung von Gestaltungsvorschriften. Da es sich bei einem Friedhof um eine Ansammlung von verschiedenen Grabflächen handelt, kann die einzelne Grabstätte dabei nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist immer im Kontext mit den anderen Grabstätten zu sehen. Das äußere Bild des Friedhofs wird auch durch das Aussehen einzelner Grabstätten mitbestimmt. Hierbei ist zu beachten, dass sich alle Friedhofsnutzer auf die jeweils einschlägigen Grundrechte, z.B. der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können. Wie die Kläger zu Recht vortragen, müssen Nutzer eines Friedhofs insoweit eine Grundspannung aushalten. Das Recht auf individuelle Grabgestaltung kann aufgrund des Gemeinschaftsbezugs jedoch nicht schrankenlos sein, sondern unterliegt den Beschränkungen, die sich aus dem Gemeinschaftscharakter des Friedhofs ergeben. Hierdurch sollen Spannungen ausgeglichen werden, die durch naturgemäß differierende, religiöse und künstlerisch-ästhetische Meinungen einer Vielzahl von Nutzern, wie sie auf Friedhöfen zusammentreffen, bestehen. In der Folge bestätigt der VGH Mannheim das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang: Die Skulptur sei mit ihren 1,55 Metern zu groß, zu leuchtend, zu auffällig. Sie ziehe damit zu viel Aufmerksamkeit auf sich, wodurch ein ungestörtes Totengedenken für die anderen Friedhofsbesucher nicht mehr möglich sei. Die Beseitigungsverfügung ist rechtmäßig. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Rechtsgrundlage für Beseitigungsverfügung II. formelle Rechtsmäßigkeit III. materielle Rechtsmäßigkeit 1. formelle + materielle Illegalität 2. Ermessen - insb. Verhältnismäßigkeit E. Literaturhinweise LSK 2024, 27095 DOV 2029.8.88 BeckRS 2024, 27095 Entscheidung der Woche 10-2025 .pdf PDF herunterladen • 1.26MB Zurück Nächste
- Hanover Law Review | Mitmachen! - Aber wie?
Es gibt verschiedene Wege, wie du unsere Zeitschrift unterstützen kannst. Schau' dich doch mal um. Mitmachen! - Aber wie? Es gibt verschiedene Wege, wie du unsere Zeitschrift unterstützen kannst. Unten findest du verschiedene Bereiche, wie du Teil unseres Teams werden oder uns deine Ausarbeitungen zukommen lassen kannst. Schau' dich doch mal um. Das volle Programm Du möchtest Teil des HanLR-Teams werden und echte Redaktionsluft schnuppern? Dann findest du hier unseren Mitgliedsantrag. Wir freuen uns, dich schon bald an Bord begrüßen zu dürfen! Noch nicht ganz überzeugt? Dann schreib uns deine Fragen an vorstand@hanoverlawreview.de und wir helfen dir gerne weiter. Mitglied werden! mehr als 100 Vereinsmitglieder Schick' uns deinen Beitrag Du hast eine zweistellige Klausur, Hausarbeit oder einen anderen Beitrag geschrieben, auf den du sehr stolz bist? Dann her damit! Deine Ausarbeitung kannst du gerne hier an die Redaktion schicken. Unsere eifrigen Redakteurinnen und Redakteure kümmern sich um alles Weitere. Beitrag einreichen! über 10.000 gedruckte Ausgaben Spenden / Sponsoring Dir gefällt unsere Arbeit und du möchtest einen Teil dazu beitragen, dass wir weiterhin jungen Studierenden die Hanover Law Review kostenlos zur Verfügung stellen können? Dann freuen wir uns über eine kleine Spende. Hier findest du die Infos dazu. Sie haben als Unternehmen Interesse an einem Sponsoring mit unserer Zeitschrift? Dann finden Sie alle weiteren Infos hier. Zur Spendenseite Zum Sponsoring Alles ehrenamtlich!
- Entscheidung der Woche 28-2023 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 28-2023 (ZR) Simon Weber Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH III ZR 204/21 in: DAR 2023, 206 A. Orientierungs - oder Leitsätze (Auszug) Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren. Auf ersichtlich nicht abschließende Hinweise des Flughafenbetreibers auf dessen Internetseite darf er sich nicht verlassen. B. Sachverhalt (gekürzt) Der Kl. nimmt die Bekl. im Zusammenhang mit einem verpassten Flug auf Schadensersatz in Anspruch. Die Bekl. ist die Betreiberin des Flughafens D., der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Bekl. wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen. Der Kl. hatte für sich und die minderjährigen Kinder am 9.10.2019 einen Flug gebucht. Die Familie verpasste den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte. Der Kl. hat geltend gemacht, er sei zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Auf seine Frage, wo er sich anstellen müsse, habe er von einem Mitarbeiter die Auskunft erhalten, er könne die elektronischen Durchgänge nicht nutzen, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort kam es zu technischen Verzögerungen. Obwohl er eine weitere Mitarbeiterin der Bekl. auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden. Das AG hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Im Falle eines ordnungsgemäßen Hinweises auf der Website hätte er nicht auf einen schnelleren Durchgang vertraut, sondern sich direkt an der Warteschlange vor den mit Beamten besetzten Schaltern angestellt. Das LG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher dieser seinen Klageantrag weiterverfolgt. Die zulässige Revision war unbegründet. C. Anmerkungen Das AG habe einen Schadensersatzanspruch des Kl. zu Recht verneint. Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Es könne offenbleiben, ob zwischen der Bekl. und der den Flug durchführenden Fluggesellschaft ein Bodenabfertigungsvertrag mit Fluggastabfertigung bestanden habe und der Kl. in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen worden sei. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, sei nicht ersichtlich, dass die Bekl. eine auch dem Kl. gegenüber bestehende Pflicht aus einem etwaigen Bodenabfertigungsvertrag verletzt habe. Dessen Gegenstand sei hier vielmehr gar nicht berührt. Im hier allein betroffenen Sicherheitsbereich habe die Verantwortlichkeit der Bekl. als Flughafenbetreiberin geendet und die ausschließliche Verantwortlichkeit der Bundespolizei beziehungsweise der von ihr beauftragten Beliehenen begonnen. Am Flughafen D. habe die Bundespolizei die Sicherheitskontrollen auf eine Sicherheitsfirma als Beliehene übertragen. Die nachfolgende Passkontrolle führe sie mit eigenen Beamten durch. Die Bekl. könne weder die Öffnung zusätzlicher Gepäck- und Passkontrollstellen veranlassen, noch einzelnen Passagieren eine bevorzugte und beschleunigte Kontrolle ermöglichen. Im Bezug auf das Nichthinweisen auf das Mindestalter sei eine Pflichtverletzung der Bekl. nicht erkennbar. Bei EasyPASS handele es sich um ein von der Bundespolizei hoheitlich betriebenes automatisiertes Grenzkontrollsystem. Auf Grund der Information der Bekl. über die Möglichkeit einer solchen automatisierten Grenzkontrolle habe sich der Kl. nicht darauf verlassen dürfen, diese vereinfachte und zügigere Art der Grenzkontrolle in jedem Fall durchlaufen zu können. Vielmehr hätte er sich zuvor selbst über die Modalitäten der Nutzung informieren müssen. Zudem sei sein Vortrag, welche Maßnahmen er im Fall eines entsprechenden Hinweises auf der Website der Bekl. ergriffen hätte, unsubstantiiert. D. In der Prüfung Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. VSD I. Schuldverhältnis II. Pflichtverletzung (P) III. Vertretenmüssen IV. Schaden V. Rechtsfolge E. Literaturhinweise Schäfer, Der wartende Passagier – Ansprüche bei Mängeln und Verzögerungen der Luftsicherheitskontrollen, NJW 2019, 3029; bzgl. der Zuständigkeit siehe Kommentierung zu §§ 2, 4 BPolG sowie §§ 5 Abs. 1 S. 1 u. 2, 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG. Entscheidung-der-Woche-28-2023 .pdf PDF herunterladen • 111KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 06-2021 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 06-2021 (ZR) Robin Dudda Die vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung ist nicht bereits dann gewahrt, wenn der Verkäufer innerhalb der Frist die Leistungshandlung erbracht hat; vielmehr muss auch der Leistungserfolg eingetreten sein. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VIII ZR 351/19 in: BeckRS 2020, 25907 JA 2021, 162 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Die vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung ist nicht bereits dann gewahrt, wenn der Verkäufer innerhalb der Frist die Leistungshandlung erbracht hat; vielmehr muss auch der Leistungserfolg eingetreten sein. Die Frist ist allerdings so zu bemessen, dass der Verkäufer bei ordnungsgemäßem Vorgehen vor Fristablauf voraussichtlich nicht nur die Leistungshandlung vornehmen, sondern auch den Leistungserfolg herbeiführen kann. 2. Hat der Käufer eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt, die erfolglos abgelaufen ist, so ist er grundsätzlich nicht gehalten, dem Verkäufer eine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung einzuräumen, bevor er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Ein zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung ist nur dann Rücktrittvoraussetzung, wenn der Käufer sein Nachbesserungsverlangen nicht mit einer Fristsetzung verbunden hat. B. Sachverhalt Am 12.9.2017 kaufte K bei B einen Neuwagen für 18.750 Euro. K erkannte am 14.5.2018 Lackierungsmängel an dem Fahrzeug und forderte B unter einer Fristsetzung bis zum 30.5.2018 zur Nachbesserung auf. B bot dem K am 28.5.2018 an, einen Vertragshändler seiner Wahl des entsprechenden Fahrzeugs aufzusuchen, um den Mangel zu beheben. Am 3.7.2018 gab K das Fahrzeug an einen Vertragshändler zur Untersuchung. Die Nachbesserung wurde für die Zeit zwischen dem 14. und 21.8.2018 festgelegt. Wenige Tage nach der Abholung des Fahrzeugs beanstandet K, die Mängel seien nicht fachgerecht beseitigt worden. Daher stellte er das Kfz erneut dem Vertragshändler vor und vereinbarte einen weiteren Termin für die Nachbesserung. Diesen Termin nahm K hingegen nicht mehr wahr. Vielmehr erklärte er am 24.9.2018 seinen Rücktritt. Ist K wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten? C. Anmerkungen Ein wirksamer Rücktritt könnte sich aus § 437 Nr. 2 i.V.m. §§ 323 Abs. 1, 440 BGB ergeben. Dafür ist grundsätzlich gem. § 323 Abs. 1 BGB ein erfolgloser Fristablauf erforderlich. Auf die Fristsetzung zum 30.5.2018 des K an B zur Beseitigung des Lackierungsmangels, bot B dem K am 28.5.2018 an, diesen Mangel bei einem Vertragshändler zu beheben. Fraglich ist, ob vor Fristablauf der Leistungserfolg eingetreten sein muss oder ob es genügt, wenn der Verkäufer die Leistungshandlung innerhalb der Frist vornimmt. Der BGH hat aufgrund des Sinn und Zwecks des Fristerfordernisses klargestellt, dass vor Fristablauf bereits der Leistungserfolg eintreten muss. Mithin genügt die rechtzeitige Vornahme der Handlung nicht. Sinn und Zweck der Fristsetzung ist es, dem Verkäufer ein Recht zur zweiten Andienung zu gewähren, um sich so vor einer Rückabwicklung des Kaufvertrags zu wehren. Im Rahmen dieser zweiten Andienung soll allerdings der Käufer das bekommen, was ihm aus dem Vertrag zusteht. Das ist der Leistungserfolg. Der Verkäufer wird geschützt, indem die angemessene Fristsetzung verlangt, dass der Nachbesserungserfolg innerhalb dieser Zeit eintreten kann. Trotz des erfolgslosen Ablaufs der Frist, ist K der Rücktritt zunächst verwehrt. Indem er das Fahrzeug nach Fristablauf dem Vertragshändler gab, hat er sich freiwillig darauf eingelassen, dass die Nacherfüllung später erfolgt. Eine Berufung auf dem Fristablauf am 30.5.2018 stellt somit ein widersprüchliches Verhalten und somit einen Verstoß gegen § 242 BGB dar. Schließlich ist die Frage zu beantworten, wie sich die Tatsache auswirkt, dass in der Zeit der Nacherfüllung vom 14. bis zum 21.8.2018 keine Beseitigung des Mangels erfolgt ist. Das könnte zum nach § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen erfolglosen Fristablauf geführt haben. Das Berufsgericht hatte insoweit angenommen, ,,erfolglos“ i.S.d. § 323 Abs. 1 BGB sei im Kaufrecht im gleichen Sinne zu verstehen wie ,,fehlgeschlagen“ iSd § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB. Mithin sei für einen erfolglosen Fristablauf eine zweimalig fehlgeschlagene Nachbesserung erforderlich. Dem hat sich der BGH aus systematischen Gründen entgegengestellt. Das Gesetz differenziert klar zwischen dem grundsätzlichen Fristsetzungserfordernis in den §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB und den Ausnahmefällen in §§ 323 Abs. 2, 281 Abs. 2, 440 S. 1 BGB. Die Ausnahme des § 440 S. 1 Alt. 2, S. 2 BGB kann folglich nicht zu einer allgemeingültigen Wertung erklärt werden. Zudem wäre es widersprüchlich, wenn der Gedanke des § 440BGB, der dem Käufer den Rücktritt erleichtern soll, i.R.d. § 323 Abs. 1 BGB das Gegenteil bewirkt, indem er eine ,,dritte Andienung“ fordert und dem Käufer somit den Rücktritt erschwert. Ob der Rücktritt aufgrund der erneuten Vorstellung des Pkw beim Vertragshändler gem. § 242 BGB ausgeschlossen ist, konnte in Ermangelung entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beantwortet werden. D. In der Prüfung § 437 Nr. 2 iVm §§ 323 I, 440 BGB 1. Kaufvertrag und Sachmangel bei Gefahrübergang 2. Erfolgloser Fristablauf (P) E. Zur Vertiefung Skamel, Die angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung, JuS 2010, 671 ff. Entscheidung-der-Woche-06-2021 .pdf PDF herunterladen • 2.16MB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 19-2021 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 19-2021 (SR) Adam Hetka Von einer beleidigungsfreien Sphäre ist dann auszugehen, wenn die Äußerung gegenüber einer Vertrauensperson in einer gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmten Sphäre getätigt wird. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: KG, Beschl. v. 14.07.2020 – (4) 161 Ss 33/20 (43/20) in: BeckRS 2020, 18245 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Von einer beleidigungsfreien Sphäre ist dann auszugehen, wenn die Äußerung gegenüber einer Vertrauensperson in einer gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmten Sphäre getätigt wird. 2. Der Kreis der Vertrauenspersonen bezieht sich nicht ausschließlich auf Familienmitglieder, sondern erstreckt sich darüber hinaus auch auf ähnlich enge Vertrauensverhältnisse. Dabei muss die Vertraulichkeit nach den konkreten Einzelfallumständen tatsächlich gewährleistet erscheinen. B. Sachverhalt Die Polizeianwärter A und B verlassen nach Dienstschluss das Gebäude der Polizeiakademie durch das Treppenhaus. Hier halten sich noch weitere Personen auf, darunter Polizeianwärterinnen C und D. Als A und B diese betrachten und durch Nicken und Zeigen auf C hinweisen, sagt A zu B: „Der würd‘ ich geben, der Kahba“. Das arabische Wort „Kahba“ bedeutet „Schlampe“ oder „Prostituierte“ und wird vor allem in der deutschen Rap-Szene immer häufiger gebraucht. Bei verständiger Würdigung dieser Vulgärsprache ist die Aussage des A so zu verstehen, dass er gerne mit C Geschlechtsverkehr haben wollen würde. Hat sich A wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das KG hat die Strafbarkeit des A wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB bestätigt. Zweifellos habe A mit dem Wort „Kahba“ gerade seine Missachtung gegenüber C auszudrücken wollen. Vor allem aber seien die Voraussetzungen für eine sog. beleidigungsfreie Sphäre nicht erfüllt. Für eine solche müsse es sich nämlich zunächst um eine Äußerung gegenüber einer Vertrauensperson handeln, die außerdem in eine Sphäre falle, welche „gegen Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist“. Zwar beschränke sich der Kreis möglicher Vertrauenspersonen nicht nur auf Familienmitglieder, sondern erstrecke sich auch auf „ähnlich enge Vertrauensverhältnisse“, wobei zu der jeweiligen Person eine besonders ausgestaltete Vertrauensbeziehung bestehen müsse. Dabei sei zu fordern, dass die Vertraulichkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls tatsächlich gewährleistet erscheint. So könne sich der Äußernde insbesondere umschauen und sich dadurch versichern, dass keine Person vor Ort anwesend ist und eine gegen Wahrnehmung durch Dritte abgeschirmte Sphäre besteht. Auch habe er die Möglichkeit – etwa durch Flüstern – eine solche Sphäre selbst zu schaffen. Ob zwischen A und B eine derart vertrauensvolle Beziehung bestand, ließ das KG offen, da dies aufgrund der unzureichenden Feststellungen im Ausgangsurteil des AG Tiergarten nicht abschließend beurteilt werden konnte. Jedenfalls hätte A aber im Zeitpunkt seiner Äußerung im Treppenhaus nach Dienstschluss mit einer Kenntnisnahme durch Außenstehende rechnen müssen. So sei in einem jedermann zugänglichen Treppenhaus zu solch einer Zeit mit Mitschülern und anderen Personen zu rechnen gewesen. Auch habe A keine besonderen Maßnahmen ergriffen, um einen vor Wahrnehmung Dritter geschützten Raum zu schaffen. Er habe sich vor seiner Verlautbarung weder umgeschaut, um sich zu versichern, dass er sich außer Hörweite von Dritten befindet, noch habe er etwa im Flüsterton gesprochen und damit eine gegen Wahrnehmung durch Dritte abgeschirmte Sphäre selbst geschaffen. D. In der Prüfung Strafbarkeit des A gem. § 185 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Beleidigungsfähiges Tatobjekt b. Tathandlung aa. Tatsachenbehauptung oder Werturteil bb. Kundgabe (P) Vorliegen einer beleidigungsfreien Sphäre 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit und Schuld III. Strafantrag, § 194 StGB E. Zur Vertiefung Zu den Beleidigungsdelikten: Rengier, Strafrecht BT II, 22. Aufl., München 2021, § 28f. Entscheidung-der-Woche-19-2021 .pdf PDF herunterladen • 142KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 42-2022 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 42-2022 (SR) Clara Kittelmann Löst ein Nichtberechtigter mit einer ec-Karte kontaktlos einen elektronischen Zahlungsvorgang aus und fragt das kartenemittierende Kreditinstitut im Zuge der Abwicklung des Zahlungsvorgangs im „Point-of-sale-Verfahren“ die zu der Karte gehörende Geheimnummer (PIN) nicht ab... Aktenzeichen & Fundstelle Az: OLG Hamm 4 RVs 12/20 in: NStZ 2020, 673 WM 2020, 1674 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Löst ein Nichtberechtigter mit einer ec-Karte kontaktlos einen elektronischen Zahlungsvorgang aus und fragt das kartenemittierende Kreditinstitut im Zuge der Abwicklung des Zahlungsvorgangs im „Point-of-sale-Verfahren“ die zu der Karte gehörende Geheimnummer (PIN) nicht ab, verwirklicht dieses Verhalten mangels Täuschung nicht den Betrugstatbestand gemäß § 263 Abs. 1 StGB. 2. Ein solches Verhalten verwirklicht auch nicht die Tatbestände des Computerbetruges gemäß § 263a Abs. 1 StGB und der Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 StGB. 3. Ein solches Verhalten kann aber als Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie nachrangig als Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB strafbar sein. B. Sachverhalt Am 15.12.2018 verlor der Zeuge A seine Brieftasche, in der sich unter anderem zwei ec-Karten befanden. Der Angeklagte gelangte noch an dem selben Tag in den Besitz dieser Brieftasche und tätigte mit einer der ec-Karten vier Einkäufe, indem er die Karte auf das Kartenlesegerät zur Bezahlung auflegte. Dabei handelte der Angeklagte in dem Wissen, dass ihm die Karte nicht gehörte und er zu ihrer Nutzung nicht berechtigt war. Da die Rechnungsbeträge jedes Einkaufs unter 25,00 Euro lagen, war zum Auslösen des Zahlungsvorgangs die Eingabe der PIN nicht erforderlich, was dem Angeklagten bekannt war und von diesem bewusst ausgenutzt wurde. Die gekauften Waren beabsichtigte er teilweise selbst zu behalten, teilweise an seine Bekannte, von welcher er zuvor die besagte Brieftasche erhalten hatte, weiter zu geben. C. Anmerkungen Das OLG Hamm überraschte in dieser Entscheidung mit einer von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden strafrechtlichen Einordnung des ec-Karten-Missbrauchs im kontaktlosen Zahlungsverkehr ohne PIN-Abfrage. Das Gericht kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Angeklagten nicht zu einer Strafbarkeit wegen Betruges oder Computerbetruges führt. Angesichts dessen, dass sich kaum ein Täter über die zivilrechtlichen Hintergründe des Bezahlvorgangs bewusst sein wird, fehle es für die Verwirklichung des Betrugstatbestandes bereits an einer Täuschung über Tatsachen. Selbst wenn man von einer konkludenten Täuschung über die Berechtigung zur Verwendung der ec-Karte ausginge, führe dies jedenfalls nicht zur Erregung eines Irrtums. Dies legt das Gericht unter Heranziehung der Modalitäten der Zahlungsabwicklung in Fällen wie dem vorliegenden dar. Auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 ZAG sind die kartenausgebenden Institute dazu übergegangen, bei kontaktlos ausgelösten Transaktionen auf die in der Regel erforderliche „starke Kundenauthentifizierung“ mittels Abfrage der PIN zu verzichten, sofern der Rechnungsbetrag unter 25,00 Euro liegt. Wird die Zahlung durch die Bank autorisiert, erlangt der Händler gegen diese unmittelbar eine einredefreie Forderung in Höhe des autorisierten Betrages, welche lediglich bei positiver Kenntnis über die Nichtberechtigung zur Kartenverwendung entfällt. Da für den Händler mithin nicht nur keine Pflicht, sondern erst recht kein Anreiz besteht, sich über die Berechtigung des Kunden Gedanken zu machen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei dem Kassenpersonal auch nur im Wege eines sachgedanklichen Mitbewusstseins ein Irrtum erregt worden wäre. Dadurch scheide eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB aus. Ebenfalls verwirkliche das Verhalten des Angeklagten nicht den Straftatbestand des Computerbetruges gem. § 263a StGB. Die für das OLG einzig in Betracht kommende dritte Tatvariante scheitere daran, dass die Datenverwendung nicht unbefugt i.S.d. § 263a Abs. 1 StGB sei. Um sicherzustellen, dass sich § 263a StGB auf seine Rolle beschränkt, die Strafbarkeitslücken zu schließen, die durch die Digitalisierung von Geschäftsabläufen entstehen, müsse das Merkmal „unbefugt“ betrugsäquivalent ausgelegt werden. Konkret bedeute dies, dass die Verwendung von Daten nur dann „unbefugt“ ist, sofern sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte. Zudem müsse man auf eine Person abstellen, die sich lediglich mit denjenigen Fragen befasst, die auch der Computer prüft. Da der allenfalls täuschungsfähige Umstand, die fehlende Berechtigung zur Kartenverwendung, mangels PIN-Abfrage aber gerade nicht vom Datenverarbeitungssystem überprüft wird, fehle es an der erforderlichen Betrugsähnlichkeit. Während weitere Tatbestände des Computerstrafrechts ebenfalls nicht erfüllt seien, hält das OLG Hamm neben § 274 Abs. 1 StGB lediglich § 303a StGB für verwirklicht, der allerdings im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktrete. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Täuschung über Tatsachen b. Irrtum c. Vermögensverfügung d. Vermögensschaden 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit und Schuld E. Literaturhinweise Heghmanns, Michael, Entscheidungsanmerkung ZJS 2020, 494-498. Entscheidung-der-Woche-42-2022 .pdf PDF herunterladen • 199KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 41-2022 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 41-2022 (ZR) Anika Brämer Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs mit Arbeitsfunktion nach § 7 Abs. 1 StVG Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VI ZR 726/20 in: RÜ 12/2021, 770 NJW 2022, 624 MDR 2022, 27 NZV 2022, 389 (Anmerkung Pletter) JA 2022, 251 (Entscheidungsbesprechung Schrader) A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs mit Arbeitsfunktion nach § 7 Abs. 1 StVG (Schadensverursachung durch einen von einem Traktor angetriebenen Kreiselmäher beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche; Anschluss an Senatsurteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, VersR 2015, 638). 2. Wird eine Person durch einen von einem Traktor angetriebenen Kreiselmäher beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche durch einen hochgeschleuderten Stein verletzt, ist eine Haftung des Traktorhalters nach § 7 Abs. 1 StVG zu verneinen, weil das Risiko, das sich in diesem Fall verwirklicht hat, nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG fällt. B. Sachverhalt B mähte mit seinem Traktor mit Kreiselmäher eine als Weideland genutzte Fläche. K hielt sich auf einem angrenzenden Grundstück in ca. 50 m Entfernung auf. Er wurde durch einen Stein am rechten Auge getroffen und schwer verletzt. Dieser war durch den Kreiselmäher bei den Mäharbeiten in seine Richtung geschleudert worden. K begehrt aufgrund dessen Schadensersatz von der Kfz-Haftpflichtversicherung des B. C. Anmerkungen Der BGH knüpft mit dieser Entscheidung an seine Rechtsprechung zur Realisierung der Betriebsgefahr bei Fahrzeugen mit Arbeitsfunktion an. Das Merkmal „bei dem Betrieb des Kfz“ ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls und des Schutzzwecks der Norm im Allgemeinen weit auszulegen. Es kommt darauf an, ob der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht. Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion ist erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund steht, was der BGH im vorliegenden Fall annahm, da das Unfallgeschehen lediglich dem Bestellen der landwirtschaftlichen Fläche diente und sich nicht auf einer öffentlichen oder privaten Verkehrsfläche ereignete. Ein Zusammenhang kann jedoch zu bejahen sein, wenn die Maschine gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (vgl. BGH VI ZR 115/04: Hochschleudern eines Steins durch ein auf dem Seitenstreifen entlangfahrendes Mähfahrzeug). Für die Abgrenzung ist auch von Bedeutung, ob der Einsatz auf oder nahe von Straßenverkehrsflächen stattfand. Man sieht, dass die Feststellung des Zurechnungszusammenhangs in den Fällen des § 7 StVG nicht einfach ist. Es müssen alle Umstände des Einzelfalles einbezogen und nach dem Schutzzweck der Norm abgewogen werden. Gerade deshalb ist die Problematik nicht nur Gegenstand zahlreicher Urteile, sondern auch ein beliebtes Thema in Examensklausuren, so dass es nicht schaden kann, sich möglichst viele der Konstellationen anzusehen, um ein Gefühl für die Einordnung zu bekommen. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht könnte man mit guter Begründung auch annehmen. Das Berufungsgericht hatte dies aufgrund des 50 m Abstandes abgelehnt, was vom BGH nicht beanstandet wurde. D. In der Prüfung I. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm § 7 Abs. 1 StVG 1. Körper- und Gesundheitsverletzung 2. Bei dem Betrieb des Kfz a. Äquivalenz b. Realisierung der typischen Betriebsgefahr (P) aa. maschinentechnische Auffassung bb. verkehrstechnische Auffassung cc. fehlender Zurechnungszusammenhang (P) II. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm § 18 Abs. 1 StVG III. § 115 Abs.1 S.1 Nr.1 VVG iVm § 823 Abs.1 BGB 1. Körper- und Gesundheitsverletzung 2. Verhalten des B a. Unterlassen b. allgemeine Verkehrssicherungspflicht E. Literaturhinweise Witt, Halterhaftung bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion, NJW 2022, 579; Näher zu Verkehrs(sicherungs)pflichten s. MüKoBGB/Wagner, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 433ff. Entscheidung-der-Woche-41-2022 .pdf PDF herunterladen • 124KB Zurück Nächste












