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- Entscheidung der Woche 21-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 21-2020 (SR) Adam Hetka Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 1 StR 150/19 in: NStZ 2019, 518 StV 2020, 93 A. Orientierungs- oder Leitsatz Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. So ist allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und daher von diesem hinzunehmen ist, nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen. B. Sachverhalt Aufgrund seines täglichen Alkoholkonsums gerät A mit seiner Ehefrau B in ein Streitgespräch, woraufhin sich B von A trennt und ihn auffordert, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Als sie am nächsten Morgen das Haus verlässt, um zur Arbeit zu gehen, folgt A ihr mit einem Messer in der Jackentasche in dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. B beharrt jedoch auf ihrem Beschluss und wendet sich von A ab. Daraufhin sticht ihr A mit Tötungsabsicht von hinten vier Mal in den Rücken, woraufhin B zu Boden fällt und versucht, sich gegen weitere Angriffe des B zu verteidigen. Dieser setzt sich auf die auf dem Rücken liegende B und sticht weiter mehrmals auf ihren Brustbereich ein. Als sich B nicht mehr bewegt, lässt A von ihr ab. B verstirbt infolge der Blutungen. Hat sich A wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar gemacht? C. Anmerkungen Der Auffassung des LG München I, wonach ein Mord anzunehmen sei, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke, § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB, und der niedrigen Beweggründe, § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB, vorlägen, stimmte der BGH nur teilweise zu. Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei, anders als vom LG angenommen, die Enttäuschung des A nicht ausreichend, um einen niedrigen Beweggrund nach § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB anzunehmen. Die Motivgeneralklausel sei restriktiv auszulegen, was zur Folge habe, dass nicht jede Tötung ohne einen „vernünftigen Grund“ als niedriger Beweggrund zu qualifizieren sei. So hat der BGH zur Tötung des trennungswilligen Intimpartners zunächst festgehalten, dass sich die Trennung des Ehepartners aufgrund des Vorverhaltens des Täters als „völlig normaler Prozess“ darstellt. Aus diesem Grund sei die Trennung von diesem hinzunehmen. Dies führe allerdings nicht zu-gleich auch dazu, dass die Tötung der B, welche wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung ohnehin verwerflich sei, als völlig unbegreiflich erscheine. Daher seien die vom LG München I getroffenen Feststellungen zur Annahme sonst niedriger Beweggründe nicht ausreichend. Außerdem dürfe nach Auffas-sung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tötung eines anderen Menschen b) Tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe) c) Kausalität d) Objektive Zurechnung 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz b) Täterbezogene Mordmerkmale: Sonstige niedrige Beweggründe E. Zur Vertiefung Allgemein zum Mord: Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 21. Aufl. 2020, § 4; vgl. zu der vorliegenden Entscheidung auch die Besprechung von Ladiges, RÜ 2019, 510. Entscheidung-der-Woche-21-2020 .pdf PDF herunterladen • 93KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 18-2024 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 18-2024 (ZR) Marie-Christin Runkel Erhält der Vermieter den Besitz an dem Mietobjekt durch den Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten zurück und behält der Vermieter die Schlüssel, dann beginnt die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB mit Kenntnis des Vermieters von dem Schlüsseleinwurf auch dann zu laufen, wenn das Mietverhältnis noch nicht beendet und der Vermieter nicht rücknahmebereit ist. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: OLG Hamm I-30 U 195/22 Fundstelle: MDR 2023, 1444; jurisPR-MietR 23/2023 A. Orientierungs - oder Leitsatz Erhält der Vermieter den Besitz an dem Mietobjekt durch den Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten zurück und behält der Vermieter die Schlüssel, dann beginnt die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB mit Kenntnis des Vermieters von dem Schlüsseleinwurf auch dann zu laufen, wenn das Mietverhältnis noch nicht beendet und der Vermieter nicht rücknahmebereit ist. B. Sachverhalt Zwischen den Parteien bestand ein gewerbliches Mietverhältnis, aus dem der Vermieter die beklagte Mieterin auf Zahlung von rückständiger Miete sowie Schadensersatz für die Instandsetzung der Mietsache in Anspruch nahm. Der Mietvertrag wurde über den Zeitraum von einem Jahr geschlossen und verlängerte sich am maßgeblichen Tag, dem 05.06.2021, um ein weiteres Jahr, sofern nicht drei Monate vor Jahresablauf die Kündigung erklärt würde. Die monatliche Miete betrug 2.964,37 Euro. Am 10.03.2020 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis zum 17.06.2020 als "nächstmöglichen" Zeitpunkt. Dagegen wandte der Vermieter ein, das Mietverhältnis sei erst zum 04.06.2021 ordentlich kündbar. Die Mieterin nutze die Gewerberäume noch bis zum 31.12.2020 und warf am selben Tag die Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters ein. Am 07.01.2021 widersprach der Vermieter der Rückgabe schriftlich, behielt die Schlüssel jedoch. Weiterhin befand sich die Mietsache nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand und der Vermieter machte am 09.06.2021 Instandsetzungskosten von über 32.000 Euro geltend. Bezüglich dieses Anspruchs berief sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung. C. Anmerkungen Die Beklagte wurde zur Zahlung der ausstehenden Miete durch das Landgericht verurteilt. Im Rahmen der Berufung vor dem OLG Hamm hatte der Kläger jedoch keinen Erfolg, die Schadensersatzansprüche seien verjährt und die Beklagte habe die Leistung zurecht gemäß § 214 BGB verweigert. Maßgeblich für diese Entscheidung ist die Frage, ob die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB Anwendung findet. Aus § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass die Frist mit dem Rückerhalt der Mietsache an den Vermieter beginnt. Anders als in § 546 BGB ist nicht zwingend die Rückgabe der Mietsache gemeint, denn der Rückerhalt setze eine Besitzveränderung zugunsten des Vermieters voraus, die es ihm ermöglicht, die Mietsache auf Mängel zu prüfen. Nicht erforderlich sei aber die Beendigung des Mietverhältnisses.Indem die Mieterin die Räume geräumt und den Zugangsschlüssel in den Briefkasten des Vermieters warf, gab sie sämtlichen Besitz daran auf. Dem Rückerhalt der Mietsache könnte dann der fehlende Besitzbegründungswille des Vermieters entgegen stehen. Es ist durchaus umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Verjährungsfrist in derartigen Fällen zu laufen beginnt. Teilweise wird auf die Regelungen den Annahmeverzug betreffend abgestellt und für den Verjährungsbeginn das Angebot der Rückgabe als Voraussetzung angesehen. Auch wird vertreten, die tatsächliche Besitzaufgabe des Mieters allein sei entscheidend oder es wird auf die Möglichkeit des Vermieters abgestellt, die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache auszuüben. In der vorliegenden Entscheidung hatte das Gericht diese Frage nicht abschließend zu klären, denn mit der Besitzaufgabe durch die Beklagte und der Möglichkeit der unmittelbaren Besitzausübung des Klägers mittels Schlüssels, ist ein die Verjährungsfrist auslösender Rückerhalt der Mietsache gegeben. Zwar hat der BGH in einem anderen Fall entscheiden, dass ein Vermieter ein Mietobjekt nicht auf Zuruf zurücknehmen müsse und den Besitz auch nicht dadurch erhalte, dass die Schlüssel in den Briefkasten des Mietobjekts eingeworfen würden (BGH VIII ZR 8/11). Der wesentliche Unterschied besteht hier jedoch darin, dass dem Vermieter der Schlüssel in den eigenen Briefkasten geworfen wurde und er so den unmittelbaren Zugriff auf die Mietsache erhielt. Es blieb festzustellen, dass die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB am 07.01.2021 zu laufen begann und bei Geltendmachung des Anspruchs durch den Vermieter am 09.06.2021 bereits abgelaufen war. D. In der Prüfung §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB I. Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach II. Durchsetzbarkeit (P) Verjährung gem. § 214 BGB 1. Beginn gem. § 548 Abs. 1 BGB 2. Ablauf der Frist 3. Erhebung der Einrede III. Ergebnis E. Literaturhinweise BGH NJW 2012, 144; Bieber in MüKO BGB, § 548 Rn. 14 ff. Entscheidung der Woche 18-2024 .pdf PDF herunterladen • 205KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 01-2022 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 01-2022 (ÖR) Anna Ordina Aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich für den Staat das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung wegen Behinderung und ein Auftrag, Menschen wirksam vor Benachteiligung wegen ihrer Behinderung auch durch Dritte zu schützen. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG – 1 BvR 1541/20 – A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ergibt sich für den Staat das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung wegen Behinderung und ein Auftrag, Menschen wirksam vor Benachteiligung wegen ihrer Behinderung auch durch Dritte zu schützen. 2. Der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG kann sich in bestimmten Konstellationen ausgeprägter Schutzbedürftigkeit zu einer konkreten Schutzpflicht verdichten. Dazu gehören die gezielte, als Angriff auf die Menschenwürde zu wertende Ausgrenzung von Personen wegen einer Behinderung, eine mit der Benachteiligung wegen Behinderung einhergehende Gefahr für hochrangige grundrechtlich geschützte Rechtsgüter wie das Leben oder auch Situationen struktureller Ungleichheit. Der Schutzauftrag verdichtet sich hier, weil das Risiko der Benachteiligung einer Behinderung bei der Zuteilung knapper, überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen besteht. 3. Dem Gesetzgeber steht auch bei der Erfüllung einer konkreten Schutzpflicht aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ein Einschätzung-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Entscheidend ist, dass er hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bewirkt. B. Sachverhalt Menschen mit bestimmten Beeinträchtigungen und Vorerkrankungen sind in der Coronavirus-Pandemie spezifisch gefährdet. Sie unterliegen in Einrichtungen und bei täglicher Unterstützung durch mehrere Dritte einem hohen Infektionsrisiko und tragen ein höheres Risiko, schwerer zu erkranken. Um in der Pandemie auftretende Knappheitssituationen in der Intensivmedizin und damit eine Triage von vornherein zu verhindern, wurden zahlreiche Verordnungen und Gesetze in Kraft gesetzt und geändert. Gesetzliche Vorgaben für die Entscheidung über die Zuteilung nicht für alle ausreichender intensivmedizinischer Kapazitäten gibt es bislang aber nicht. Weithin finden standardisierte Entscheidungshilfen Anwendung. Die Beschwerdeführenden rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde, dass der Gesetzgeber das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und auch die Anforderungen aus Art. 25 der UN-Behindertenrechtskonvention verletze. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehren die Beschwerdeführenden den Schutz vor Benachteiligung von Menschen mit einer Behinderung bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen. C. Anmerkungen Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichtsgerichts hat entschieden, dass der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verletzt habe, indem er es unterlassen habe, Vorkehrungen zum Schutze von Menschen mit Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehenden intensivmedizinischer Behandlungsressourcen zu treffen und dabei seinen Schutzauftrag nicht erfüllt habe. Bei einer pandemiebedingten Triage stünden die Ärzte vor einer extremen Entscheidungssituation, bei der es besonders fordernd sein kann, Menschen mit einer Behinderung diskriminierungsfrei zu berücksichtigen. Hierfür muss sichergestellt werden, dass allein nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit entschieden wird. Die bisherigen Regelungen gebieten keinen ausreichenden Schutz, da sie entweder nur das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG wiederholen oder sich darauf beschränken, dass besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen sei. Dies genüge nicht zur Erfüllung der aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG resultierenden staatlichen Handlungspflicht. Bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten stehe dem Gesetzgeber ein Einschätzung-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dabei soll er berücksichtigen, dass die für die Behandlung zur Verfügung stehenden begrenzten personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitswesens nicht zusätzlich in einer Weise belastet werden, dass der angestrebte Zweck, Leben und Gesundheit von Patientinnen und Patienten mit Behinderungen wirkungsvoll zu schützen, in sein Gegenteil verkehrt würde. Der Gesetzgeber hat innerhalb diesen Rahmens selbst zu entscheiden, ob er Vorgaben zu den Kriterien von Verteilungsentscheidungen macht. Dabei kann er auch Vorgaben zum Verfahren machen, wie zum Beispiel ein Mehraugen-Prinzip bei Auswahlentscheidungen oder für die Dokumentation. Ebenso besteht die Möglichkeit spezifische Vorgaben für die Aus- und Weiterbildung des Personals zu tätigen, um auf die Vermeidung von Benachteiligungen wegen Behinderung in einer Triage-Situation hinzuwirken. Die Entscheidung über die zweckdienlichen Maßnahmen trifft der Gesetzgeber. D. In der Prüfung Diskriminerungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG I. Vergleichspaar II. Ungleichbehandlung III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Sachlicher Grund 2. Verhältnismäßigkeit E. Zur Vertiefung Schlegel/Meßling/Bockholdt, Covid-19 -Corona-Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, §9 IX. Entscheidung-der-Woche-01-2022 .pdf PDF herunterladen • 75KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 45-2024 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 45-2024 (ZR) Niklas Hüneburg Die Übersendung einer Gratisbeigabe stellt auch in Bezug auf das noch nicht versandte Hauptprodukt eine Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrages dar, wenn zwischen dem Erwerb des Hauptproduktes und der Übersendung der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18.04.2024 - 9 U 11/23 Fundstelle: NJW-RR 2024, 1306 A. Orientierungs - oder Leitsätze Die Übersendung einer Gratisbeigabe stellt auch in Bezug auf das noch nicht versandte Hauptprodukt eine Annahme des Antrags auf Abschluss eines Kaufvertrages dar, wenn zwischen dem Erwerb des Hauptproduktes und der Übersendung der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang dergestalt besteht, dass die kostenlose Übersendung der Gratisbeigabe das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Hauptprodukt voraussetzt. B. Sachverhalt Der beklagte Online-Elektronikhändler bot in seinem Shop aktuelle Smartphones, die eine UVP von 1.099 € besaßen, versehentlich für 92 € an. Darüber hinaus enthielten im Rahmen einer Sonderaktion einige Bestellungen als Gratisbeilage Kopfhörer im Wert von etwa 100 €. Die AGB des Großhändlers legten fest, dass ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über den Button „jetzt kaufen“ abgegeben werde. Ein Vertrag käme aber erst dann zustande, wenn der Artikel versandt und dies dem Kunden auch bestätigt wurde. Der spätere Kläger bestellte neun Smartphones und vier Kopfhörer. Den Kaufpreis, der in den Bestellbestätigungen angegeben wurde, beglich er sofort. Zwei Tage später erfolgte der Versand der kostenlosen Kopfhörer und dieser wurde auch entsprechend bestätigt. Bereits am Tag der Bestellung erkannte der Händler seinen Fehler bei der Preisangabe und korrigierte den Preis auf 928 €. Gleichwohl erklärte er erst zwei Wochen später die Bestellungen als storniert, wobei er auf den gravierenden Preisfehler hinwies. Ferner wurde der Kunde darum gebeten, die erhaltenen Kopfhörer zu retournieren. Nun verlangt der Kläger vom Beklagten die Übergabe und Übereignung der bestellten neun Smartphones und vier Kopfhörer. C. Anmerkungen Im Ergebnis teilt das OLG Frankfurt a.M. die Auffassung des LG Frankfurt a.M. und bejaht einen Anspruch des Klägers auf Übergabe und Übereignung der neun Smartphones und der vier Kopfhörer gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass sich der Kunde und der Elektronikhändler über den Abschluss eines Kaufvertrags i.S.d. § 433 BGB geeinigt haben. Hierfür sind zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen erforderlich (vgl. §§ 145 ff. BGB). Das Online-Inserat über die Smartphones und die Kopfhörer stellt lediglich eine unverbindliche invitatio ad offerendum dar. Allerdings gab der Kläger mit seiner Bestellung ein verbindliches Angebot i.S.d. § 145 BGB ab, das auf den Abschluss eines Kaufvertrags über die Smartphones gerichtet war. Mit der Bestätigung der Bestellungen nahm der Online-Händler dieses Angebot aber noch nicht an, da es sich hierbei um die einfache Bestätigung des Eingangs der Bestellung i.S.d. § 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB handelt. Allerdings liegt in der Versendung der Gratisbeigabe bzw. der Kopfhörer eine Annahme i.S.d. § 147 BGB. Es besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Smartphones und dem Versand der Kopfhörer. Nach dem objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB konnte der Kunde die Zusendung nur so verstehen, dass mit dem Versand der Gratis-Produkte auch ein Kaufvertrag über die eigentlichen Hauptprodukte bzw. die Smartphones zustande gekommen ist. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass bereits am Bestelltag der Preis der Smartphones auf 928 € korrigiert wurde und dennoch zwei Tage später die Kopfhörer verschickt worden sind. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes konnte der Kläger die Zusendung nur so verstehen, dass auch ein Vertrag über die Smartphones selbst besteht. Unerheblich ist, ob die AGB wirksamer Vertragsbestandteil geworden sind, weil sie selbst bei einer Einbeziehung dem Gesagten nicht entgegenstehen. Der Anspruch des Klägers ist aber auch nicht ex tunc durch Anfechtung des Beklagten gem. § 142 Abs. 1 BGB untergegangen. Ungeachtet dessen, ob ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB überhaupt einschlägig ist, war die Anfechtungserklärung jedenfalls nach § 121 Abs. 1 BGB verfristet. Erst zwei Wochen, nachdem der Preisfehler erkannt wurde, erfolgte die Anfechtungserklärung, die somit nicht mehr unverzüglich war. Schließlich besteht auch keine Nichtigkeit durch ein rechtsmissbräuchliches Festhalten am Kaufvertrag durch den Kunden gem. § 242 BGB. Es wurde durch den Beklagten nicht vorgetragen, inwiefern ein Festhalten am Vertrag für ihn wirtschaftlich unzumutbar wäre. D. In der Prüfung § 433 Abs. 1 S. 1 BGB I. Anspruch entstanden 1. Wirksamer Kaufvertrag, § 433 BGB a) Angebot, § 145 BGB b) Annahme, § 147 BGB II. Anspruch untergegangen 1. Anfechtung, §§ 119 ff. BGB 2. Rechtsmissbrauch, § 242 BGB III. Ergebnis E. Literaturhinweise Duden, Verbraucherschutz und Vertragsschluss im Internet der Dinge, ZRP 2020, 102. Föhlisch/Stariradeff, Zahlungsmittel und Vertragsschluss im Internet, NJW 2016, 353. Entscheidung der Woche 45-2024 .pdf PDF herunterladen • 79KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 33-2022 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 33-2022 (SR) Celina Weddige Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 247/21 in: BeckRS 2021, 28362 NJW 2021, 3205 NStZ 2022, 168 A. Orientierungs- oder Leitsatz Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war. B. Sachverhalt Im September 2020 verbrannte A Fotos in seiner Wohnung. Diese verbrannte er in einem Plastikeimer, wobei das Feuer auf den Eimer überging. Löschversuche brachten keinen Erfolg, daher verließ A seine Wohnung. Es entwickelte sich Hitze und Rauch, sodass unter anderem Elektroleitungen in der Wand, Laminatboden und die Küchenzeile der Wohnung zerstört wurden. Daraufhin wurde die Wohnung für unbewohnbar erklärt. Zudem erteilte das Bauordnungsamt eine Nutzungsuntersagung für die weiteren Wohnungen des Gebäudes. Im Oktober suchte A seine Wohnung wieder auf und wollte Suizid begehen, weshalb er die Wohnung in Brand setzte. Hierfür verwendete er Textilien, welche er im Badezimmer anzündete. Die Badezimmertür und Türzagen gerieten in Brand. Auch die Wände und Decken der Wohnung erlitten durch den Ruß und Rauch Schäden. Dadurch war die Wohnung erneut unbewohnbar. Hat sich A wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, indem er in seiner Suizidabsicht die Wohnung erneut in Brand setzte? C. Anmerkungen Der BGH bestätigte mit seiner vorliegenden Entscheidung die Verurteilung des A wegen schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch das Landgericht Krefeld hinsichtlich des zweiten Brandgeschehens. Fraglich war dabei, ob eine Wohnung durch eine wiederholte Brandlegung teilweise zerstört werden kann, obwohl sie bereits wegen einer vorherigen Brandstiftung unbewohnbar und damit nicht nutzbar war. Ein teilweises Zerstören bei einer Brandstiftung i.S.d. § 306a Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt bei einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der BGH stellte fest, dass eine weitere Zerstörung der Wohnung und des gesamten Gebäudes auch dann noch möglich sei, wenn die Wohnung schon vorher durch einen Brand unbrauchbar war. Der Gesetzgeber habe mit der Tatbestandserweiterung des § 306 Abs. 1 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts und dem dabei verfolgten Anliegen, erheblichen Menschengefährdungen und hohe Sachschäden ebenso zu begegnen wie bei Brandstiftungen herkömmlicher Art, die brandbedingte Einwirkung auf die Sachsubstanz des Wohnobjekts im Blick gehabt, nicht dagegen allein ein Hervorrufen der Unbenutzbarkeit. Letztere sei vielmehr insofern relevant, als anhand des Einzelfalls festzustellen sei, ob diese Unbrauchbarkeit Beeinträchtigungen von solchem Gewicht begründe, dass ein teilweises Zerstören des Gebäudes vorliegt. Eine längere Dauer der Unbrauchbarkeit sei dabei nicht zwingend erforderlich. Außerdem diene § 306a Abs. 1 StGB gerade zur Erfassung abstrakter Gefahren für Leib und Leben von Menschen, die sich aus der teilweisen Zerstörung von Wohngebäuden durch Brandlegung ergeben. Dieses Gefährdungspotential bestehe sowohl für Rettungskräfte als auch für sonstige Hausbewohner unabhängig von einer vorherigen Unbrauchbarkeit der Wohnung. Eine enge Auslegung, nach der eine nochmalige teilweise Zerstörung eines Wohngebäudes nicht möglich sei, ergebe sich damit weder aus dem Wortlaut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB noch aus dem Sinn und Zweck der Norm. Demnach stellte die bereits unbrauchbare Wohnung ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. Die Nutzbarkeit der Wohnung wurde in weiteren Bestandteilen der Wohnung beeinträchtigt, die zuvor noch nicht betroffen waren, wie beispielsweise die Badezimmertür und weitere Decken. Damit lag eine weitergehende Beeinträchtigung der Sachsubstanz vor, die eigenständig als teilweise Zerstörung des Gebäudes zu werten war. Somit hat sich A wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. D. In der Prüfung § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt: ein Gebäude (P) Ist die Wohnung noch taugliches Tatobjekt? b) Durch Brandlegung teilweise zerstört, § 306a Abs. 1 Alt. 2 c) Kausalität d) Objektive Zurechnung II. Subjektiver Tatbestand III. Rechtswidrigkeit und Schuld E. Literaturhinweise Beukelmann/Heim, Inbrandsetzen einer vorbeschädigten Wohnung, NJW Spezial 2021, 664; zum Tatbestandsmerkmal der teilweisen Zerstörung eines Gebäudes: Heine/Boschin: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 306 Rn. 15ff. Entscheidung-der-Woche-33-2022 .pdf PDF herunterladen • 146KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 11-2025 (ZR) Beriwan Özdemir Das bei einer Vielzahl von Darlehensablösungen von dem bisherigen Kreditinstitut in einer Vielzahl von Fällen von dem Kreditinstitut geforderte Entgelt für den mit der Ablösung des Kredits verbundenen Aufwand ist als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH VI ZR 35/24 Fundstelle: NJW 2025, 828 BeckRS 2025, 872 LSK 2025, 872 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Das bei einer Vielzahl von Darlehensablösungen von dem bisherigen Kreditinstitut in einer Vielzahl von Fällen von dem Kreditinstitut geforderte Entgelt für den mit der Ablösung des Kredits verbundenen Aufwand ist als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen. 2 . Sie unterliegt nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. B. Sachverhalt Im Juni 2020 erkundigte sich die Klägerin, eine Bank, im Namen der Darlehensnehmerin X bei der beklagten Sparkasse nach dem Ablösungsbetrag des laufenden Darlehens. Die Beklagte erklärte daraufhin, dass ein Betrag von 200 Euro fällig werde, wenn die Zahlung des Ablösungsbetrags unter Treuhandauflagen erfolge. Ein längerer Schriftwechsel zwischen den Parteien folgte. Um die Ablösung des Darlehens nicht länger zu verzögern, entschied sich die Klägerin schließlich dazu, das geforderte Entgelt zu überweisen, um die Darlehensablösung nicht zu verzögern. Der Treuhandauftrag wurde anschließend abgewickelt. Ein ähnlicher Vorgang ereignete sich auch bei einem weiteren Kreditnehmer, Y. Die Beklagte verlangte eine Zahlung von 3.083 Euro für die Ablösung dieses Darlehens unter Treuhandauflagen. In diesem Fall zahlte die Klägerin B ebenfalls den geforderten Betrag, ohne rechtliche Verpflichtungen anzuerkennen. Nach eigenem Vortrag verlangte die Beklagte rund 20 % der Darlehensablösung ein solches Entgelt. Die Klägerin B fordert mit ihrer Klage von der Beklagten die Rückerstattung eines Betrags von 3.283 Euro zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen. Hilfsweise beantragte sie, die Beklagte zu verpflichten ihre früheren Kunden X und Y von den Aufwendungsersatzansprüchen der Klägerin sowie von sonstigen Ansprüchen im Zusammenhang mit den Zahlungen von 200 Euro und 3.083 Euro freizustellen. C. Anmerkungen In seiner Entscheidung hat der BGH festgestellt, dass eine Entgeltvereinbarung für Treuhandaufträge zur Darlehensablösung nicht gültig ist. Dies geschieht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB, da diese Vereinbarung den Vorschriften der Allgemeinen Geschäftsbedingungen widersprechen. Diese Entscheidung beeinflusst die Praxis der Darlehensabwicklung erheblich. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Klausel, die von der beklagten Partei in Darlehensverträgen verwendet wurde, um ein Entgelt für Treuhandaufträge zur Ablösung von Darlehen zu verlangen. Ursprünglich hatte das Berufungsgericht entschieden, dass dies eine wirksame Preisabrede darstellt, da es festgestellt hat, dass die betreffende Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung zu betrachten ist, zumal sie für eine Vielzahl von Verträgen vorab formuliert wurde. Der BGH betrachtet diese Entgeltklausel jedoch als unwirksam, da sie eine unzulässige Preisnebenabrede darstellt, welche zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin führe. Ihr Abweichen von den grundlegenden Prinzipien des dispositiven Rechts ist dadurch gegeben, dass die eigenen Verpflichtungen auf den Kunden abgeladen werden, ohne dass dies gesetzlich durch ein zusätzliches Entgelt gerechtfertigt wäre. Mit dem Urteil des BGH wird deutlich, dass Gebühren für die Abwicklung von Darlehensablösungen dann ungültig sind, wenn sie nicht als Entgelt für eine separate Leistung des Darlehensgebers zu werten sind, sondern der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen dienen. Die Position der Darlehensnehmer wird durch diese Entscheidung gestärkt, da nur solche Entgelte eingezogen werden dürfe, die auch tatsächlich einer zusätzlichen Leistung entsprechen. Dies könnte einer Überprüfung und mögliche Anpassung der bestehenden Vertragsklauseln zur Folge haben. Zudem ist das Urteil zu begrüßen, da es eindeutige Kriterien dafür festlegt, welche Entgeltklauseln in Darlehensverträgen zulässig sind. Gleichzeitig könnte sie auch dazu führen, dass die Unsicherheit über Formulierungen von Klauseln, die zulässig sind, steigt. Die BGH-Entscheidung hat einerseits deutlich gemacht, dass Entgeltklauseln in Darlehensverträgen streng kontrolliert werden müssen und unzulässig sind, wenn sie wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen verletzen und andererseits, dass diese Entscheidung tiefgreifende Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung im Finanzsektor hat und den Verbraucher zukünftig vor unangemessenen Belastungen schützt. D. In der Prüfung § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB I. Voraussetzungen 1. Etwas erlangt2. Durch Leistung3. Ohne Rechtsgrund (P) Entgeltklausel verstößt gegen §307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB 4. Kein Ausschluss des Bereicherungsanspruchs II. Rechtsfolge E. Literaturhinweise NJW2025, 828 Entscheidung der Woche 11-2025 .pdf PDF herunterladen • 145KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 01-2021 (SR) Johanna Lange Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist teilweise zerstört i.S.d. § 306a Abs. 1 StGB, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 408/19 in: BGH NJW 2020, 942 A. Orientierungs- oder Leitsatz Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist teilweise zerstört i.S.d. § 306a Abs. 1 StGB, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für beträchtliche Zeit unbewohnbar wird. B. Sachverhalt A flüchtete aufgrund politischer und religiöser Konflikte in seinem Heimatland nach Deutschland. Sein gestellter Asylantrag wurde abgelehnt, er bekam stattdessen eine ausländerrechtliche Duldung. Aufgrund dieser Erlaubnis konnte er keiner Arbeit nachgehen und lebte in einer Flüchtlingsunterkunft. Da A mit diesen Umständen unzufrieden war und sie als unangemessen empfand, beschloss er, seine Unterkunft anzuzünden, um sie zu zerstören oder zu beschädigen. Er setzte zunächst sein Zimmer in Brand, um danach das Sofa des Y anzuzünden. Die Feuerwehr löschte die Brände zügig, das Zimmer des Y blieb trotz Beschädigungen an dem Mobiliar weiterhin bewohnbar. Das Zimmer des A, welches durch starke Verrußungen und Abplatzungen des Putzes beschädigt worden war, war vorübergehend unbewohnbar. Hat sich A wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Der § 306a Abs. 1 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. In Nr. 1 wird dabei vor allem auf den Schutzwert der Wohnung einer Person abgestellt, um diese als Mittelpunkt menschlichen Lebens zu schützen. Ein Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft stellt ebenso wie eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus eine selbstständige, zum Wohnen bestimmte "Untereinheit" der Unterkunft dar. Anders als funktionell selbstständige Zimmer in einer Wohnung agiert das Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft für seinen Bewohner als Mittelpunkt menschlichen Lebens und wird zum Aufenthalt und Schlafen genutzt. Dabei ist nicht relevant, ob das Zimmer über Kochgelegenheiten oder sanitäre Einrichtungen verfügt. Nach § 306a Abs. 1 StGB ist ein Gebäude teilweise zerstört, wenn für eine nicht nur unerhebliche Zeit ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbstständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden. Dies ist dann gegeben, wenn zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht erfüllt werden können oder wenn eine Untereinheit in einem Wohnhaus für beträchtliche Zeit nicht für Wohnzwecke genutzt werden kann. Dies umfasst eine Zeitspanne, die größer als nur wenige Stunden oder einen Tag ist. Im Falle der Flüchtlingsunterkunft ist diese demnach unter anderem teilweise zerstört, wenn ein dem Bewohner der Unterkunft zu Wohnzwecken zur Verfügung gestelltes Zimmer brandbedingt für eine beträchtliche Zeit nicht bewohnbar ist. Die Zimmer des A und Y stellen eine solche Untereinheit dar, jedoch kann das Zimmer des Y weiterhin bewohnt werden. Anders ist dies bei dem Zimmer des A. Dieser konnte vorübergehend nicht in dem Zimmer wohnen, sodass auch von einer beträchtlichen Zeitspanne ausgegangen werden kann. A hat sich gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. D. In der Prüfung Strafbarkeit des A gem. § 306a Abs. 1 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Räumlichkeiten (Nr. 1 - 3) b) Tathandlung aa) Inbrandsetzen bb) Durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Tätige Reue, § 306e StGB E. Zur Vertiefung Kudlich, My home is my zu Wohnzwecken ge-nutztes Gebäude… (JA 2020, 312). Entscheidung-der-Woche-01-2021 .pdf PDF herunterladen • 90KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 29-2019 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 29-2019 (SR) Lucas Haak Für die Dauerhaftigkeit des Verlustes der Gebrauchsfähigkeit eines Körperglieds kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Opfer eine ihm mögliche medizinische Behandlung nicht wahrgenommen hat. Aktenzeichen & Fundstelle BGH 5 StR 483/ 16 in: NJW 2017, 1763 A.Orientierungs- oder Leitsatz Für die Dauerhaftigkeit des Verlustes der Gebrauchsfähigkeit eines Körperglieds kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Opfer eine ihm mögliche medizinische Behandlung nicht wahrgenommen hat. B. Sachverhalt In einem Asylbewerberheim kommt es zwischen T und O regelmäßig zu verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen. Eines Abends ergreift T in seiner Wut ein Küchenmesser und sticht in Verletzungsabsicht mehrmals in Richtung des Kopfes und Halses des O. Dieser hebt zur Abwehr seine Hände und wird dort durch das Messer getroffen. In der Folge kommt es zu Schnittverletzungen an der linken Hand mit Durchtrennungen aller Beugesehnen von vier Fingern einschließlich der Nerven. Nach Feststellungen eines medizinischen Sachverständigen ist die linke Hand des O weitestgehend gebrauchsunfähig, eine wesentliche Besserung sei nicht mehr zu erwarten. Allerdings seien die Bewegungseinschränkungen zu einem wesentlichen Teil darauf zurückzuführen, dass O auf die erforderliche medizinische Nachsorge verzichtete. Eine neuro- und handchirurgische Konsultation hat O ebenso wenig durchführen lassen wie die angeratene Physiotherapie. Hat sich T wegen schwerer Körperverletzung strafbar gemacht? C. Anmerkungen Zweifelsfrei ist der Grundtatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfüllt. Bezüglich der Voraussetzungen der Erfolgsqualifikation aus § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist festzuhalten, dass die weitgehende Unbrauchbarkeit der linken Hand in ihrer faktischen Wirkung auch ohne völligen Funktionsverlust derjenigen einer physischen Amputation entspricht, wobei das Grunddelikt conditio sine qua non für den Eintritt der schweren Folge war. Ferner hat T – wie oben festgestellt – im Rahmen des Gefahrenzusammenhangs ein absehbares rechtliches Risiko geschaffen, welches sich in den Handverletzungen des O realisierte. Zu problematisieren ist jedoch, ob und inwieweit dem O durch eine verweigerte Nachsorge ein den Gefahrenzusammenhang unterbrechendes Verschulden anrechenbar ist. Im Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass die Dauerhaftigkeit der schweren Folge dem Täter nicht zugerechnet werden kann, wenn deren Abmilderung durch das Opfer zumutbar gewesen wäre. Als Kriterium der anzustellenden wertenden Abwägung werden dabei namentlich die Erfolgsaussichten von (Folge-)Operationen und die damit verbundenen Risiken genannt. In causa wäre es O ohne weiteres möglich gewesen, eine solche Nachsorge zu beanspruchen, sodass der Gefahrenzusammenhang dieser Auffassung nach abzulehnen wäre. Dies überzeugt jedoch nicht. Unzweifelhaft knüpft die Strafschärfungan das Ausmaß der vom Täter schuldhaft herbeigeführten Rechtsgutverletzung an, für dessen Bewertung im Grundsatz der Zeitpunkt des Urteils maßgeblich ist. Dabei ist anzumerken, dass die Körperverletzung nicht ausschließlich Ursache des nicht wiedergutzumachenden Schadens sein muss. Indes kann das Unterlassen einer medizinischen Behandlung nicht dazu führen, die vom Täter herbeigeführten gravierenden Folgen als eigentlichen Gradmesser seiner Strafwürdigkeit auszugrenzen. Es würde jeglichem Gerechtigkeitsempfinden widersprechen, über den Gedanken der Zurechnung eine Art „Obliegenheit des Opfers“ zu konstituieren, sich ungeachtet dessen aus übergeordneter Sicht zumutbaren, wenn auch beschwerlichen Heilmaßnahmen zu unterziehen, um dem Täter eine höhere Strafe zu ersparen. Dies lässt sich einerseits dadurch untermauern, dass dem irreversibel geschädigten Opfer ansonsten ggf. durch Gerichtsurteil bescheinigt werden würde, es sei nicht dauerhaft geschädigt, andererseits lässt die im Schrifttum vertretene Auffassung jeglichen überzeugenden rechtlichen Maßstab zur Beurteilung der „zumutbaren“ Risiken und Beschwerlichkeiten missen. D. In der Prüfung I. Grundtatbestand, § 223 Abs. 1 StGB II. Erfolgsqualifikation, § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB 1. Eintritt der schweren Folge 2. Kausalität zwischen Grunddelikt und Folge 3. Gefahrenzusammenhang E. Zur Vertiefung Zum Gefahrzusammenhang s. Rengier, Strafrecht BT II, 20. Aufl. 2019, § 15 Rn. 27, § 16Rn. 4 ff. Entscheidung-der-Woche-29-2019 .pdf PDF herunterladen • 127KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 19-2020 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 19-2020 (ÖR) Alina Amin Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein von Eichenprozessionsspinnern befallener Baum steht, kann nach § 7 Abs. 2 NPOG als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BayVGH, Beschl v 11.06.2019 10 CS 19.684 in: https://research.wolterskluweronline.de/document/fcd40ff4-7326-4580-8aff-fd906a6695b4 A. Orientierungs oder Leitsatz Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein von Eichenprozessionsspinnern befallener Baum steht, kann nach § 7 Abs. 2 NPOG als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden. B. Sachverhalt (verkürzt) Der Grundstückseigentümer E, auf dessen Grundstück ein Baum stand, der von einem Eichenprozessionsspinnernest (ein gefährlicher Schmetterling, dessen Raupenhaare Dermatitis bei Menschen auslösen) befallen war, wurde unter Anordnung des Sofortvollzugs zur Entfernung des Nestes verpflichtet. Im Falle der Nichterfüllung wurde eine Ersatzvornahme inklusive Kosten i.H.v. 700 € angedroht. Die Grundlage für die Anordnung sei § 11 NPOG – von dem Nest gehe eine Gesundheitsgefahr aus. Die Brennhaare der Insekten seien lange haltbar, verteilen sich in der Umgebung und seien auch in alten Nestern noch hochkonzentriert. Diese würden dann in die Haut und Schleimhaut eindringen und allergische Reaktionen sowie Begleiterscheinungen wie Fieber, Schwindel und Müdigkeit verursachen. Für Anwohner, besonders Kinder und eine schwangere Frau, die in der Umgebung wohnen, bestehe eine erhebliche Gesundheitsgefahr. E sei Zustandsstörer gem. § 7 Abs. 2 NPOG. Dafür müsste eine gewisse Kausalität zwischen der Sache (dem Baum) und der Gefahrenquelle bestehen. Diese sei gegeben, wenn bei wertender Betrachtung aller Umstände durch den Zustand der Sache selbst die Gefahrengrenze überschritten werde. Dies läge vor. E erhebt Klage und stellt einen Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO mit der Begründung, dass durch den Zustand des Baumes selbst keine Gefahr ausginge, sondern nur von dem Nest. C. Anmerkungen Eine Gefahr i.S. des § 11 NPOG liegt hier vor. Problematisch ist allerdings, ob der E richtiger Adressat der Maßnahme ist. Die Verantwortlichkeit richtet sich vorliegend nach dem § 7 Abs. 2 NPOG, da eine Handlungsverantwortlichkeit ausscheidet. Macht das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder der Zustand einer anderen Sache Maßnahmen nach dem Polizei- und Ordnungsrecht notwendig, so sind diese Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 NPOG gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt bzw. den Eigentümer oder den sonst dinglich Verfügungsberechtigten zu richten. Die Zustandsverantwortlichkeit nach dieser Bestimmung knüpfte an die sich aus der tatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über die Sache ergebende Pflicht an, dafür zu sorgen, dass von der Sache keine Gefahr ausgeht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Sache die ursächliche Quelle der Gefahr ist und die Gefahr unmittelbar mit dem Zustand der Sache in Verbindung steht. Dieser Zusammenhang, vorliegend zwischen dem Grundstück des E und der Gesundheitsgefährdung, ist zu bejahen. Durch das an der Eiche anhaftende Nest und – bei wertender Betrachtung – daher durch den Zustand der Sache selbst wird die Gefahrengrenze für die betroffenen Menschen überschritten. D. In der Prüfung § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGo I. formelle RMK II. Interessenabwägung a) Erfolgsaussichten in der Hauptsache aa) RGL bb) formelle RMK cc) materielle RMK (1) Voraussetzungen des § 11 NPOG (2) Verantwortlichkeit (P) -> Richtiger Adressat -> Zusammenhang zwischen Gefahr und Sache E. Zur Vertiefung Hartmann/Mann/Mehde: Landesrecht Niedersachsen, § 4, III. Entscheidung-der-Woche-19-2020 .pdf PDF herunterladen • 145KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 29-2020 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 29-2020 (ZR) Robin Dudda Eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 S. 1 BGB dar, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – VIII ZR 267/17 in: BeckRS 2020, 4703 NJW 2020, 1669 MDR 2020, 559 A. Orientierungssätze Eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 S. 1 BGB dar, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet. Allein ein bei Gefahrübergang vorliegendes tatsächliches Geschehen, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer SIS-Eintragung führt, genügt demgegenüber nicht. B. Sachverhalt (verkürzt) Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 12. Juli 2011 vom Beklagten einen Audi Q7 zu einem Kaufpreis von EUR 36.250. Am selben Tag wurden der Kaufpreis gezahlt und das Fahrzeug sowie die Zulassungsbescheinigung II, welche den Beklagten als Eigentümer auswies, übergeben. Am 13. März 2013 wurde der Kläger mit diesem Fahrzeug aus der Türkei kommend an der Grenze zu Serbien gestoppt. Das Fahrzeug wurde beschlagnahmt, da dieses in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht wurde. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug laut deutscher Polizei außerdem seit dem 22. Mai 2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zur Sicherstellung ausgeschrieben war und letztlich an das dort als Besitzer seit 2008 eingetragene Unternehmen in Rumänien herausgegeben wurde. Der Kläger nahm den Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Anspruch. C. Anmerkungen Die Revision des Beklagten gegen seine Verurteilung hat Erfolg. Nach § 435 S. 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen oder Bindungen in Bezug auf die Kaufsache könnten einen solchen Rechtsmangel begründen, soweit sie nicht an deren Beschaffenheit anknüpfen. Eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs könne daher als Rechtsmangel angesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15 NJW 2017, 1666 Rn. 14, 22 ff.). Grund hierfür sei der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SIS Fahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in seiner Rechtsposition (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt sei. Das Urteil des BGH zu einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme welche einen Rechtsmangel darstelle (Urt. v. 18. Februar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1; Urt. v. 18. Januar 2017 aaO Rn. 21), lasse sich nicht, wie das Berufungsgericht meinte, für den vorliegenden Fall fruchtbar machen. Denn die Fälle seien deshalb nicht vergleichbar, da in dortigem bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Kaufsache eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen geführt wurden, woraufhin es kurz nach der Übergabe zu einer Beschlagnahme durch deutsche Strafverfolgungsbehörden kam. Dieses ältere Urteil dahingehend zu verallgemeinern, dass jegliche bei Gefahrübergang vorhandenen Umstände, die zu einem späteren Zeitpunkt zu einer behördlichen Sicherstellung der Kaufsache führten, einen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestehenden Rechtsmangels i.S.d. § 435 S. 1 BGB darstellten, überzeuge nicht. Denn dies hätte eine weder sachlich gerechtfertigte noch zumutbare Ausdehnung der Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers für ein für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen zur Folge. D. In der Prüfung A. §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 435 S. 1, 440 BGB I. Rücktrittsgrund 1. Kaufvertrag 2. Mangel, § 435 S. 1 BGB a. Eintragung in SIS = Rechtsmangel? b. bei Gefahrübergang, § 446 S. 1 BGB? (P) Geschehen ausreichend, welches später zur Eintragung führt? II. Zwischenergebnis B. Ergebnis E. Zur Vertiefung BGH - VIII ZR 234/15, in NJW 2017, 1666; Jerger/ Bühler: Rechte des Käufers eines beschlagnahmten Fahrzeugs, in NJW 2017, 1639. Entscheidung-der-Woche-29-2020 .pdf PDF herunterladen • 50KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 50-2024 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 50-2024 (ÖR) Hendrik Stottmann Die Rechtswidrigkeit eines unbefristeten Hausverbots führt dann nicht zu einer Verletzung des Betroffenen in seinen Rechten, wenn das Hausverbot nachträglich beanstandungsfrei befristet wird und der davor liegende zu beanstandende Rechtswidrigkeitszeitraum in den Zeitraum der nachträglichen Befristung fällt. Aktenzeichen und Fundstelle Az: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 17.07.2024 - 15 K 1173/24 Fundstelle: https://openjur.de/u/2491863.html A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Die Rechtswidrigkeit eines unbefristeten Hausverbots führt dann nicht zu einer Verletzung des Betroffenen in seinen Rechten, wenn das Hausverbot nachträglich beanstandungsfrei befristet wird und der davor liegende zu beanstandende Rechtswidrigkeitszeitraum in den Zeitraum der nachträglichen Befristung fällt. 2. Die Ankündigung, jemandem "eine zu klatschen" enthält gegenüber dem Erklärungsempfänger die Androhung einer "Backpfeife" oder "Ohrfeige". Dies muss ein Hoheitsträger im Hinblick auf seine Beschäftigten nicht hinnehmen, selbst wenn derjenige, der dies ankündigt, nach seinen Wertungsmaßstäben meint, niemanden bedroht zu haben. B. Sachverhalt Der Kläger wendet sich gegen ein ihm gegenüber für alle Dienstgebäude des Sozialamtes der Beklagten angeordnetes Hausverbot vom 28. Februar 2024, das die Beklagte durch Schriftsatz vom 20. März 2024 auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides vom 28. Februar 2024 befristet hat. Am 16. Februar 2024 suchte der Kläger ohne Termin das städtische Sozialamt auf. Er bezeichnete die ihm zur Verfügung gestellte Wohnung als "Schrott" und forderte die sofortige Auszahlung von Geld, lehnte einen Lebensmittelgutschein aber ab. Unter Verweis auf das Hausrecht aufgefordert, das Gebäude zu verlassen, reagierte der Kläger aggressiv und drohte einer Mitarbeiterin der Stadt, die vor ihm die Bürotüre schloss: "Mach das noch einmal, dann klatsche ich dir eine". Mit Bescheid vom 28. Februar 2024 erlässt die Stadt mit Verweis auf den Vorfall vom 16. Februar 2024, der sich zu wiederholen droht, ein sofortiges, unbefristetes Hausverbot für die Diensträume des Sozialamtes gegen den Kläger. Daraufhin erhebt dieser am 14. März 2024 beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage gegen das Hausverbot. Die Beklagte hat das Hausverbot mit ergänzendem Bescheid vom 20. März 2024 auf zwölf Monate ab Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2024 befristet. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 wurde dem Kläger bereits ein sechsmonatiges Hausverbot erteilt, nachdem er einem Mitarbeiter des Sozialamtes am 20. November 2017 mittelte, ihm werde etwas geschenen, wofür der Kläger "zehn Jahre in den Knast" gehe. C. Anmerkungen Die im Wege objektiver Klagehäufung gem. § 44 VwGO gestellte Klage teilt sich auf in eine Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO und eine Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 I 4 VwGO. Die Anfechtungsklage richtet sich gegen das auf zwölf Monate befristete Hausverbot des Klägers mit Geltungsbeginn ab Zustellung des Bescheids vom 28. Februar 2024. Die Fortsetzungsfeststellungsklage richtet sich gegen den in zeitlicher Hinsicht erledigten Bescheid vom 28. Februar 2024 in Form des unbefristeten Hausverbots, das mit Bescheid vom 20. März 2024 durch das befristete Hausverbot ersetzt wurde. Die Klage ist zulässig. Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Das befristete Hausverbot ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Als Rechtsgrundlage greift die Sachkompetenz der Beklagten zur Erfüllung der ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben. Die Anhörung wurde gem. §§ 28, 45 1 Nr. 3. Il VwVfG nachgeholt. Der materielle Tatbestand des Hausverbots ist erfüllt, Ermessensfehler liegen nicht vor. Dem Kläger bleibt trotz Hausverbots immer noch die Möglichkeit, fernmündlich das Sozialamt zu kontaktieren. Die für ihn notwendigen Sozialleistung werden ihm also nicht vorenthalten. Die Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich des unbefristeten Hausverbots is ebenfalls unbegründet. Zwar war die Regelungswirkung des Hausverbots vom Zeitpunkt seiner Bekanntgabe durch Zustellung an den Kläger bis zur Befristung durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. März 2024 auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides vom 28. Februar 2024, rechtswidrig, weil die Anordnung mit unbefristetem Geltungszeitraum weder erforderlich noch angemessen war. Allerdings hat dieser Rechtmäßigkeitsmangel den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die das Übermaßverbot verletzende fehlende Befristung des Hausverbots wirkte sich in dem maßgeblichen Zeitraum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Fortsetzungsfeststellungsklage ab Zustellung des Hausverbots bis zum 20. März 2024 nicht aus. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit Anfechtungsklage gegen befristetes Hausverbot Fortsetzungsfeststellungsklage gegen unbefristetes Hausverbot Objektive Klagehäufung, § 14 VwGO Begründetheit 1. Begründetheit der Anfechtungsklage II. Begründetheit der FFK 1. Rechtmäßigkeit des Bescheids Rechtsgrundlage Formelle Rechtmäßigkeit Materielle Rechtmäßigkeit 2. Subjektive Rechtsverletzung des Kläger E. Literaturnachweise BeckOK VwGO § 113 https://examensgerecht.de/hausverbot/ Entscheidung der Woche 50-2024 .pdf PDF herunterladen • 479KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 06-2022 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 06-2022 (SR) Oliver Marks Dem Täter eines fahrlässig herbeigeführten Brand- oder Explosionsgeschehens können der durch Rettungsmaßnahmen verursachte Tod oder die Körperverletzung von Berufsrettern zugerechnet werden (im Anschluss an BGHSt 39, 322 = NJW 1994, 205). Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 19/20 in: NJW 2021, 3340 NStZ 2022, 102 BeckRS 2021, 30939 A. Orientierungs- oder Leitsatz Dem Täter eines fahrlässig herbeigeführten Brand- oder Explosionsgeschehens können der durch Rettungsmaßnahmen verursachte Tod oder die Körperverletzung von Berufsrettern zugerechnet werden (im Anschluss an BGHSt 39, 322 = NJW 1994, 205). B. Sachverhalt T wurde als angestellter Arbeiter auf dem Werksgelände eines Chemiekonzerns eingesetzt. Dort sollte er eine metallene Rohrleitung, welche für die Dauer der Arbeiten stillgelegt worden war, mit einem Trennschleifer zerlegen. Nach Freigabe der Arbeiten durch die zuständigen Mitarbeiter des Chemiekonzerns machte sich T daran, die Rohrleitung zu zerlegen. Er verwechselte dabei jedoch die Rohrleitungen, sodass er nicht die von den Mitarbeitern gekennzeichnete Leitung durchtrennte, sondern eine benachbarte gasführende Leitung. Das durch den Schnitt austretende Gas entzündete sich und erhitzte eine weitere Leitung, welche unter hohem Druck Gas führte, was letztlich zu mehreren Explosionen und Feuerwalzen führte. Es näherten sich acht Feuerwehrleute der werkseigenen Feuerwehr sowie zwei weitere Werksmitarbeiter, wobei vier der Feuerwehrleute getötet und die übrigen verletzt wurden. Zudem wurde ein Matrose eines in unmittelbarer Nähe im Betriebshafen liegenden Tankschiffs durch die Druckwelle über Bord geworfen und ertrank. Strafbarkeit des T gem. §§ 222, 229 StGB? C. Anmerkungen Der BGH verwarf die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung durch das LG Frankenthal (Pfalz) wegen tateinheitlicher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung gem. §§ 222, 229 StGB. Zur Begründung wird ausgeführt, dass in der unzureichenden Überprüfung des zu zertrennenden Rohres eine Verletzung der obj. Sorgfaltspflicht liege, wobei der drohende Schaden und die betroffenen Rechtsgüter in Form von Leib und Leben ihrem Gewicht nach im Wesentlichen vorhersehbar waren. Diese Pflichtverletzung zu vermeiden war dem T subjektiv möglich und die möglichen Folgen für ihn erkennbar. Eine obj. Zurechenbarkeit des Erfolges erfordert, dass sich gerade die vom Täter gesetzte Gefahr in einem Erfolg realisiert, der in den Schutzbereich der Norm fällt. Hinsichtlich der Werksmitarbeiter und Feuerwehrleute scheidet eine bewusste Selbstgefährdung insoweit aus, als der Täter mit seiner Tat ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft. Dieses Motiv besteht im vorliegenden Fall in der Berufspflicht der Feuerwehrleute, welche sie rechtlich zum Einschreiten verpflichtet und so in vergleichbarer Intensität motiviert wie die Bedrohung von Rechtsgütern des Opfers oder nahestehender Personen sowie Billigung durch die Rechtsordnung erfährt. Ein Ausschluss wegen mangelnder Rettungsaussichten oder unvertretbarer Gefährlichkeit des Einschreitens kommt nach dem Sachverhalt nicht in Betracht. Hinsichtlich des Matrosen handelt es sich um ein Zufallsopfer, dessen Tod dem Angeklagten wegen seines Aufenthalts im Wirkbereich der Explosion in für diesen erkennbarer Weise zugerechnet werden kann. Die tateinheitliche Verurteilung gem. § 52 StGB gründet sich auf den zeitlich und räumlich einheitlichen Lebensvorgang, in dem die Schädigungen eintraten und die singuläre Handlung, auf welche sie zurückzuführen sind. Der dem Urteil des BGH zugrunde liegende Sachverhalt stellt einen Musterfall zur Zurechenbarkeit der Schädigungen freiwilliger Retter dar. Die Fallgruppen der freiverantwortlichen Selbstschädigung oder der Verwirklichung eines dem Beruf immanenten Lebensrisikos werden schon zu Beginn des Studiums erläutert und büßen bis zum Examen nicht an Relevanz ein. Eine Wiederholung lohnt daher in jeder Phase des Studiums. D. In der Prüfung Strafbarkeit des T gem. § 222 StGB I. Tatbestand 1. Tod eines anderen Menschen 2. Kausalität 3. (P) objektive Zurechnung 4. objektive Fahrlässigkeit II. Rechtswidrigkeit III. Schuld 1. subjektive Fahrlässigkeit 2. sonstige Schuldmerkmale Strafbarkeit des T gem. § 229 StGB I. Tatbestand 1. Körperverletzungserfolg 2. Kausalität 3. (P) objektive Zurechnung 4. objektive Fahrlässigkeit II. Rechtswidrigkeit III. Schuld 1. subjektive Fahrlässigkeit 2. sonstige Schuldmerkmale E. Literaturhinweise Zur Vertiefung Amelung, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 08.09.1993 – 3 StR 341/93, NStZ 1994, 83. Entscheidung-der-Woche-06-2022 .pdf PDF herunterladen • 81KB Zurück Nächste












