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- Entscheidung der Woche 34-2020 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 34-2020 (ÖR) Sina John § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verlangt für die Ausschlusswirkung nicht, dass ausschließlich Flächen für jedenfalls drei Windenergieanlagen dargestellt werden. Flächen, die weniger Anlagen aufnehmen können, sind daher nicht stets als harte Tabuzonen bei der gesamträumlichen Planung auszuscheiden. Aktenzeichen & Fundstelle BVerwG, Urt. v. 13.12.2018 - 4 CN 3.18 in : bverwg.de A. Leitsätze § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verlangt für die Ausschlusswirkung nicht, dass ausschließlich Flächen für jedenfalls drei Windenergieanlagen dargestellt werden. Flächen, die weniger Anlagen aufnehmen können, sind daher nicht stets als harte Tabuzonen bei der gesamträumlichen Planung auszuscheiden. [...] B. Sachverhalt (verkürzt) Der Antragssteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Außenbereich, auf welchem er eine oder mehrere Windenergieanlagen errichten wollte. Zu diesem Zweck wendete er sich gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes, der Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB vorsah. In der angegriffenen Änderung behandelte der Rat der Antragsgegnerin eine Schutzzone von 500 m zu Einzelhöfen und Ansiedlungen im Außenbereich, aus Lärmschutzgründen, als sogenannte „harte Tabuzone“. Für die Aussonderung der Tabuzonen legte die Antragsgegnerin eine Mindestanzahl von drei Windenergieanlagen pro Konzentrationsfläche zu Grunde. Durch diesen Aussonderungsprozess fiel das Grundstück des Antragsstellers in den Bereich der harten Tabuzonen und galt somit als nicht für die Windenergienutzung geeignet. Das OVG NRW hielt den Antrag für zulässig und begründet und stellte die Unwirksamkeit der Änderung des Flächennutzungsplanes fest. C. Anmerkungen Das BVerwG bestätigte dies mit der Einschränkung, dass durch die fehlerhaften Änderungen nur keine Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB herbeigeführt wurden. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB verlangt das Vorliegen eines schlüssigen Gesamtkonzeptes. Hierzu gehören auch die Ausweisungen der „harten“ und „weichen“ Tabuzonen. Tabuzonen sind nicht nur nach dem planerischen Ziel zu bestimmen, dass mindestens drei Windenenergieanlagen pro Konzentrationszone gebaut werden sollen. Das Ziel, die Bündelung von Anlagen als Windenergieparks zu ermöglichen, mag eine Mindestzahl planerisch wünschenswert erscheinen lassen, findet im Wortlaut des § 35 BauGB aber keine Zustimmung. Auch dem Begriff der Windfarm in § 2 Abs. 5 S. 1 UVPG lässt sich nichts anderes entnehmen. Zudem stehen dem Betrieb nur einer Windenergieanlage keine zwingenden Gründe entgegen. Der Antragsgegnerin hat daher die harten Tabuzonen falsch bestimmt. Aus Lärmschutzgründen sind Flächen dann als harte Tabuzonen anzusehen, wenn sie gegen § 1 Abs. 3 BauGB i.v.m § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSCHG verstoßen und daher schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen. Der zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen erforderliche Mindestabstand einer Windenergieanlage zu schutzwürdiger Bebauung im Außenbereich beträgt 450 m. Die harten Tabuzonen hat die Antragsgegnerin mit Blick auf eine Anlage also zu groß bemessen. Dieser Fehler ist als beachtlich im Sinne von § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB anzusehen. Somit liegt kein schlüssiges Gesamtkonzept im Sinn des § 35 Abs. 3 S. 3 vor. Die Konzentrationswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB treten daher nicht ein. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit (P) Normkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO bzgl. Flächennutzungsplan B. Begründetheit Rechtmäßigkeit der Änderung des Flächennutzungsplans E. Vertiefungshinweise Frey, Aktuelle Fragestellungen bei der Normenkontrolle gegen Windkraft-Flächennutzungspläne, NVwZ 2013, 1184. Entscheidung-der-Woche-34-2020 .pdf PDF herunterladen • 195KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 31-2025 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 31-2025 (ÖR) Jonas Rahn Der BRD obliegt ein allgemeiner Schutzauftrag, dahingehend, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte und Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch bei Sachverhalten mit Auslandsbemühung gewahrt bleibt. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: 2 BvR 508/21 in: BeckRS 2025, 16587 A. Orientierung- oder Leitsätze 1. Der BRD obliegt ein allgemeiner Schutzauftrag, dahingehend, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte und Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch bei Sachverhalten mit Auslandsbemühung gewahrt bleibt. 2. Dieser Schutzauftrag kann sich unter bestimmten Bedingungen zu konkreten grundrechtlichen Pflichten verdichten. a) Eine solche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bezieht sich auf Einhaltung des anwendbaren Völkerrechts zum Schutz des Lebens, auch bei Gefährdungen die von einem anderen Staat ausgehen. b) Eine Eingrenzung dieser verfassungsrechtlichen Schutzpflicht sieht die Verfassung, sofern ein hinreichender Bezug zur deutschen Staatsgewalt besteht, nicht vor. c) Erforderlich für eine Verdichtung zu einer extraterritorialen Schutzpflicht, ist eine ernsthafte Gefahr, dass dem Schutz des Lebens dienende Regeln des humanitären Völkerrechts und/ oder der internationalen Menschenrecht systematisch verletzt werden. B. Sachverhalt Die Beschwerdeführer sind jemenitische Staatsangehörige, deren nahe Verwandte bei einem US-Drohnenangriff im August 2012 gemeinsam mit mutmaßlichen Mitgliedern der Al-Quaida getötet wurden. 2014 klagten die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Köln darauf, die Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, Einsätze bewaffneter Drohnen von deutschen Boden durch die USA auf dem Gebiet des Jemen durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. C. Anmerkungen Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem OVG Köln hatten sie teilweise Erfolg: Die BRD wurde verurteilt Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Drohneneinsätze nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfänden. Nach einer Revision der BRD vor dem BVerwG, wurde das Urteil derart geändert, dass die Berufung vor dem OVG zurückgewiesen wurde und eine Schutzpflicht nicht festgestellt werden konnte. Die Zusicherung der USA gegenüber der BRD, keine unbemannten Luftfahrzeuge für Antiterroreinsätze von Ramstein aus zu starten und deutsches Recht zu achten seinen nicht völlig unzulänglich. Die Verfassungsbeschwerde sei zwar zulässig, aber unbegründet. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewähre nicht nur ein subjektives Abwehrrecht, sondern begründe auch staatliche Schutzpflichten. Dieses stehen auch im Ausland lebenden Ausländern, insofern ein hinreichender Bezug zur deutschen Staatsgewalt gegeben sei, zu. Dies folge aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 GG. Jedoch sei die Sicherstellung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der BRD und ihrer Teilhabe an der internationalen Zusammenarbeit dem Grundgesetz als Ziel immanent. Bei der Bündnisfähigkeit handele es sich um ein Verfassungsgut, das bei der Konkretisierung extraterritorialer Schutzpflichten zu berücksichtigen sei. Deshalb müssen sichere Anhaltspunkte vorliegen, dass es sich bei den Brüchen des Völkerrechts sowie der Menschenrechte nicht um bloße Einzelfälle handele. Dabei sind die Rechtsauffassung der deutschen Staatsorgane genauso zu berücksichtigen, wie die verminderten Schutzmöglichkeiten der BRD aufgrund der völkerrechtlichen Grenzen deutscher Hoheitsgewalt. So wurde festgestellt, dass die bloße technische Herstellung einer Daten- und Kommunikationsverbindung zwischen der Drohne und den Führungseinrichtungen der USA in der Gesamtschau nur von untergeordnetem Gewicht sei. Außerdem sei die Rechtsauffassung der USA für die Abgrenzung zwischen zivilen und militärischen Zielen im Jemen nicht völkerrechtlich unvertretbar. Somit fehle es an einer konkreten, die Schutzpflicht begründenden Gefahr. Dementsprechend seien bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für das Bestehen einer extraterritorialen Schutzpflicht nicht erfüllt, weshalb es keiner Entscheidung bedürfe, ob die BRD einer ihr etwaig obliegenden Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern gerecht geworden wäre. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit B. Begründetheit I. Schutzbereich 1. persönlicher Schutzbereich (P): Schutz von im Ausland lebenden Ausländern durch das GG E. Literaturhinweise BVerfG, Urt. v. 15.7.2025 – 2 BvR 508/21 (m. Anm. Maximilian Amo), becklink 2034931, 15.7.2025, BVerwG, Urt. v. 24.5.2021 - NVwZ 2021, 800, Payandeh/Sauer, Staatliche Gewährleistungsverantwortung für den Schutz der Grundrechte und des Völkerrechts, NJW 2021, 1570 Entscheidung der Woche 31-2025 .pdf PDF herunterladen • 171KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 24-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 24-2020 (SR) Simon Künnen Für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls i.S.d. § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des Einbrechens an... Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 397/19 in: NStZ 2020, 353 BeckRS 2020, 6241 A. Orientierungs- oder Leitsatz Für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls i.S.d. § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des Einbrechens an; handelt er beim Aufhebeln eines Fensters oder bei der gewaltsamen Überwindung eines sonstigen Hindernisses in der Vorstellung, in unmittelbarem Anschluss hieran in die (Privat-)Wohnung einzudringen und hieraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden, so ist die Schwelle zum Versuch regelmäßig überschritten und das geschützte Rechtsgut aus der maßgeblichen Tätersicht bereits konkret gefährdet. B. Sachverhalt A hebelte die Terrassentür eines Einfamilienhauses auf, um im Anschluss hieran in das Gebäudeinnere einzudringen und stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach erfolgreichem Aufhebeln der Terrassentür wurde er von einer Nachbarin entdeckt und angesprochen; daraufhin sah A sein Vorhaben als gescheitert an und entfernte sich. Wie hat sich A strafbar gemacht? C. Anmerkungen Während der zuvor geschilderte Fall zunächst sehr gewöhnlich erscheint, steckt in der Entscheidung des BGH zum Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 Abs. 4 StGB eine Besonderheit. Denn in seinem Beschluss vom 14.01.2020 stellt der BGH für den Versuchsbeginn auf das Ansetzen zum Qualifikationstatbestand - und nicht etwa auf das Ansetzen zum Grunddelikt - ab. Grundsätzlich bejaht der BGH auch im vorliegenden Fall einen Versuchsbeginn dann, wenn der Täter unmittelbar ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung einmündet. Während aber die h.M. und bisherige Rspr. an das Grunddelikt anknüpfen, hier also die Wegnahme im Haus, knüpft der BGH den Versuchsbeginn vorliegend an das Aufhebeln der Terrassentür. Abstrakt muss dies nicht zu einem Auseinanderfallen des Zeitpunkts für den Versuchsbeginn führen. Denn so würde auch die bisherige Rspr. den Versuchsbeginn zum Zeitpunkt des Aufhebelns bejahen, sofern der Täter unmittelbar anschließend an das Einsteigen die Wegnahme plant. Ob nach der neuen Rspr. nun aber auch ein Versuchsbeginn zu bejahen ist, wenn der Täter zur Qualifikation ansetzt, das Grunddelikt aber noch in weiter Ferne liegt (Bsp.: Der Täter steckt zuhause eine Waffe ein und begibt sich in die Nähe des Tatorts, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB?), lässt der BGH offen. Herausgestellt wird hingegen, dass es auf den konkreten Einzelfall ankomme. Gleichwohl konstatiert der BGH, dass nicht generell und pauschal ein Einbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB ausscheiden könne, nur weil der Täter nicht unmittelbar zur Wegnahme ansetzt. Insofern liegt ein maßgebliches Abweichen von der bisherigen Rspr. und Literatur vor, denn ohne unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme liegt kein unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt vor und folglich - nach bisheriger Ansicht - auch kein Versuchsbeginn für den Wohnungseinbruchsdiebstahl. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Tatentschluss a) in Bezug auf das Grunddelikt b) in Bezug auf die Qualifikation i.S.d. § 244 StGB 2. Unmittelbares Ansetzen (P) Bezugspunkt des Ansetzens E. Zur Vertiefung Anmerkung zum Urteil und kritische Betrachtung des Rechtsprechungswandels: Kudlich, NStZ 2020, 353; Zum Versuchsbeginn bei Wohnungseinbruchsdiebstählen nach bisheriger Rspr.: Eisele, JuS 2017, 175. Entscheidung-der-Woche-24-2020 .pdf PDF herunterladen • 173KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 42-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 42-2020 (SR) Adam Hetka Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB kann der Täter eines versuchten Delikts durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Freiwilligkeit liegt dabei vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und... Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 2 StR 284/19 in: NStZ 2020, 341 BeckRS 2020, 1970 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB kann der Täter eines versuchten Delikts durch die Aufgabe der weiteren Tatausführung strafbefreiend vom Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Freiwilligkeit liegt dabei vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. 2. Dass dem Täter die Weiterverfolgung des Geschädigten nicht möglich war, ohne eine andere Person, der sein vorrangiges Interesse galt, aus den Augen zu lassen, steht der Freiwilligkeit nicht entgegen. Die Freiwilligkeit des Rücktritts wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte nicht aus einem sittlich billigenswerten Motiv von weiteren Angriffen auf sein Opfer absieht, sondern nur deshalb, weil er sein weiteres Opfer, nicht entkommen lassen will. Die Abstandnahme von der weiteren Tatausführung erweist sich hier als das Ergebnis einer nüchternen Abwägung, bei der der Angeklagte Herr seiner Entschlüsse blieb. B. Sachverhalt A traf mit der Z, derer er sich zu diesem Zeitpunkt gewaltsam bemächtigt hatte, um mit ihr nach dem Beziehungsaus zu reden und sie für sich zurückzugewinnen, auf den in einem Gebüsch schlafenden P. A führte in seiner rechten Hand ein Messer mit sich und kam auf die Idee, das Geld des P zu entwenden. Er zog dem schlafenden P daher das Portemonnaie aus der Gesäßtasche und steckte es in seine Gürteltasche. Sodann durchsuchte er dessen Rucksack nach Stehlenswertem. Als er den Rucksack wieder auf den Boden legte, wachte P auf. Um sich den Besitz der Geldbörse zu sichern und die befürchtete Gegenwehr des P von vornherein zu unterbinden, stach A unvermittelt viermal kraftvoll auf P ein, wobei er dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Der völlig überraschte P sprang nach dem vierten Stich plötzlich auf und lief davon, während ihm A noch einen weiteren Stich verpasste. Daraufhin ließ A von P ab, weil er nicht gleichzeitig diesem nachlaufen und die Z im Blick behalten konnte. Daher entschloss er sich, P nicht weiter zu verfolgen. Der lebensgefährlich verletzte P wurde kurz darauf von Passanten gefunden und gerettet. C. Anmerkungen Zieht der Täter äußere Umstände in seinen Entschluss, die Tat abzubrechen, mit ein, so ergeben sich Streitpunkte bei der Frage, ob Freiwilligkeit vorliegt. Nach der ständigen Faustformel des BGH, welche auch in diesem Beschluss Erwähnung gefunden hat, liegt Freiwilligkeit dann vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist. Auch die Erhöhung des Entdeckungsrisikos steht nach dem BGH der Annahme der Freiwilligkeit nicht von vornherein entgegen, da der Täter in der Zeit bis zum Eintreffen von feststellungsbereiten Dritten noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss. Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen wurde, welches der Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist dieser nicht mehr „Herr seiner Entschlüsse“. Dies führt dann dazu, dass eine daraufhin erfolgende Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen ist. D. In der Prüfung 0. Vorprüfung I. Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafaufhebungsgrund: Rücktritt 1. Kein fehlgeschlagener Versuch 2. Unbeendeter/beendeter Versuch 3. Freiwilligkeit (!) E. Zur Vertiefung Zum Rücktritt des Einzeltäters: Rengier, Strafrecht AT, 12. Aufl., München 2020, § 37. Entscheidung-der-Woche-42-2020 .pdf PDF herunterladen • 289KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 16-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 16-2020 (SR) Btissam Boulakhrif Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: OVG Thüringen 3 KO 620/18 A. Orientierungs- oder Leitsatz Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags. Der Handschlag stellt zwar keinen statusbegründenden, dennoch einen verpflichtenden symbolischen Akt dar. B. Sachverhalt Die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach vereidigte die Stadträte. Dafür sprach sie eine Erklärung vor, auf die Stadträte mit „Ich verpflichte mich.“ zu reagieren hatten. Die Stadträte taten dies jeweils, darunter auch der durch einen Wahlvorschlag der NPD gewählte Stadtrat W. Nach Ausspruch schüttelte die Oberbürgermeisterin jedem der Stadträte die Hand, außer jenen die durch den Wahlvorschlag der NPD in den Stadtrat gewählt wurden, darunter auch W. W begehrt nun, dass festgestellt werde, dass das Unterbleiben des Handschlages eine rechtswidrige Handlung der Oberbürgermeisterin darstellt. C. Anmerkungen Nachdem das zuständige VG in dieser Sache urteilte, dass dem Handschlag rein symbolischer Charakter zukäme und die Verweigerung eine hinnehmbare politische Symbolhandlung darstelle. Zudem wurde auch das Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Dieses Urteil wurde durch das OVG aufgehoben. Sowohl das Feststellungsinteresse, als auch die Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Handschlags wurden bejaht. Das Feststellungsinteresse resultiert zum einen aus dem Rehabilitationsinteresse und zum anderen aus seiner organschaftlichen Stellung. Bezüglich letzterem wurde ausgeführt, dass es sich bei dem in Frage stehenden Handschlag um Teil eines gesetzlich normierten Prozesses zur formalen Begründung seines Amtes handele. Es könne ihm nicht das Interesse abgesprochen werden, da es sich nicht nur um einen Rechtsstreit hinsichtlich der Ausübung seiner organschaftlichen Rechte, sondern bereits hinsichtlich der Begründung seines organschaftlichen Status, handelt. Es liegt zum anderen auch ein Feststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Durch die Ungleichbehandlung sei er in seinem Achtungsanspruch herabgesetzt worden, weshalb es ihm zustünde in Erfahrung zu bringen, ob dies rechtwidrig erfolgte. Dies sei insbesondere der Fall, da die Beklagte gerade eine öffentlichkeitswirksame Abgrenzung beabsichtigte. Die Wiederholungsgefahr dieses Verhaltens könne laut OVG dahinstehen. Das OVG sah die Klage weiterhin als begründet an. Zunächst stellte es fest, dass der Handschlag in § 24 Abs. 2 ThürKO gesetzlich vorgeschrieben war und dieser Verpflichtung durch die Oberbürgermeisterin nicht nachgekommen wurde. Es folgte insoweit der Ansicht des VG, als dass es ebenfalls feststellte, dass es sich bei dem Handschlag nicht um einen statusbegründenden Akt handelt. W also trotz der Verweigerung sein Amt bekleiden konnte. Dies folge aus § 24 Abs. 2 S. 2 ThürKO. Jedoch sei der Wortlaut des § 24 Abs. 2 ThürKO bezüglich der Verpflichtung zum Handschlag eindeutig. Diese ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzgebers. Das Erfordernis einer subjektiven inneren Bereitschaft existiere nicht und somit erfordere auch der symbolische Charakter, dass sowohl die amtierende Bürgermeister*in, als auch die jeweiligen Stadträte, sich diesem nicht entziehen. Weiterhin dürfe der Gesetzgeber von einer Bürgermeister*in erwarten, dass die Person, die bereit ist als politische und administrative Repräsentantin der Gemeinde, das Amt der Bürgermeister*in zu bekleiden ist, auch in der Lage ist die eigene Bereitschaft zum Handschlag, nicht von persönlichen Sympathien oder Antipathien abhängig zu machen. Interessant ist wohl die Betrachtung dieser Rechtsauffassung im Lichte der uns wohl noch länger beschäftigenden Coronavirus Pandemie. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit der Klage I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs II. Statthafte Klageart III. Klagebefugnis IV. Feststellungsinteresse V. Beteiligtenfähigkeit VI. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen B. Begründetheit der Klage I. Passivlegitimation II. Rechtsverletzung E. Zur Vertiefung https://verfassungsblog.de/die-zwei-koerper-der-buergermeisterin/ Entscheidung-der-Woche-16-2020 .pdf PDF herunterladen • 104KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 48-2019 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 48-2019 (ÖR) Frederike Hirt Eine Selbstbindung der Verwaltung kann sich durch jahrzehntelang gewährte Sperrzeitverkürzungen ergeben. Haben sich hierdurch Gaststättenbetreiber auf ein entsprechendes Betriebsmodell eingerichtet, bedarf es zur Änderung der Verwaltungspraxis neben sachgerechten Erwägungen auch einer angemessenen Übergangsfrist. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: VGH Mannheim, Beschl. v. 12.12.2018 - 6 S 2448/18 in: NVwZ-RR 2019, 774 BeckRS 2018, 34107 A. Leitsatz Eine Selbstbindung der Verwaltung kann sich durch jahrzehntelang gewährte Sperrzeitverkürzungen ergeben. Haben sich hierdurch Gaststättenbetreiber auf ein entsprechendes Betriebsmodell eingerichtet, bedarf es zur Änderung der Verwaltungspraxis neben sachgerechten Erwägungen auch einer angemessenen Übergangsfrist. B. Sachverhalt (verkürzt) Seit 1992 erhält der Gaststättenbetreiber durchgehend eine auf sechs Monate befristete Sperrzeitverkürzung bis 06:00 Uhr. Der Antrag auf erneute Sperrzeitverkürzung für Juli-Dezember 2018 wurde unter Bezugnahme auf Anwohnerbeschwerden abgelehnt. Die Behörde habe ihre Verwaltungspraxis zur Erteilung daher geändert. Andere Gaststätten in räumlicher Nähe erhielten allerdings eine Verkürzung. Der Gaststättenbetreiber erhob Widerspruch und beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem Ziel vorläufig eine Sperrzeitverkürzung zu erhalten. C. Anmerkungen Anspruchsgrundlage für eine Sperrzeitverkürzung ist in Baden-Württemberg § 18 GastG i.V.m. § 12 GastVO. In Niedersachsen gelten für Gaststätten von vornherein keine Sperrzeiten, für Spielhallen gelten Ausnahmen nach § 10 NGastG i.V.m. § 2 SperrZVO. Der Schwerpunkt des Falles liegt in der Frage, ob das Ermessen der Verwaltung dahingehend auf Null reduziert ist, dass die Ausnahme von den Sperrzeiten dem Betreiber zugesprochen werden muss. Das könnte sich aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine rechtmäßige Verwaltungspraxis hinsichtlich der Bewilligung von Sperrzeitverkürzungen besteht. Indem eine Sperrzeitverkürzung dem Gesetzeswortlaut nach nur befristet und widerruflich bewilligt werden darf, könnte die durchgängige Bewilligungspraxis der Zielsetzung der Ausnahmeregelung widersprechen. Dann wäre sie rechtswidrig, ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht gerade nicht. Allerdings erkenne die GastVO in § 11 die Möglichkeit einer dauerhaften Ausnahme an. Auch bestünden für die „kettenbefristeten“ Sperrzeitaufhebungen gerade im Innenstadtbereich besondere örtliche Verhältnisse. Durch die ständige Praxis seit 1992 liegt somit eine rechtmäßige Verwaltungspraxis vor, die grundsätzlich zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Es steht der Behörde aber offen ihre Verwaltungspraxis für die Zukunft zu ändern, sofern ein sachlicher Grund vorliegt. Weder eine individuelle noch eine generelle Änderung habe die Behörde aber sachgerecht begründet. Denn andere Betreiber erhielten noch eine Sperrzeitverkürzung, konkrete Gründe nur dem Antragsteller die Ausnahme zu versagen, hätten nicht vorgelegen. Darüber hinaus stellt der VGH klar, dass die Behörde eine angemessene Übergangsregelung hätte treffen müssen. Dies gebiete der Vertrauensschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG. Selbst wenn die Änderung der Verwaltungspraxis sachgerecht gewesen wäre, hätte die Behörde die Sperrzeitverkürzung erst nach Ankündigung der Änderung und einem gewissen Zeitablauf versagen dürfen. Schließlich muss der Gaststättenbetreiber sein Betriebskonzept nach 25 Jahren Nachtbetrieb finanziell und strukturell neu aufstellen, wenn er keine Ausnahme mehr erhält bis 06:00 Uhr früh geöffnet zu haben. Ohne diese Ankündigung wäre eine Versagung auch ermessensfehlerhaft. Der VGH prüft in der Entscheidung sehr anschaulich die Voraussetzungen einer Selbstbindung der Verwaltung – vom Bestehen einer Praxis über ihrer Rechtmäßigkeit bis hin zu ihrer Beendigung sind alle Punkte enthalten, an denen eine Selbstbindung scheitern könnte. Sollte dies einmal der Fall sein, gilt es dennoch an Ermessensfehler durch Vertrauensschutzgesichtspunkte und mögliche Übergangsregelungen zu denken. D. In der Prüfung Begründetheit des Antrags I. Anordnungsanspruch 1. Anspruchsvoraussetzungen aus § 18 GastG i.V.m. § 12 GastVO 2. Rechtsfolge: Ermessensreduktion Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Selbstbindung der Verwaltung (!) II. Anordnungsgrund § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO III. Glaubhaftmachung § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO IV. Rechtsfolge: Ermessen des Gerichts und Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache (!) E. Zur Vertiefung Kluckert, Die Selbstbindung der Verwaltung, JuS 2019, 536ff. Entscheidung-der-Woche-48-2019 .pdf PDF herunterladen • 94KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 30-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 30-2020 (SR) Malte Gauger Dass ehemalige Bewohner nicht mehr in ihren Wohnungen leben, lässt die Wohnungseigenschaft i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht entfallen. (Leitsatz der Redaktion) Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 526/19 in: NJW 2020, 1750 BeckRS 2020, 7873 A. Orientierungs- oder Leitsatz Dass ehemalige Bewohner nicht mehr in ihren Wohnungen leben, lässt die Wohnungseigenschaft i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht entfallen. (Leitsatz der Redaktion) B. Sachverhalt Nach einigen begangenen Diebeszügen beschließt A, vorrangig in Häuser von Verstorbenen einzubrechen. Über entsprechende Todesfälle informiert er sich durch das Studieren der Traueranzeigen in der Tageszeitung. Er lässt sich für sein Vorhaben die Unterstützung des B zusichern. Seinem Plan entsprechend hebelt A am 6.5.2020 ein Fenster am Haus eines zwei Wochen zuvor Verstorbenen auf. Er steigt ein, während B draußen den Fluchtweg absichert. Die Beute von 60 € Bargeld teilen A und B untereinander auf. Einige Tage später hebelt A die Terrassentür zu einer weiteren Immobilie auf. Auch dieses Haus steht leer, weil dessen Bewohnerin kurz zuvor verstorben war. Dort entnimmt er einen Tresor und flüchtet gemeinsam mit B, der erneut den Fluchtweg absicherte, vom Grundstück. Dem Tresor entnehmen sie später 1.000 € Bargeld. C. Anmerkungen In der vorliegenden Entscheidung beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob Wohnungen (auch) dann unter den Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB fallen, wenn die Häuser zur jeweiligen Tatzeit seit dem Tod ihrer Bewohner unbewohnt waren. Der BGH hat das Vorliegen der Qualifikation im Ergebnis angenommen und hat dazu wie folgt ausgeführt: Wohnungen sind zunächst abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen. Die Häuser waren hier jeweils eingerichtet und als Unterkunft voll funktionstüchtig. Auch führt der BGH ein Wortlautargument an. Der Begriff der Wohnung bezeichne eine für die private Lebensführung geeignete und in sich abgeschlossene Einheit [...]. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei somit der Zweck der Stätte maßgebend, aber nicht, dass das Objekt tatsächlich bewohnt ist. Dieser Argumentation entspreche auch, dass ebenso Wohnmobile und Wohnwagen tatbestandlich auch dann unter den Wohnungseinbruchdiebstahl fallen, wenn sie zur Tatzeit nicht zum Wohnen genutzt werden. Ferner werde die Betrachtungsweise auch von der Gesetzessystematik bestätigt. Denn spätestens mit der Einführung des § 244 Abs. 4 StGB, der den Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung regelt, habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die (dauerhafte) Nutzung der Wohnung nicht als tatbestandliche Voraussetzung des einfachen Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstanden wissen will. Letztlich stellt der BGH auch noch auf den Sinn und Zweck der Qualifikation ab. Die Vorschrift schütze das Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen sowie die häusliche Integrität. Diese Rechtsgüter können auch dann verletzt sein, wenn sie neben den aktuellen Bewohnern weiteren Personen zugeordnet werden können, die einen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen, etwa weil sie sich häufig in ihnen aufhalten, weil es ihr Elternhaus ist oder weil sie in dem Haus private Gegenstände lagern. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Fremde bewegliche Sache b) Wegnahme c) § 244 StGB aa) § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (P) Wohnungseigenschaft E. Zur Vertiefung Zum Wohnungseinbruchdiebstahl allgemein: Rengier, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 82ff.; Siehe vertiefend auch: Bosch, Die Strafbarkeit des Wohnungseinbruchdiebstahls, Jura 2018, 50-59. Entscheidung-der-Woche-30-2020 .pdf PDF herunterladen • 297KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 27-2020 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 27-2020 (SR) Yael Prantl Ein Kraftfahrer, der bei einem illegalen Autorennen in einer Ortschaft mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit einen anderen Menschen tötet, kann sich wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar machen. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 482/19 in: Pressemitteilung d. BGH Nr. 78/2020 v. 18.06.2020 (Entscheidung liegt noch nicht gedruckt vor) A. Orientierungs- oder Leitsatz Ein Kraftfahrer, der bei einem illegalen Autorennen in einer Ortschaft mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit einen anderen Menschen tötet, kann sich wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar machen. Bei Kraftfahrern, die an einem solchen Autorennen teilnehmen, deren Fahrzeug allerdings nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert, bleibt eine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes vorerst aus. Aufgrund eines mangelnden gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschlusses kann keine Mittäterschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB angenommen werden. B. Sachverhalt A und B lieferten sich nachts in der Innenstadt von C ein illegales Autorennen mit hohen Geschwindigkeiten. Beide rasten auf eine Kreuzung zu und ignorierten dabei die roten Ampeln. A rammte auf der Kreuzung mit bis zu 170 km/h ein Auto, das bei grün regelkonform aus einer Seitenstraße fuhr. Der Fahrer dieses Wagens starb noch am Unfallort. Haben sich A und B wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. §§ 211, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das LG Berlin hat auch im zweiten Rechtsgang beide Angeklagten wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. § 211, 25 Abs. 2 StGB verurteilt. Der BGH stimmte dem nur zum Teil zu. Für den unmittelbar beteiligten Unfallverursacher (A) wurde der Schuldspruch wegen Mordes bestätigt. Aufgrund der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des A und der damit einhergehenden unvermeidbaren Unfallträchtigkeit könne auf die billigende Inkaufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen für den Unfallgegner geschlossen werden. A habe den Unfallhergang als möglich erkannt, die damit einhergehende Eigengefahr jedoch als gering eingeschätzt und hingenommen. Der BGH erkennt es damit in diesem Fall als rechtsfehlerfrei an, den bedingten Vorsatz aus den äußeren Tatumständen abzuleiten. Auch die Bewertung der Tat als heimtückischen und Mord aus niedrigen Beweggründen bestätigte der BGH. Bei der Heimtücke sei es nicht erforderlich, dass der Täter das Opfer wahrnehme oder seine Arglosigkeit instrumentalisiere. Die Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht der Männer spreche überdies für die Annahme niedriger Beweggründe. Dagegen wies der BGH die Wertung als Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in ihrer subjektiven Komponente als rechtsfehlerhaft zurück, was sich jedoch nicht auf den Strafausspruch auswirkte. Die Verurteilung des B wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. § 211, 25 Abs. 2 StGB hob der BGH auf. Es mangele insoweit an einem gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschluss. Angesichts der Fokussierung auf das Rennen sei es fernliegend, dass die beiden Angeklagten beim Zufahren auf die Kreuzung ihren gemeinsamen Tatentschluss konkludent auf die Tötung erweitert hätten. Eine mittäterschaftliche Zurechnung der Tat des Unfall-verursachers (A) sei somit nicht ausreichend belegt. Dies ist deshalb vom LG Berlin erneut, in einem dritten Rechtsgang, zu verhandeln. D. In der Prüfung A. Strafbarkeit des A I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tötung eines anderen Menschen b) Tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe): Heimtücke; mit gemeingefährlichen Mitteln c) Kausalität d) Objektive Zurechnung 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz: Abgrenzung zur Fahrlässigkeit b) Täterbezogene Mordmerkmale: Sonstige niedrige Beweggründe B. Strafbarkeit des B I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tathandlung b) Zurechnung der Tathandlung: gemeinsamer Tatentschluss E. Zur Vertiefung Allgemein zum Mord: Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 21. Aufl. 2020, § 4; vertiefend: LG Berlin, Urt. v. 26.03.2019 – (532 Ks) 251 Js 52/16 (9/18). Entscheidung-der-Woche-27-2020 .pdf PDF herunterladen • 91KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 37-2025 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 37-2025 (ÖR) Yannik Bogel Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks dessen Funktionsfähigkeit und Programmautonomie zu schützen und muss dem Gebot der Staatsferne folgen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: 1BVR 2578/ 24 in: Entscheidungsarchiv BVerfG A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks dessen Funktionsfähigkeit und Programmautonomie zu schützen und muss dem Gebot der Staatsferne folgen. 2. Verfehlt der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Anforderungen sind die Anstalten des öffentlichen Rundfunks in ihrer Rundfunkfreiheit nach Art.5 I S.2 GG verletzt. 3. Bei der Organisation der Geschäftsleitung aber ist dem Gesetzgeber von Verfassung wegen kein bestimmtes Modell vorgegeben, es kommt ihm vielmehr Gestaltungsfreiheit zu. 4. Die Schaffung eines eigenen Direktoriums neben der Intendanz durch den Landesgesetzgeber verletzt nicht das Recht auf Rundfunkfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. B. Sachverhalt Die Länder Berlin und Brandenburg schlossen im November 2023 den rbb-Staatsvertrag, welcher am 01.Januar 2024 in Kraft trat. Damit möchte der Gesetzgeber Konsequenzen aus den 2022 veröffentlichenVersäumnissen bei rbb ziehen und strukturellen Defiziten entgegentreten. So bildet der Staatsvertrag den neuen Rechtsrahmen für rbb.Der öffentliche-rechtliche Rundfunk rbb greift nun in seiner Beschwerde Bestimmungen dieses Staatsvertrages an, vor allem § 15 Nr. 3 und 4. In diesen ist geregelt, dass zusätzlich zur Intendanz ein weiteres Organ der Geschäftsleitung berufen wird, das neue Direktorium. Dessen Zuständigkeiten werden unter Verweis auf die Gesamtverantwortung der Intendanz festgelegt. Ihm werden eigene Geschäftsbereiche zugewiesen, die es selbstständig leitet. Zudem ist es zusammen mit der Intendanz für die Klärung von Meinungsverschiedenheiten, die mehrere Geschäftsbereiche berühren, zuständig. C. Anmerkungen Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde als zulässig, aber unbegründet empfunden.Vor der weiteren Prüfung der Beschwerde hat es festgestellt, dass das BVerfG auch zur Prüfung der entsprechenden Bestimmungen des Staatsvertrags zuständig ist, obwohl Art.5 des EuropäischenMeinungsfreiheitsgesetzes eine eigene Pflicht zur Sicherstellung redaktioneller Unabhängigkeit vorsieht. Die entsprechenden Grundsätze sind schließlich erst auf innerstaatlicher Ebene festzulegen.Bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er hat bei seiner Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit des Rundfunks und seiner Programmautonomie gewahrt werden. Ebenfalls muss er dem Gebot der Staatsferne folgen. Verstößt er gegen diese Anforderungen, so ist die Rundfunkanstalt in ihrer Rundfunkfreiheit verletzt. Die vom rbb gerügte Schwächung der Intendanz führt nicht notwendig zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit, sondern nur zu einer anderen Entscheidungsstruktur. Die Einrichtung kooperativer Entscheidungsfindungen steht dem Rundfunkgesetzgeber grundsätzlich offen. Zudem dient die Widerspruchsmöglichkeit der Intendanz dazu, untragbare Entscheidungen zu verhindern. Mögliche personelle Konsequenzen für Direktoriumsmitglieder durch den Landesgesetzgeber erhöhen zudem Druck zur Verständigung auf Kompromisslösungen. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit II. Begründetheit 1. Schutzbereich 2. Eingriff 3. Rechtfertigung a) Schranken b) Schranken-Schranken (P) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers E. Literaturhinweise Pressemitteilung 75/2025 vom 21. August 2025 des Bundesverfassungsgerichts Entscheidung der Woche 37-2025 .pdf PDF herunterladen • 95KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 44-2024 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 44-2024 (ÖR) Patrick Carl Cordaro § 20a S. 1 Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HSVG) vom 20.07.2023 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen S. 614) verstößt, soweit er auf § 20a Satz 3 HSVG Bezug nimmt, gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und ist nichtig. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BVerfG, Beschl. v. 17.07.2024 - 1 BvR 2133/22 Fundstelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2024/07/rs20240717_1bvr213322.html A. Leitsätze (gekürzt) 1. § 20a S. 1 Hessisches Verfassungsschutzgesetz (HSVG) vom 20. Juli 2023 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen S. 614) verstößt, soweit er auf § 20a Satz 3 HSVG Bezug nimmt, gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und ist nichtig. 2. Technische Mittel nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 HSVG dürfen, soweit kein Fall des § 9 Abs. 2 HSVG vorliegt, nur zur punktuellen und nicht längerfristigen Nachverfolgung der Bewegungen des Mobilfunkendgerätes einer beobachteten Person eingesetzt werden. 3. Für besondere Auskunftsersuchen nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 HSVG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 2-5 HSVG, sowie nach § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 und 2 HSVG müssen auch tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass die Schutzgüter des Verfassungsschutzes konkret bedroht sind und dass das gegen sie gerichtete Handeln erfolgreich sein kann. 4. Die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangter personenbezogener Daten nach § 20b Abs. 2 HSVG an inländische öffentliche Stellen, die über operative Anschlussbefugnisse verfügen, ist nur zulässig, wenn eine mindestens konkretisierte Gefahr vorliegt. B. Sachverhalt Nach der Änderung des HSVG als Reaktion auf das Urteil des BVerfG zum Bayerschen Verfassungsschutzgesetz in 2023 reichten erneut fünf Personen Verfassungsbeschwerde ein. Die Beschwerde bezog sich auf verschiedene Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse, mitunter Regelungen zur Handyortung, zur Abfrage von Flugdaten und zum Einsatz verdeckter Ermittler. Diese sollen nach Verfahren gem. HSVG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen, welches Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG ist. C. Anmerkungen Die Verfassungsbeschwerde hat überwiegend Erfolg. Eine Handortung, wie in § 9 Abs. 1 Nr. 2 HSVG vorgesehen, ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, da er eine enge und vor Allem lange Überwachung der Bewegung erlaube. Es fehle an einer gesteigerten Beobachtungsbedürftigkeit, um einen solchen Eingriff zu rechtfertigen. Auch die Eingriffsschwelle für verdeckte Ermittlungen hält das BVerfG für zu niedrig und damit für verfassungswidrig. Auch bei Abfrage persönlicher Flug- und Reisedaten ist aufgrund ihrer niedrigen Eingriffschwelle verfassungswidrig. Selbst wenn sich die Abfrage also nur auf einen Zeitraum beschränke, könne so dennoch eine weitreichendere Reise- und Fortbewegung nachvollzogen werden. Eine genaue Beschränkung der Abfrage fehle. Auch die Übermittlung von nachrichtendienstlich ermittelten persönlichen Daten an Behörden der Strafverfolgung bei einem Verdacht besonders schwerer Straftaten aus § 20a HSVG gilt als verfassungswidrig. Hier fehlt es der Legaldefinition der besonders schweren Straftaten in § 20a HSVG an Gewicht. § 20 a S. 1 erklärt das BVerfG sodann als nichtig, zumindest, wenn er sich auf S. 3 bezieht. Der hessische Gesetzgeber hat nun Zeit nachzubessern. D. In der Prüfung Rechtssatzsverfassungsbeschwerde I. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde 1. Zuständigkeit 2. Beteiligtenfähigkeit 3. Prozessfähigkeit 4. Tauglicher Beschwerdegegenstand 5. Beschwerdebefugnis a) Möglichkeit der Grundrechtsverletzung b) (P) Betroffenheit des Beschwerdeführers 6. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität 7. Form und Frist II. Begründetheit Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung E. Literaturhinweise https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/1bvr213322-bverfg-verfassungsschutz-hessen-sicherheit-grundrechte Entscheidung der Woche 44-2024 .pdf PDF herunterladen • 431KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 34-2023 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 34-2023 (ZR) Nedime Bagarkasi Beim Autokauf stellt das subjektiv „unangenehme“ Empfinden des Käufers von dem Verhalten des Fahrzeugs bei einer sog. Gefahrenbremsung keinen Sachmangel der Kaufsache dar, wenn... Aktenzeichen & Fundstelle Az.: OLG Zweibrücken - 4 U 187/21 in: BeckRS 2022, 44785 LSK 2022, 44785 RÜ 2023, 480 Vorinstanz: LG Kaiserslautern - 4 O 945/19 A. Orientierungs - oder Leitsätze Beim Autokauf stellt das subjektiv „unangenehme“ Empfinden des Käufers von dem Verhalten des Fahrzeugs bei einer sog. Gefahrenbremsung keinen Sachmangel der Kaufsache dar, wenn die darin verbauten Assistenzsysteme technisch ordnungsgemäß arbeiten und das Fahrzeug tatsächlich kurs- und bremsstabil halten. B. Sachverhalt Der Kläger (K) begehrt von der Beklagten (B) die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises i.H.v. 21.470,00 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Kraftfahrzeugs. K erwarb bei der B einen neuen PkW zum Kaufpreis von 21.470,00 €. Bei der Nutzung des Fahrzeuges hatte K jedoch das Gefühl, dass an der Bremsanlage schwerwiegende Probleme bestehen. Grund hierfür war, dass K den Eindruck gewonnen hatte, dass bei starkem Abbremsen das Fahrzeugs derart stark nach rechts verzieht, dass es entweder zu einem unkontrollierten Fahrbahnwechsel kommt oder die Gefahr besteht,von der Fahrbahn abzukommen. Auch bei einem leichten Abbremsen vernahm K ein leichten „Schlenker“ nach rechts. Daher forderte K die B auf den Mangel zu beseitigen. Nach Überprüfung des Pkw konnte B jedoch keine Mängel feststellen, sodass der Kläger das Fahrzeug im ursprünglichen Zustand zurückerhielt. Mit Schreiben vom 12.11.2019 erklärte K gegenüber B wegen der Nichtbehebung des beanstandeten Problems den Rücktritt vom Kaufvertrag. B war zur Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises nicht bereit, da dieser bei der Überprüfung des Fahrzeugs keine Mängel feststellen konnte. In erster Instanz vor dem Landgericht Kaiserslautern blieb der Kläger K erfolglos. Hiernach legte K Berufung vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ein. C. Anmerkungen Das OLG hat einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Vertrages gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB sowie den hilfsweise begehrten Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB verneint. Grund hierfür ist, dass bereits kein Sachmangel iSd § 434 BGB a.F. vorliegt. Als möglicher Sachmangel kommt lediglich eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F. in Betracht. Ob eine Sache der üblichen Beschaffenheit entspricht, ist danach zu beurteilen, ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. Die Beurteilung dessen hat aus derSicht eines objektiven Durchschnittskäufers zu erfolgen. So führt das OLG hierzu aus, dass ein Pkw sich für die gewöhnliche Verwendung grundsätzlich dann eignet, wenn das Fahrzeug keine technischen Mängel zeige, die die Zulassung zum Straßenverkehr verhindern oder auch die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen könnten. Im Rahmen der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, stellt das OLG klar, dass das Kraftfahrzeug während des Bremsvorgangs bremsstabil bleiben müsse. Beim Bremsen habe sich das Fahrzeug demnach spurneutral zu verhalten, sodass ein Ausweichen nach links oder nach rechts nicht bestehen dürfe. Bei durchgeführten Probefahrten waren am Fahrzeug des Klägers zunächst keine Mängel feststellbar. Der Sachverständiger stellte jedoch auch klar, dass das Heck des Fahrzeugs zum Übersteuern neige. Dieses Phänomen des Übersteuerns sei für den Insassen deutlich wahrnehmbar. Es erzeuge beim Fahrer jedoch zunächst nur den Eindruck bzw. das unangenehme Gefühl eines unkontrollierten Schleudervorgangs. Das Fahrzeug selber verfüge nämlich über einen eingebauten und ausreichenden Sicherheitsmechanismus, der das Übersteuern kompensiere und somit das Fahrzeug stabilisiere und einen Schleudervorgang verhindere. Das OLG erklärt hierzu, dass dieses wahrnehmbare und unangenehme Gefühlfür einen Sachmangel i.S.d. § 434 a.F. nicht ausreiche. Die subjektiven Erwartungen des Klägers seien hier nicht entscheidend. Entscheidend sei vielmehr, dass am Fahrzeug des Klägers keine Sicherheitsmängel auftraten und auch die verbauten Assistenzsysteme zuverlässig reagierten, sodass eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit nicht vorliege. Das Problem des Übersteuerns trete dabei auch nur im Rahmen einer Gefahrenbremsung ein, die jedoch selber nur selten zur Anwendung komme und damit nicht mit einem alltäglichen Fahrverhalten einhergehe. Mithin gehöre es auch nicht zur üblichen Beschaffenheit eines PKW, dass auch in solchen Ausnahmesituationen ein angenehmes Fahrgefühl des Fahrers gewährleistet werde. So berechtigt ein rein als unangenehm empfundenes Fahrgefühl bei erfolgter Gefahrenbremsung den Käufer eines PKW nicht dazu vom Vertrag zurückzutreten. D. In der Prüfung Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB I. Kaufvertrag II. Sachmangel bei Gefahrübergang (P) III. Angemessene Fristsetzung zur Nacherfüllung (Beachte: Mögliche Entbehrlichkeit § 323 II, 440) IV. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 323 V oder § 323 VI V. Rücktrittserklärung, § 349 VI. Rechtsfolge, § 346 E. Literaturhinweise RÜ 2023, 480 (m. Anm. Jannina Schäfer & mit Anwednung des § 434 n.F.); NJ 2022, 14 Deutschmann: Der neue Sachmangelbegriff des § 434 BGB n.F. Entscheidung-der-Woche-34-2023 .pdf PDF herunterladen • 121KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 27-2025 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 27-2025 (SR) Monika Möller Die in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen müssen von längerer Dauer sein. Diese "Langwierigkeit" der schweren Folge ist Teil des tatbestandlichen Erfolgs; fehlt es hieran, ist der Tatbestand nicht vollendet. "Längere Dauer" ist dabei nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen. Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des – länger währenden – krankhaften Zustands nicht abgesehen werden kann. Aktenzeichen und Fundstelle Az: BGH 1 StR 403/23, Beschl. v. 17.04.2024 In: BeckRS 2024, 10222 openJur 2024, 4623 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Die in § 226 Abs. 1 StGB bezeichneten schweren Folgen müssen von längerer Dauer sein. Diese "Langwierigkeit" der schweren Folge ist Teil des tatbestandlichen Erfolgs; fehlt es hieran, ist der Tatbestand nicht vollendet. "Längere Dauer" ist dabei nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen. Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des – länger währenden – krankhaften Zustands nicht abgesehen werden kann. 2. Die in den Tatplan aufgenommene Identität des Opfers begründet lediglich ein außertatbestandliches Ziel des Täters; erkennt dieser eine Personenverwechselung, steht dies einem Rücktritt vom beendeten Versuch nicht entgegen. 3 . Ein nach der Tätervorstellung "sinnlos gewordener" Tatplan führt weder zum Ausschluss eines Rücktritts noch zwingend zur Unfreiwilligkeit desselben, denn die tatbestandliche Ausgestaltung der Rücktrittsregelung verlangt nicht, dass der Täter sich vom ursprünglichen Ziel seiner Tat abwendet, sondern allein, dass er die tatbestandliche Vollendung verhindert. Maßgeblich ist der sog. Rücktrittshorizont des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung und nicht seine Tatplanperspektive. B. Sachverhalt Der Facharzt A sollte den 17-jährigen unter Autismus leidenden P zur Behebung eines beidseitigen Leistenbruchs operieren. Bei einem weiteren Patienten, dem G, sollte ebenfalls eine Leistenoperation vorgenommen werden und zeitgleich eine Sterilisation durchgeführt werden. Im Zuge der Operation des P führte A irrtümlich eine Sterilisation durch und durchtrennte beide Samenleiter mit dem dafür vorgesehenen Operationsbesteck, weil er ihn mit dem G verwechselte – bei dem dieser Eingriff eigentlich vorgesehen war. Unmittelbar nach seinem Eingriff erkannte A seinen Fehler, informierte die Mutter und vermittelte P an einen Spezialisten. Zwei Wochen später wurde eine sechsstündige Operation zur Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit an P durchgeführt, wobei unklar ist, ob diese tatsächlich erfolgreich war. C. Anmerkungen Das LG verurteilte A wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung in Tatmehrheit mit schwerer Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Diese hielt der revisionsgerichtlichen Prüfung des BGH nicht stand. Zunächst habe das LG das Durchtrennen der beiden Samenleiter des P im Ansatz zutreffend rechtlich als beendeten Versuch einer schweren Körperverletzung gewertet. Weil die Zeugungsfähigkeit des P zwei Wochen nach der Sterilisation – nicht ausschließbar und damit in dubio pro reo – wiederhergestellt wurde, fehle es nämlich an der Langwierigkeit und damit am Eintritt der schweren Folge, womit die Tat nicht vollendet worden sei. Der Versuch sei auch gerade nicht fehlgeschlagen, vielmehr habe der A die Vollendung der Tat weiterhin für möglich gehalten. Nach der Rspr. des BGH mache auch ein error in persona die Tat nicht fehlgeschlagen, solange die Vollendung noch verhindert werden könne. In der Literatur werde ein Rücktritt in solchen Fällen auch überwiegend für möglich gehalten, sofern der Täter sich um die Rettung des Opfers bemühe. Mit dem Durchtrennen der Samenleiter habe A alles für die Zeugungsunfähigkeit des P getan gehabt. Erst mit der Erkenntnis des error in persona habe sich für ihn die Möglichkeit eines Rücktritts ergeben, indem er aktiv Maßnahmen zur Verhinderung der dauerhaften Unfruchtbarkeit ergriff. Jedoch habe das LG bei der Beurteilung der Freiwilligkeit des Rücktritts einen unzutreffenden Maßstab angelegt. Es hätte sich hierfür am Tatbegriff des § 24 StGB orientieren müssen, nicht am Tatplan des A. Das neue Tatgericht müsse nun prüfen, ob der A die Wiederherstellung der Zeugungsfähigkeit eigenständig veranlasst habe oder sich durch die Tataufdeckung dazu gezwungen sah. D. In der Prüfung A. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, § 226 I Nr. 1 Var. 4 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikt und der Qualifikation 2. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz bzgl. des Grunddelikts und Vorsatz bzgl. verwirklichter Qualifikationsmerkmale) 3. Erfolgsqualifikation des § 226 I Nr. 1 Var. 4 StGB (-) II. Rechtswidrigkeit und Schuld B. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, 226 I Nr. 1 Var. 4, II, 22, 23 I StGB I. Vorprüfung (Strafbarkeit des Versuchs und Nichtvollendung) II. Tatentschluss III. Unmittelbares Ansetzen IV. Rechtswidrigkeit und Schuld V. Rücktritt 1. kein fehlgeschlagener Versuch (P) 2. unbeendeter oder beendeter Versuch 3. Verhinderung der Vollendung 4. Freiwilligkeit E. Literaturhinweise Wegner/Zech/Krüger/Wenglarczyk, Studienbuch Strafrecht BT I, 2024, S. 148. Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 24 Rn. 11. Entscheidung der Woche 27-2025 .pdf PDF herunterladen • 221KB Zurück Nächste












