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- Entscheidung der Woche 48-2024 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 48-2024 (ZR) Tim Nix In den Fällen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistung des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH X ZR 81/23 Fundstelle: GRUR-RS 2024, 15314; WM 2024, 1376 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. In den Fällen des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistung des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht. 2. Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Bestätigen der Schaltfläche einen auf den Abschluss aller Verträge gerichtete Erklärung abgibt. 3. Hat ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines nach § 312j Abs. 3 und Abs. 4 BGB unwirksamen Abonnementvertrags eine andere Leistung zu einem vergünstigten Preis erbracht, steht der Schutzzweck der genannten Vorschrift einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB und § 818 Abs. 2 BGB in der Regel entgegen. B. Sachverhalt Die Beklagte (B) betreibt ein Online-Buchungsportal. Auf diesem bietet Sie eine „Prime Mitgliedschaft“ an, welche Vergünstigungen für buchbare Reiseprodukte enthält. Bei einer Buchung mit dem Smartphone wird folgender Text angezeigt: „Kostenloses 30-Tage-Probeabo Testen Sie unser Rabatt-Abonnement 30 Tage lang kostenlos! Nur 74,99 EUR im Folgejahr. Rabatte auf 100 % der Flüge und Hotels. Jederzeit kündbar. Ansonsten wird das Probeabo nach Ablauf von 30 Tage automatisch auf ein kostenpflichtiges Abonnement aktualisiert“. Wird das entsprechende Feld ausgewählt, gilt für ausgewählte Flugreisen ein ermäßigter Tarif. Am Ende des Vorgangs gelangt der Kunde auf eine Maske „Ihr Reiseplan“, in welcher die Flugdaten wiedergegeben werden. Zudem steht dort: „30-Tage-GRATIS-Probeabo (…) Mit Ihrem 30-Tage Prime Gratis-Abo sparen Sie (…) EUR bei diesem Flug”. Unter dem Button „Jetzt kaufen“ steht geschrieben: „Durch Anklicken autorisieren Sie O., ein Prime-Benutzerkonto mit der eingegebenen E Mail-Adresse zu erstellen“. Die Klägerin (K) schloss ein Prime-Abonnement ab und buchte eine ermäßigte Flugreise. Im Folgenden wurde vom Konto der K der Flugpreis und die Abo-Jahresgebühr abgebucht. Im Nachgang hält K den Vertrag für nicht zustandegekommen und möchte die Jahresgebühr erstattet bekommen. C. Anmerkungen Der BGH geht davon aus, dass vorliegend kein Vertrag gem. § 312j Abs. 4 BGB zustandegekommen ist. Hier entspreche die konkrete Ausgestaltung des Bestellvorgangs nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB. Zwar sei die umgangssprachliche Verwendung des Wortes „Kauf“ unproblematisch, da sich daraus doch zweifelsfrei eine Zahlungspflicht für den Kunden ergibt. Jedoch bezwecke § 312j Abs. 3 BGB, dem Verbraucher aufzeigen zu wollen, welche Zahlungspflichten sein Handeln auslöst. Dem ist aber nicht genügt, wenn unersichtlich ist, welche Verträge der Verbraucher mit Betätigung der Schaltfläche abschließt. In diesem Fall war aus der Maske nicht erkennbar, dass es sich um einen einheitlichen Bestellvorgang für mehrere Leistungen handelt. Es fehlt an dem Hinweis auf die Zahlungspflicht für das Abonnement. Der erlangte Vorteil eines günstigeren Preises aufgrund des Abonnements kann aufgrund der Absolvierung der Reise nicht herausgegeben werden. Die Möglichkeit von Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB schließt der Schutzzweck des § 312j Abs. 4 BGB aus. Ein Verstoß gegen diesen kommt einem Verstoß gegen eine Formvorschrift gleich. Zudem soll § 312j Abs. 4 BGB vor einer Irreführung des Verbrauchers schützen. Dieser Zweck würde durch die Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB unterlaufen werden. D. In der Prüfung § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Ohne rechtlichen Grund a. Angebot und Annahme b. Unwirksamkeit nach § 312j Abs. 4 BGB aa. Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr bb. Zahlungspflicht cc. Verletzung von § 312j Abs. 3 BGB (P) 4. Keine Ausschlussgründe 5. Rechtsfolge (P) E. Literaturhinweise Reuter in: Kein Wertersatzanspruch des Unternehmers aus § 818 Abs. 2 BGB bei Verletzung einer Schutzpflicht aus § 312j Abs. 3 BGB, RÜ 2024, 550. Gramlich in: Bedeutung eindeutiger Bestell-Schaltflächen für Wirksamkeit von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr, GRUR-Prax 2024, 588. Entscheidung der Woche 48-2024 .pdf PDF herunterladen • 76KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 28-2019 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 28-2019 (ZR) Robin Dudda Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VII ZR 63/18 in: NJW 2019, 1867 MDR 2019, 406 NZBau 2019, 435 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten. 2. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGG auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen. B. Sachverhalt (verkürzt) Im Januar 2016 beauftragte die Klägerin (K) den Beklagten (B) mit der Wartung ihres Kraftfahrzeugs. Im Rahmen der Wartungsarbeiten tauschte B den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen für die Motorsteuerung aus. K beglich die Rechnung des B. Am 09.02.2016 traten erhebliche Probleme mit der Lenkung auf. K ließ das Kfz in die Werkstatt des L abschleppen, da B bis zum 10.02.2016 Betriebsferien gehabt hat. In der Werkstatt des L stellte sich heraus, dass B den Keilriemen nicht richtig angespannt hatte. Der aus diesem Grund gerissene Riemen hat sich um die Welle und das Gehäuse der Lichtmaschine gewickelt und diese beschädigt. Überreste des Riemens hatten sich um die Riemenscheibe der Servolenkungspumpe gewickelt mit der Folge, dass die Riemenscheibe gebrochen und die Dichtung der Servolenkungspumpe beschädigt wurde. Zudem waren Teile des Riemens in den Riementrieb des Zahnriemens gelangt. K ließ deshalb durch L Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine ersetzen. Mit der Klage hat K Schadensersatz in Höhe der von L in Rechnung gestellten Reparaturkosten von 1.715,57 Euro geltend gemacht. C. Anmerkungen Der Schwerpunkt dieser Entscheidung liegt in der Unterscheidung zwischen dem Schadensersatz neben sowie dem Schadensersatz statt der Leistung. Diese Unterscheidung ist insbesondere für das Erfordernis einer Fristsetzung zur Nacherfüllung relevant. Eine solche ist lediglich beim Schadensersatz statt der Leistung notwendig. Die geschuldete Werkleistung des B bestand in der ordnungsgemäßen Wartung des Fahrzeugs und dem Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung erfasst das Leistungsinteresse des Bestellers und tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Eine Fristsetzung ist hier gem. § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB entbehrlich, da K ein besonderes Interesse an einer einheitlichen Reparatur des Fahrzeugs hat. Das Interesse des B an der Möglichkeit der Nacherfüllung tritt dabei zurück. Bei den Schäden an der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe handelte es sich hingegen um Folgeschäden, die durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht mehr beseitigt werden können. Diese Schäden betreffen vielmehr zuvor unbeschädigte Bestandteile des Kraftfahrzeugs und nicht das geschuldete Werk selbst. Es handelt sich mithin um einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung. D. In der Prüfung I. Anspruchsgrundlage: §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB 1. Werkvertrag, § 633 Abs. 2 BGB 2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs 3. Keine Exkulpation, § 280 Abs. 1 2 BGB 4. Schaden : Unterscheidung zwischen Schadensersatz statt der Leistung und Schadensersatz neben der Leistung II. Anspruchsgrundlage: §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB 1. Grundvoraussetzungen (s.o.) 2. Fristsetzung oder Entbehrlichkeit der Frist 3. Schaden E. Zur Vertiefung Hirsch, Schadensersatz statt oder neben der Leistung, JuS 2014, 97; Sajuntz, NJW 2018, 589; Saake/von Bressensdorf, JuS 2015, 683 & JuS 2016, 297 (Grundfälle). Entscheidung-der-Woche-28-2019 .pdf PDF herunterladen • 92KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 49-2018 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 49-2018 (ÖR) Frederike Hirt Eine pauschale Altersgrenze für Piloten von 65 Jahren dient dem Zweck eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveau im europäischen Zivilluftverkehr und geht nicht über das hierfür Erforderliche hinaus. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: EuGH – C-190/16 in: BeckRS 2017, 115489 NZA 2017, 897ff. A. Orientierungssatz Eine pauschale Altersgrenze für Piloten von 65 Jahren dient dem Zweck eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveau im europäischen Zivilluftverkehr und geht nicht über das hierfür Erforderliche hinaus. B. Sachverhalt Die EU-Verordnung Nr. 1178/2011 sieht verschiedene Maßnahmen zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus im Luftverkehr vor. Dazu gehört unter anderem ein Tätigkeitsverbot für Piloten ab 65 Jahren. Ein deutscher Pilot erreichte diese Altersgrenze im Oktober 2013, sein Arbeitsvertrag lief aber bis zum 31.12.2013. Nachdem er im November und Dezember weder beschäftigt wurde, noch Lohnzahlungen erhalten hat, erhob er vor der Arbeitsgerichtsbarkeit Klage. Im Revisionsverfahren vor dem BAG stellte sich folgendes Problem: der Lohnanspruch besteht gemäß § 615 BGB wegen des noch laufenden Arbeitsverhältnisses dann, wenn der Arbeitgeber sich im Annahmeverzug befand. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs konnten indes nur dann erfüllt sein, wenn der Pilot nicht i.S.d. § 297 BGB außerstande gewesen ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Das ist der Fall, wenn mit Erreichen der Altersgrenze ein Tätigkeitsverbot für den Piloten besteht. Entscheidend war also, ob das von der Verordnung vorgesehene Tätigkeitsverbot im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot i.S.v. Art. 21 Abs. 1 EU-GRCh und die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 EU-GRCh rechtmäßig ist. Diese Frage reichte das BAG dem EuGH als Vorlagefrage i.S.d. Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 3 AEUV ein. C. Anmerkungen Sowohl der EuGH als auch das BVerfG haben sich regelmäßig mit der Zulässigkeit von starren Altersgrenzen zu beschäftigen. Das BVerfG rechtfertigt diesen hohen Eingriff in die subjektive Berufswahlfreiheit mit der abnehmenden Leistungsfähigkeit im Alter, die bei bestimmten Berufsgruppen ein Sicherheitsrisiko birgt. In Bezug auf die mögliche Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 21 Abs. 1 EU-GRCh stellte der EuGH zunächst fest, dass das Tätigkeitsverbot eine Ungleichbehandlung unter der Vergleichsgruppe „Piloten“ aufgrund des Alters darstellt. Sodann misst der EuGH die Verordnung an den Voraussetzungen des Art. 52 EU-GRCH als Schranke des Diskriminierungsverbots. Entscheidend waren insbesondere folgende Fragen: 1. Worin besteht der Bezugspunkt durch Altersgrenzen Sicherheit im Flugverkehr zu gewährleisten? 2. Gibt es ausreichend medizinische Erkenntnisse, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bei Flugzeugführern ab 65 belegen? 3. Ist eine individuelle Prüfung ab 65 Jahren anstelle einer starren Altersgrenze nicht gleich wirksam, aber milder? Nach dem EuGH ist die Altersgrenze insofern geeignet die Sicherheit zu gewährleisten, als dass die körperlichen Fähigkeiten der Piloten als zwingende Voraussetzung für eine sichere Flugzeugführung mit zunehmendem Alter stetig abnehmen würden. Im Übrigen komme dem Gesetzgeber gerade im Hinblick auf Schutzmaßnahmen zugunsten der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2, 3 EU-GRCh ein weiter Prognosespielraum zu. Zumindest müsse der Gesetzgeber auch bei wissenschaftlichen Ungewissheiten Sicherheitsmaßnahmen treffen und von aufwendigen Einzelmaßnahmen absehen dürfen. Hinzu kommt, dass lediglich das Fliegen im gewerblichen Luftverkehr und nicht die Beschäftigung insgesamt verboten wird. Der Eingriff in die Berufswahlfreiheit aus Art. 15 Abs. 1 EU-GRCh wird ebenfalls mit Verweis auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und unter Abwägung der Sicherheit des Luftverkehrs als hohes Gemeinwohlgut gerechtfertigt. Das Verfahren kann auch aus arbeitsrechtlicher Sicht in einer Klausur vorkommen. Unter dem Merkmal des Unvermögens nach § 297 BGB müsste dann eine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit des Tätigkeitsverbots erfolgen. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit II. Vorlageentscheidung des EuGH 1. Verstoß gegen Art. 21 EU-GRCh a. Ungleichbehandlung im Hinblick auf Kriterien des Art. 21 Abs. 1 EU-GRCh b. Rechtfertigung aa. Schranke: Art. 52 EU-GRCh bb. Schranken-Schranken (!): Anforderungen des Art. 52 EU-GRCh 2. Verstoß gegen Art. 15 Eu-GRCh (Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung) E. Zur Vertiefung Leitentscheidungen des BVerfG zu starren Altersgrenzen: BVerfG NJW 2001, 1779; 2011, 1131; Waas, EuZW 2007, Zur Bewertung von Altersgrenzen nach europäischem Recht, S. 359 bis 362. Entscheidung-der-Woche-49-2018 .pdf PDF herunterladen • 91KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 21-2024 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 21-2024 (ZR) Julia Brandt Der Reiseveranstalter kann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: AG Hannover 502 C 12946/20 Fundstelle: BeckRS 2021, 7683 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Der Reiseveranstalter kann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. 2. Maßgeblich dabei ist, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung infolge der Corona-Pandemie eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das Reiseziel Bestand hatte. B. Sachverhalt Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Hurghada in der Zeit vom 25.12.2020 bis zum 08.01.2021 für 2060,00€. Vereinbarungsgemäß leistete er eine Anzahlung in Höhe von 515,00€. Das Auswärtige Amt veröffentlichte nach der Buchung eine weltweite Reisewarnung, in der vor nicht notwendigen, touristischen Reisen abgeraten wurde. Mit Schreiben vom 15.09.2020 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag unter Berufung auf die durch die Corona-Pandemie veranlassten außergewöhnlichen Umstände. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger eine Stornorechnung über 824€ unter Berufung auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Kläger begehrt nun die Rückzahlung seiner Anzahlung sowie die Zurückweisung der Gegenforderung auf Zahlung von Stornokosten. C. Anmerkungen Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der Anzahlung in Höhe von 515€ gem. § 651 h Abs. 5 BGB. Der Kläger ist vor Reisebeginn von dem Vertrag zurückgetreten, so dass die Beklagte als Reiseveranstalterin keinen Anspruch mehr auf den Reisepreis hat. Die Beklagte hat aber keinen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung einer pauschalen Entschädigung aus § 651 h Abs. 1 S. 3, Abs. 2 BGB in Verbindung mit der in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegten Stornoklausel. Nach § 651h Abs. 3 BGB kann die Reiseveranstalterin nämlich dann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Dazu kommt es darauf an, ob zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung eine nicht nur unerhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Reise aufgrund der Covid-19-Pandemie erheblich beeinträchtigt werden würde. Davon konnte hier ausgegangen werden. Aufgrund der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes war mit behördlichen Anordnungen wie einem Einreiseverbot auf eines Verbotes auf Betrieb von Hotels zu rechnen. Es war auch damit zu rechnen, dass die Bewegungsfreiheit der Reisenden vor Ort durch behördliche Auflagen und Weisungen derart eingeschränkt werden könnte, dass der Erholungszweck der Reise vereitelt worden wäre. Ebenso war diese Gefahr aufgrund einer Vielzahl an Expertenmeinungen auch Wahrscheinlich, da die Ausbreitung übereinstimmend hervorgesagt wurde. Des Weiteren stellen diese Pandemie Folgen kein allgemeines Lebensrisiko dar, vielmehr geht der Reisemangel auf die durch die Pandemie ausgelösten behördlichen Restriktionen zurück. Dadurch eignet sich die Reise dann nicht mehr für den Zweck der Erholung. D. In der Prüfung A. § 651h Abs. 5 BGB B. § 651h Abs. 1, 2 BGB I. Rücktritt vor Vertragsbeginn II. Ausschluss gem. § 651h Abs. 3 BGB (P) Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände E. Literaturhinweise Sprau in Grüneberg, 80. Auflage, 651h Rn. 13a. Entscheidung der Woche 21-2024 .pdf PDF herunterladen • 114KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 40-2025 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 40-2025 (ÖR) Elias El Bekkouri Personen, die im Rahmen einer Grenzkontrolle um internationalen Schutz nachsuchen, haben einen Anspruch auf Durchführung des vollständigen Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für die Prüfung dieses Antrags nach der Verordnung (EU) 604/2013 – Dublin-III-Verordnung – (juris: EUV 604/2013). Dies steht einer unmittelbaren Zurückweisung an der Grenze entgegen.(Rn.28) Aktenzeichen und Fundstelle Az.: VG Berlin, Beschluss vom 02.06.2025 - 6 L 192/25 in: openJur 2025, 14349 A. Leitsätze (gekürzt) 1.Personen, die im Rahmen einer Grenzkontrolle um internationalen Schutz nachsuchen, haben einen Anspruch auf Durchführung des vollständigen Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für die Prüfung dieses Antrags nach der Verordnung (EU) 604/2013 – Dublin-III-Verordnung – (juris: EUV 604/2013). Dies steht einer unmittelbaren Zurückweisung an der Grenze entgegen.(Rn.28) 2.Die Anwendung der Dublin-III-Verordnung (juris: EUV 604/2013) kann nicht unter Berufung auf Art. 72 AEUV unterbleiben, soweit nicht hinreichende Gründe [...] dargelegt werden. Diese Darlegung setzt eine Gesamtbetrachtung voraus, die sich nicht auf numerische Werte [...] beschränkt, ohne auszuführen, welche Auswirkungen dies für die Grundinteressen der Gesellschaft des Mitgliedstaats oder das Funktionieren seiner staatlichen Einrichtungen hat. Die geplanten Maßnahmen müssen verhältnismäßig und insbesondere konkret geeignet und erforderlich sein, der bestehenden Gefahr abzuhelfen. Vorrangig sind diejenigen Schutzmechanismen zu nutzen, die das Sekundärrecht selbst bereithält.(Rn.54) (Rn.56) [...]. B. Sachverhalt Der Antragsteller, ein 19-jähriger somalischer Staatsangehöriger, gelangte im April 2025 über Belarus und Litauen nach Polen. Mehrere Versuche, von dort in die Bundesrepublik einzureisen, blieben erfolglos. Am 9. Mai 2025 wurde er im Grenzbereich Frankfurt (Oder) von der Bundespolizei angetroffen. Dort erklärte er ausdrücklich, Schutz in Deutschland beantragen zu wollen; seine anwaltliche Vertreterin übermittelte noch am selben Tag einen schriftlichen Asylantrag an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Gleichwohl verweigerte die Bundespolizei die Einreise, führte eine Anhörung durch und wies den Antragsteller nach Polen zurück, wo er seither einer Meldepflicht unterliegt und in einer von einer NGO bereitgestellten Unterkunft lebt. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt er die Gestattung des Grenzübertritts sowie die Durchführung des Asylverfahrens im Bundesgebiet. Die Antragsgegnerin stützt die Zurückweisung auf nationale Vorschriften zur Einreiseverweigerung bei Drittstaatsangehörigen, die aus einem sicheren EU-Mitgliedsstaat – hier Polen – einreisen wollen. Nach ihrer Auffassung begründet die bloße Äußerung eines Schutzgesuchs gegenüber der Grenzbehörde weder eine Pflicht zur Einreisegestattung noch zur Durchführung eines Asylverfahrens; vielmehr sei der Antragsteller gehalten gewesen, in Polen Schutz zu suchen. Demgegenüber macht der Antragsteller geltend, Deutschland sei unionsrechtlich verpflichtet, sein Asylgesuch entgegenzunehmen und ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Dublin-III-Verordnung einzuleiten. Die unmittelbare Zurückweisung an der Grenze ohne jede Prüfung verstoße sowohl gegen Art. 18 GRCh und § 18 Abs. 1 AsylG als auch gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war damit die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung sowie die Frage, ob dem Antragsteller die Einreise zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet zu gestatten ist. C. Anmerkungen Im Mittelpunkt des Beschlusses steht die dogmatische Klärung des Verhältnisses zwischen der nationalen Einreiseverweigerung nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG und der unionsrechtlichen Zuständigkeitsordnung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin‑III‑VO). Das Verwaltungsgericht arbeitet heraus, dass das Schutzbegehren des Antragstellers bei der Grenzkontrolle einen Asylantrag im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin‑III‑VO darstellt, der unionsrechtliche Wirkungen unmittelbar auslöst. Die unionsrechtliche Zuständigkeitsregelung hat insoweit Vorrang vor entgegenstehenden nationalen Vorschriften und erfasst auch den physischen Grenzbereich, sodass die im nationalen Aufenthaltsrecht verankerte Nichteinreisefiktion (§ 13 Abs. 2 S. 2 AufenthG) unbeachtlich bleibt. Das Gericht stellt ferner klar, dass ein wirksamer Asylantrag keine besonderen Formvorgaben unterliegt und insbesondere auch mündlich gegenüber der Grenzbehörde gestellt werden kann. Daraus folgt die Verpflichtung der zuständigen Behörde, unverzüglich das Dublin‑Zuständigkeitsverfahren einzuleiten. Eine vorgelagerte „Prüfstufe“ in Gestalt eines selbständigen Einreiseverweigerungsverfahrens („Pre‑Dublin“) ist unionsrechtlich nicht vorgesehen und unzulässig. Gleiches gilt für die Heranziehung bilateraler Rückübernahmeabkommen, etwa des deutsch‑polnischen Polizeivertrags, wenn ein Fall in den Anwendungsbereich der Dublin‑III‑VO fällt; diese Abkommen können unionsrechtliche Vorgaben weder modifizieren noch verdrängen. Den Verweis der Antragsgegnerin auf Art. 72 AEUV weist das Gericht zurück. Diese Bestimmung, die Ausnahmen vom Unionsrecht zum Schutz der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung zulässt, ist eng auszulegen. Sie setzt das Vorliegen einer konkret belegten, erheblichen Gefahr voraus und gestattet keine pauschale Berufung auf erhöhte Migrationszahlen oder statistische Eurodac‑Treffer. Vorrangig sind die im Sekundärrecht vorgesehenen Instrumente – namentlich Art. 33 Dublin‑III‑VO und Art. 43 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrens‑RL) – auszuschöpfen. Zulässig sind indes Grenzverfahren im Sinne von Art. 43 Asylverfahrens‑RL und § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG, bei denen das Zuständigkeitsverfahren vor dem Grenzübertritt durchgeführt wird. Diese dürfen jedoch nicht zur Umgehung des Dublin‑Verfahrens missbraucht werden. Aus der festgestellten Rechtswidrigkeit der sofortigen Zurückweisung leitet das Gericht einen Folgenbeseitigungsanspruch her: Der Antragsteller ist zur Durchführung des Dublin‑Verfahrens in das Bundesgebiet einreisen zu lassen. Ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthalts- (§ 55 AsylG) oder Einreisegestattung nach § 13 AufenthG wird hingegen verneint, da diese Rechtspositionen an zusätzliche formale Voraussetzungen geknüpft sind. Schließlich bejaht das Gericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne von § 123 VwGO: Ohne die beantragte einstweilige Anordnung drohe dem Antragsteller eine Rückführung nach Belarus über Polen ohne vorherige Prüfung seines Schutzgesuchs in der Europäischen Union. Die lediglich durch eine NGO organisierte Unterbringung in Polen sowie die auferlegte wöchentliche Meldepflicht vermögen eine solche Gefahr nicht hinreichend zu bannen. Der Beschluss verdeutlicht in der Summe die unbedingte Vorrangstellung der unionsrechtlichen Zuständigkeitsmechanismen, die restriktive Reichweite des Art. 72 AEUV und die Bindung nationaler Grenz- und Rückführungspraktiken an das europäische Asylverfahrensrecht. D. In der Prüfung: Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung I. Zulässigkeit des Antrags 1. Statthafte Antragsart, § 123 I 2 VwGO 2.Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog 3.Rechtsschutzbedürfnis, § 58 II VwGO (P: fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung) 4.Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO 5.Zuständigkeit des Gerichts, §§ 45, 52 VwGO II. Begründetheit des Antrags 1.Anordnungsanspruch a.Anspruchsgrundlage, Folgenbeseitigungsanspruch i.V.m. Art. 3, 20 II VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO); Art. 6 RL 2013/32/EU (Asylverfahrens-RL) b.Rechtswidrigkeit der Einreiseverweigerung i.Vorrang der Dublin-III-VO ggü. § 18 II Nr. 1 AsylG ii.Hoheitsgebiet und Nichteinreisefiktion, § 13 II 2 AufenthG iii.Wirksamkeit mündlicher Antragsstellung, Art. 20 II VO (EU) Nr. 604/2013; Art. 6 I, III RL 2013/32/EU iv.Unzulässigkeit eines “Pre-Dublin”-Verfahrens, Art. 3, 20 VO (EU) Nr. 604/2013; Art. 6 RL 2013/32/EU v.Verbot der Anwendung bilateraler Abkommen, Art. 27 ff. VO (EU) Nr. 604/2013 i.V.m. Art. 351 AEUV vi.Schranken des Art. 72 AEUV, Art. 33 VO (EU) Nr. 604/2013, Art. 43 RL 2013/32/EU 2.Anordnungsgrund, § 123 I VwGO (P: Gefahr irreversibler Rechtsvereitelung) E. Literaturhinweise und weitere Vertiefung der Thematik BeckOK MigR/Kohoutek, 21. Ed. 1.5.2025, Dublin III-VO Einführung Rn. 1 Allenberg: Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten - Eine menschenrechtliche Bewertung der aktuellen Debatte, MigRI 2024, 241 Entscheidung der Woche 40-2025 .pdf PDF herunterladen • 103KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 19-2019 (ZR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 19-2019 (ZR) Felicia Maas Der Honoraranspruch des Zahnarztes für implantologische Leistungen entfällt, wenn die Implantate fehlerhaft eingesetzt wurden und eine Nachbehandlung zur Vermeidung eines größeren Übels nichts an der völligen Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistung ändert. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH III ZR 294/16 in: BeckRS 2018, 23332 JuS 2019, 256 NJW 2018, 3513 A. Orientierungs- oder Leitsatz Der Honoraranspruch des Zahnarztes für implantologische Leistungen entfällt, wenn die Implantate fehlerhaft eingesetzt wurden und eine Nachbehandlung zur Vermeidung eines größeren Übels nichts an der völligen Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistung ändert. B. Sachverhalt Die Beklagte wurde vom Kläger zahnärztlich behandelt. Er versorgte mehrere Zähne mit Keramik- Inlays und setzte ihr jeweils vier Implantate im Kiefer ein. Wegen andauernder, auf die Implantate zurückzuführender, Beschwerden brach die Beklagte die eigentlich notwendige weitere prothetische Behandlung durch den Kläger ab. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die Keramik-Inlays (Zahnfüllungen) medizinisch nicht indiziert und sämtliche Implantate unbrauchbar waren, weil sie schlecht positioniert wurden, weshalb der Beklagten eine Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau droht und sie jegliche Zahlung verweigert. Die Lage der Implantate kann nachträglich nicht mehr korrigiert werden. Bei ihrer Entfernung besteht sowohl das Risiko, dass ein neuer erheblicher Knochendefekt herbeigeführt wird, als auch, dass das Ersatz-Implantat nicht ausreichend sicher befestigt werden kann. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung einer Vergütung für die Implantatbehandlung sowie für die Keramik-Inlays. C. Anmerkungen Der Vergütungsanspruch des Klägers ist gem. § 630a Abs. 1 BGB entstanden. Nach §§ 630b i.V.m. 628 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB erlischt dieser Anspruch, wenn der Dienstverpflichtete durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Dienstberechtigten auslöst. Dabei ist zu beachten, dass der Behandlungsvertrag in besonderem Maße auf dem Vertrauen zwischen Arzt und Patienten beruht, sodass er jederzeit auch ohne wichtigen Grund gekündigt werden kann, selbst wenn das persönliche Vertrauensverhältnis durch irrationale Empfindungen gestört ist. Die unter Verletzung des geschuldeten Fachstandards falsche Positionierung der Implantate stellt ein nicht nur geringfügig vertragswidriges Verhalten dar. Kausal für den Abbruch der Behandlung seien die auf der Schlechtleistung beruhenden andauernden Beschwerden. Die Vergütungspflicht geht jedoch nur unter, wenn der Dienstberechtigte an der erbrachten Leistung kein Interesse mehr hat. Was der Fall sei, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann und sie so für ihn nutzlos geworden sind. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede technische Möglichkeit, auf der Leistung des Vorbehandlers aufzubauen, die Nutzlosigkeit entfallen lässt. Die Weiterverwendung muss dem Patienten auch zumutbar sein, was nur dann der Fall ist, wenn sie zu einer Lösung führt, die mit den Regeln der zahnärztlichen Kunst vereinbar ist. Dies ist hier nicht der Fall, weshalb die Behandlung wertlos und ein Anspruch auf Vergütung nach § 628 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB erloschen ist. Für die nicht indizierte unnötige Versorgung mit Keramik-Inlays muss die Beklagte keine Vergütung entrichten, weil ihr ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht, der nach § 249 BGB zur Befreiung von der Vergütungspflicht führt. (Anmerkung): Der BGH sieht den Vergütungsanspruch der Inlays als Schaden, der auf einer Pflichtverletzung beruht und deswegen eine Aufrechnungslage entstehen lässt. Diese Rechtsanwendung wird in der Lit. stark kritisiert, dazu: JuS 2019, 256. D. In der Prüfung A. Vergütungsanspruch I. Anspruch entstanden, § 630a Abs. 1 BGB II. Anspruch erloschen, §§ 628 Abs. 1 S. 2 Var. 2, 627 BGB B. Vergütung der Inlays I. Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB 1. Schuldverhältnis, § 630a BGB 2. Pflichtverletzung 3. Vertretenmüssen 4. Schaden C. Ergebnis E. Zur Vertiefung JuS 2019, 256 & NJW 2018, 3513 lesen; Spickhoff, Die Entwicklung des ArztR 2017/2018, NJW 2018, 1725. Entscheidung-der-Woche-19-2019 .pdf PDF herunterladen • 142KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 43-2021 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 43-2021 (SR) Malte Gauger Zur Auslegung von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 225/20 in: HRRS 2021 Nr. 342 bundesgerichtshof.de A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Zur Auslegung von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. 2. Für die Absicht des Täters ist ausreichend, dass er das Erreichen der situativen Geschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen. B. Sachverhalt (verkürzt) Der Angeklagte mietete sich einen Jaguar F-Type R mit 550 PS. Das Fahrzeug wird mit einer Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h und einer Beschleunigung von 0-100 km/h in 4,2 Sekunden beworben. Bei der Anmietung ging es ihm darum, mit dem auffälligen Auto und durch eine Aufmerksamkeit erweckende Fahrweise Freunden und Bekannten, aber auch völlig unbekannten Passanten zu imponieren. Nach der Übernahme des Fahrzeugs führte er mehrere Fahrten, teils alleine und teils in Begleitung, durch. Bei diesen Fahrten fuhr er mehrmals mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Während der Fahrt auf einem Streckenabschnitt auf der A8 filmte der Angeklagte den Tacho des Fahrzeugs dabei, wie er von 194 km/h auf 274 km/h beschleunigte. Am späten Abend holte er einen Bekannten in Stuttgart ab. Mit diesem befuhr er eine Straße mit einer langgezogenen Rechtskurve. Er gab dabei – wie von Beginn an beabsichtigt – Vollgas, um die maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Auf diese Weise wollte er seinen Beifahrer beeindrucken und gleichzeitig seine Fähigkeiten demonstrieren, das Fahrzeug auch in schwierigeren Situationen kontrollieren zu können. Andere Verkehrsteilnehmende waren ihm dabei völlig gleichgültig. Deren Gefährdung erkannte der Angeklagte, nahm dies aber zumindest billigend in Kauf. Kurz vor Erreichen der späteren Unfallstelle erreichte das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h. Sodann verringerte er die Geschwindigkeit etwas. Dem Angeklagten war klar, dass er auf ein- und abbiegende Fahrzeuge nicht wird rechtzeitig reagieren können und deshalb die Gefahr bestand, mit diesen zu kollidieren. Den Tod anderer Unfallbeteiligter hielt er hierbei für möglich. Er war jedoch, wenn auch in völliger Überschätzung, davon überzeugt, das Fahrzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten und in gefährlichen Situationen kontrollieren zu können. Wegen eines Ausweichmanövers infolge eines die Fahrbahn kreuzenden, abbiegenden Pkw verlor der Angeklagte die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte mit mindestens 90km/h frontal mit einem dritten Fahrzeug. Hierbei wurden zwei Menschen tödlich verletzt. C. Anmerkungen Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit einem Urteil des LG Stuttgart befasst. Dieses hatte den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Zum ersten mal beschäftigte sich der BGH mit der Auslegung von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Dabei handelt es sich um das neu eingeführte sog. Einzelrennen bzw. das Problem des Einzelrasers. Mit diesem Beschluss konkretisiert der BGH die Anforderungen an die im Gesetz geforderte Rennabsicht, die dort als überschießende Innentendenz normiert ist. Der Bundesgerichtshof hat dem Urteil des LG Stuttgart insoweit zugestimmt, welches das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten abgelehnt hatte. Sodann befasste sich der 4. Senat mit der Auslegung von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Demnach wurde der objektive Tatbestand des Rasens hier erfüllt, indem sich der Angeklagte mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos im Straßenverkehr fortbewegte. Ein besonderes Augenmerk wurde weiter auf die als überschießende Innentendenz ausgestaltete Absicht gelegt, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, die den für das Nachstellen eines Rennens kennzeichnenden Renncharakter von alltäglich vorkommenden erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen abgrenzt. Diese Entscheidung ist aufgrund ihrer Aktualität sehr relevant für die Ausbildung und wird nach hiesiger Auffassung auch eine Rolle in (Examens-)Klausuren spielen. D. In der Prüfung I. Tatbestand Grunddelikt, § 315d Abs. 1 StGB 1. Im Straßenverkehr (wie § 316 StGB) 2. Tathandlung, § 315d Abs. 1 Nr. 1-3 a) Nr. 1 b) Nr. 2 c) Nr. 3 II. Qualifikation, § 315d Abs. 2 StGB 1. bei Abs. 1 Nr. 2 und 3: konkrete Gefährdung 2. Zurechnungszusammenhang 3. Vorsatz III. Erfolgsqualifikation, § 315d Abs. 5 StGB 1. hier: Tod eines anderen Menschen 2. Unmittelbarkeitszusammenhang IV. Rechtswidrigkeit V. Schuld E. Zur Vertiefung Ausführlicher: BGH NJW 2021, 1173 (m. Anm. Hoven); Jäger, Ein Raser kommt selten allein – manchmal aber doch, JA 2021, S. 777-779; einführend: Blanke-Roeser, Kraftfahrzeugrennen iSd neuen § 315d StGB, JuS 2018, S. 18-22. Entscheidung-der-Woche-43-2021 .pdf PDF herunterladen • 149KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 10-2022 (ÖR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 10-2022 (ÖR) Jasmin Wulf Es ist mit dem Persönlichkeitsrecht des von einer ehrenrührigen Äußerung Betroffenen unvereinbar, wenn davon ausgegangen wird, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass... Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20 in: NJW 2022, 680 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Es ist mit dem Persönlichkeitsrecht des von einer ehrenrührigen Äußerung Betroffenen unvereinbar, wenn davon ausgegangen wird, eine strafrechtliche Relevanz erreiche eine Äußerung erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine, wenn also letztlich eine Beleidigung mit dem abwägungsfreien Sonderfall der Schmähkritik gleichgesetzt wird. 2. Unterlässt ein Gericht infolge fehlerhafter Maßstabsbildung die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG im Rahmen der rechtlichen Würdigung der beanstandeten Äußerung, so kann der bloße Hinweis, der Betroffene müsse den Angriff als Politiker im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, die erforderliche Abwägung nicht ersetzen. Denn bei der Abwägung wäre zu berücksichtigen, dass ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern und Politikern auch im öffentlichen Interesse liegt. B. Sachverhalt Die Beschwerdeführerin, eine Politikerin der Partei „Die Grünen“, richtete sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, die der Bf. die nach § 14 Abs. 3 TMG (in der vom 18.7.2019 bis 26.112020 gültigen Fassung; nunmehr § 21 Abs. 2 und 3 TTDSG) notwendige gerichtliche Anordnung zur Auskunft über Bestandsdaten gegenüber Facebook versagt haben. Ein Internetblogger hatte auf Facebook ein falsches Zitat gepostet, das der Politikerin die Äußerung „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt“ in den Mund legte. Daraufhin schrieben zahlreiche Facebook-Nutzer Kommentare, in denen sie die Beschwerdeführerin unter anderem als „Pädophilen-Trulla“, „Stück Scheisse“, „Gehirn Amputiert“, „geisteskrank“ und „altes grünes Dreckschwein“ bezeichneten. Zuletzt hatte das KG nur zwölf von 22 Kommentaren als strafbare Beleidigungen eingestuft und in den anderen Fällen den Auskunftsanspruch verweigert, da insoweit die Schwelle zum Straftatbestand des § 185 StGB nicht überschritten sei. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin unter anderem die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. C. Anmerkungen Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben. Das KG muss nun in der Sache neu entscheiden. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten die Politikerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmung des Telemediengesetzes sowie der darin in Verweis genommenen Vorschriften unter anderem des StGB ist Aufgabe der ordentlichen Gerichte. Bei ihrer Entscheidung haben sie jedoch dem Einfluss der Grundrechte auf die einfachgesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht, den das BVerfG zu korrigieren hat, liegt erst vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das KG habe in Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts einen falschen Prüfungsmaßstab angelegt und eine Beleidigung letztlich mit Schmähkritik gleichgesetzt. In der Folge habe es die gebotene Abwägung zwischen Ehre und Meinungsfreiheit unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Umstände unterlassen. Die vom Fachgericht zum Teil begründungslos verwendete Behauptung, Die Beschwerdeführerin müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, ersetze die erforderliche Abwägung nicht. Das BVerfG unterstreicht, dass der Schutz vor einer auf die Person abzielenden, insbesondere öffentlichen Verächtlichmachung oder Hetze auch für Personen des öffentlichen Lebens und Amtsträger/innen gelte. Insbesondere unter den Bedingungen der Informationsverbreitung durch soziale Netzwerke liege ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträger/innen sowie Politiker/innen auch im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken könne. Denn Engagement in Staat und Gesellschaft könne nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde I. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (P) Fehlende Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit im Rahmen des § 185 StGB durch das Gericht E. Literaturhinweise Hoven/Witting, Das Beleidigungsunrecht im digitalen Zeitalter, NJW 2021, 2397. Entscheidung-der-Woche-10-2022 .pdf PDF herunterladen • 1.95MB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 41-2019 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 41-2019 (SR) Adam Hetka Bei der Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es entscheidend darauf an, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – 5 StR 593/18 in: HRRS 2019 Nr. 527 A. Orientierungs- oder Leitsatz Bei der Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft kommt es entscheidend darauf an, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er dadurch die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam. Daher wird in einer Person, die einen Gegenstand in der Tasche ihrer Kleidung trägt, in der Regel die ausschließliche Sachherrschaft auch dann zugewiesen, wenn sie sich noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten befindet. Ein Täter, der transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen in einem Geschäft in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche (hier: Sporttasche bzw. Rucksack) steckt, bringt sie in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich und begründet damit ebenfalls neuen Gewahrsam. B. Sachverhalt A nahm in einem Supermarkt vier Flaschen Jägermeister und zwei Flaschen Bacardi aus dem Regal. Diese legte er in eine mitgeführte Sporttasche, um die Flaschen vor möglichen Beobachtern zu verbergen und sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Bevor D den Supermarkt verlassen konnte, wurde er von zwei Supermarktmitarbeitern gestellt. Einige Tage später entnahm A in einem anderen Supermarkt fünf Flaschen Jägermeister aus dem Regal und steckte sie in einen mitgeführten Rucksack. Anschließend ging er in Richtung Ausgang, um auch diese Waren unbezahlt für sich zu verwenden, an dem er auch diesmal gestellt wurde. C. Anmerkungen Mit Urteil vom 6.3.2019 hat sich der BGH (Az.: 5 StR 593/18) mit der Vollendung der Wegnahme beim Diebstahl beschäftigt. Dabei widmete er sich konkret der Frage, inwiefern bei kleinen, leicht transportablen Sachen die Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave möglich ist. So kann nach dem BGH eine Wegnahme kleiner, leicht transportabler Sachen nicht nur dann gegeben sein, wenn sie unter der Kleidung des Täters versteckt, sondern auch, wenn sie in einer mitgebrachten Tasche oder einem Rucksack verstaut werden. Denn auch hier bringe er sie in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung. Daraus lässt sich allerdings nicht der Schluss ziehen, dass das Verbringen einer Sache in einer mitgebrachten Tasche oder einem Rucksack zwingend einen Gewahrsamswechsel zur Folge hat: Der BGH wies abermals ausdrücklich darauf hin, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt und in anders gelagerten Konstellationen durchaus eine andere Beurteilung angezeigt sein kann. Aus diesem Grund wird es in der Klausur in erster Linie darum gehen, alle im Sachverhalt enthaltenen Informationen sorgfältig auszuwerten, um anschließend eine saubere und argumentativ überzeugende Prüfung des Gewahrsamswechsels vornehmen zu können. Die Begrifflichkeiten „Wegnahme“ und „Gewahrsam“ stellen regelmäßig Problemschwerpunkte bei Vermögensdelikten dar, weshalb sie damit auch für das Examen von enormer Bedeutung sind. Denn nur wenn eine Wegnahme in der Prüfung bejaht werden kann, können anschließend auch die §§ 243, 244 StGB sowie ein Raub mit seinen Qualifikationen behandelt werden. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Fremde, bewegliche Sache b. Wegnahme (!) E. Zur Vertiefung Zum Diebstahl: Rengier, Strafrecht BT I, 21. Aufl. 2019, § 2. Entscheidung-der-Woche-41-2019 .pdf PDF herunterladen • 89KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 02-2019 (SR) Felix Lücke Die Duldung fremder Taten im Zusammenhang mit einem Eigeninteresse begründet keine Mittäterschaft. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 130/18 in: BeckRS 2018, 13259 JuS 2019, 77 A. Orientierungs- oder Leitsatz Die Duldung fremder Taten im Zusammenhang mit einem Eigeninteresse am Taterfolg begründen nach der normativen Kombinationslehre der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme weder beim Begehungs- noch beim Unterlassungsdelikt eine Mittäterschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB. B. Sachverhalt (leicht abgewandelt) A hatte in seiner Autovermietung einige Räume an B untervermietet. Beide nutzten dort dieselben Kommunikationseinrichtungen. Auf einen gemeinsamen Tatplan gestützt hatten beide vor, von C 30.000 € dafür zu verlangen, dessen geschiedene Ehefrau aus dem C gehörenden Haus zu vertreiben. C war zunächst einverstanden und zahlte 15.000 €. Die weitere Zahlung verweigerte er, als er merkte, dass die Aktion nicht von Erfolg gekrönt war. B drohte C telefonisch mit gewaltsamen Übergriffen auf Familienangehörige, wenn C nicht zahlen würde. A wollte es auf sich beruhen lassen und nicht weiter aktiv an der Sache teilhaben. Diese war ihm aber mehr als recht, zumal B ihm einen Teil der Beute versprochen hatte. C zahlte widerwillig. Hat sich A in Mittäterschaft zu B strafbar gemacht? C. Anmerkungen In den Blick zu nehmen ist eine Strafbarkeit des A wegen räuberischer Erpressung in Mittäterschaft gem. §§ 253, 255, 25 Abs. 2 StGB. Problematisch ist dabei die Frage nach einer Täterschaft des A. Dieser hat B zwar die Kommunikationsmittel für dessen an C gerichteten Drohungen zur Verfügung gestellt und die Tat nicht nur geduldet, sondern sogar befürwortet, sonst aber keinen aktiven Tatbeitrag geleistet. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist umstritten. Die herrschende Literaturansicht fordert Tatherrschaft und meint damit das steuernde „In-den-Händen-halten“ der Tat. Demzufolge könnte A nicht als Täter bestraft werden. Er hat nur die technischen Voraussetzungen der Tat geschaffen. Die neuere Rechtsprechung nimmt mit der normativen Kombinationslehre eine wertende Gesamtschau vor. Maßgebliche Kriterien sind hier Tatherrschaft oder ein entsprechender Wille sowie der Umfang der Tatbeteiligung und der Grad des eigenen Interesses an der Tat. Hiernach könnte A Mittäter des B sein. Er hat die Tat befürwortet und ein erhebliches Eigeninteresse am Taterfolg gehabt. Der BGH legt in dieser Entscheidung einschränkend fest, dass das Eigeninteresse am Taterfolg allein gerade noch keine Täterschaft begründen könne, sondern noch mindestens ein weiteres Kriterium hinzutreten müsse. Dies gelte neben der Begehungstat auch für das Unterlassungsdelikt. A kann daher im Beispielsfall auch nicht als Unterlassenstäter bestraft werden. Der BGH rückt damit sein Abgrenzungsmodell von Täterschaft und Teilnahme noch enger an die Tatherrschaftslehre der Literatur. In einer Klausur bietet es sich daher stets an, zunächst das Vorliegen von Tatherrschaft zu prüfen. Denn bejahendenfalls führen beide Auffassungen zur Annahme der Täterschaft und eine Stellungnahme ist entbehrlich. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Taterfolg b) Tathandlung: gegenseitige Zurechnung, wenn gleichrangig mittäterschaftlich, § 25 Abs. 2 StGB, Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme (!) aa) Tatherrschaftslehre (h.L.) bb) Subj. Theorie/Normative Kombinationslehre (Rspr.) E. Zur Vertiefung Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme Rengier, Strafrecht AT, 10. Aufl. 2018; § 41 Rn. 7ff. Grundlegend zur Tatherrschaftslehre Roxin, Strafrecht AT/II, § 25 Rn. 10ff.; 27ff; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, 9. Aufl. 2015. Siehe zur Rspr. BGHSt 37, 289. Entscheidung-der-Woche-02-2019 .pdf PDF herunterladen • 206KB Zurück Nächste
- Entscheidung der Woche 48-2018 (SR) | Hanoverlawreview
Entscheidung der Woche 48-2018 (SR) Adam Hetka Verwirklichung des Tatbestands der „Unfallflucht“ länger möglich als die allermeisten Betroffenen denken. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH – 4 StR 583/17 in: NJW 2018, 2341 NStZ 2018, 600 A. Orientierungs- oder Leitsatz Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat. B. Sachverhalt Nach einem Verkehrsunfall, an dem der Angeklagte und noch zwei weitere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, stellte dieser das von ihm geführte Fahrzeug am Straßenrand ab und kehrte zu Fuß zur Unfallstelle zurück. Dort gab er sich sodann bewusst nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen, sondern schilderte den zwischenzeitlich erschienenen Polizeibeamten, dass er den Unfall als Fußgänger beobachtet habe. Bei Angaben zum Unfallhergang ersetzte er seine eigene Unfallbeteiligung durch die eines vermeintlich unbekannten Fahrers. Schließlich verließ er den Unfallort zu Fuß. Ob zu diesem Zeitpunkt noch Polizeibeamte vor Ort waren, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass er bis zum Verlassen des Unfallortes niemandem etwas von seiner Unfallbeteiligung mitgeteilt hatte. C. Anmerkungen Für den BGH stand der Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen, dass dieser den Unfallort erst zu einem Zeitpunkt verließ, als keine andere Person mehr vor Ort war. Das begründete der BGH vor allem mit dem Wortlaut der Regelung in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Demnach setze der Wortlaut nach Ansicht des BGH nicht voraus, dass sich zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Täter entfernt, noch feststellungsberechtigte Personen am Unfallort befinden. Entscheidend sei vielmehr, dass sich der Täter vom Unfallort entfernt, bevor er die erforderlichen Feststellungen ermöglicht hat. Weil der Tatbestand gerade an die Verletzung der Vorstellungspflicht anknüpft, sei das Merkmal „bevor“ so zu verstehen, dass der Täter den Unfallort verlassen haben muss, ohne zuvor die gebotenen Feststellungen ermöglicht zu haben. Des Weiteren sei ein solches Verhalten ansonsten von keiner anderen Tatbestandsvariante des § 142 StGB erfasst. Denn laut BGH unterfiele diese Fallgestaltung insbesondere nicht der Vorschrift des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, welche voraussetzt, dass sich der Täter „berechtigt“ oder „entschuldigt“ vom Unfallort entfernt. Ein solcher Fall läge mangels Eingreifens eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes nicht vor, wenn sich ein Unfallbeteiligter nach Verletzung seiner Vorstellungspflicht schlicht als Letzter vom Unfallort entfernt. Einer Anwendung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf solche Fälle stünde das Analogieverbot entgegen. Dies führe in der Konsequenz zu einem erheblichen Wertungswiderspruch im direkten Vergleich mit § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, da sich so ein Unfallbeteiligter, der sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, bei nicht unverzüglicher nachträglicher Ermöglichung der Feststellungen strafbar mache, hingegen ein Unfallbeteiligter, der sich nach Verletzung seiner Vorstellungspflicht als Letzter vom Unfallort entfernt, aber endgültig straffrei bliebe. Schließlich bestünde das Schutzgut des § 142 StGB in der Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche, die auch dann betroffen seien, wenn sich der Täter erst nach der feststellungsberechtigten Person vom Unfallort entfernt, sofern er zvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat. D. In der Prüfung I. Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB 1. Objektiver Tatbestand (!) 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld E. Zur Vertiefung Zur Wiederholung: Rengier, Strafrecht BT II, 19. Aufl., München 2018, § 46; Eisele, Strafrecht - BT 1, 4. Aufl., Stuttgart 2017, § 63; Umfassend zum § 142 StGB: Brüning, Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB, ZJS 2008, 148. Entscheidung-der-Woche-48-2018 .pdf PDF herunterladen • 212KB Zurück Nächste
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Entscheidung der Woche 08-2024 (ÖR) Hendrik Stottmann Der von Art. 79 III GG geschützte Regelungsinhalt wird durch Art. 21 III GG nicht berührt. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG, Urt. v. 23.01.2024 - BvB 1/19 Fundstelle: BeckRS 2024, 444 A. Orientierungs - oder Leitsätze (gekürzt) 1. Die von Art. 79 III GG umfassten Inhalte genießen absoluten Bestandsschutz. 2. a) Der von Art. 79 III GG geschützte Regelungsinhalt wird durch Art. 21 III GG nicht berührt. b) Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG knüpft den Ausschluss von staatlicher Finanzierung daran, dass die betroffene Partei selbst die Beseitigung der für den demokratischen Wettbewerb konstitutiven freiheitlichen Grundordnung anstrebt oder den Bestand des Staates angreift. Damit betrifft er nur solche Parteien, deren chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung nicht Teil des grundgesetzlichen Demokratiekonzepts im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ist. 3. Ein „Darauf Ausgerichtetsein“ im Sinne von Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder zur Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt. B. Sachverhalt Das Verfahren betrifft den Antrag von Deutschem Bundestag, Bundesrat und der Bundesregierung (Antragssteller) auf Feststellung, dass die Partei Die Heimat (Antragsgegnerin) von der staatlichen (Teil-)Finanzierung für politische Parteien ausgeschlossen ist. Mit Urteil vom 17. Januar 2017 (BverfGE 144, 20) bestätigte der Zweite Senat zuletzt, dass die Antragsgegnerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebe. Weil aber konkrete Anhaltspunkte von Gewicht dafür fehlten, dass ein Erreichen der Ziele der Antragsgegnerin möglich erscheinen ließen (Potentialität), scheiterte der Antrag dennoch. In der Vergangenheit flossen der Antragsgegnerin nicht unerhebliche Beiträge aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu. Nach der Bundestagswahl 2021 verlor sie jedoch infolge unzureichender Wahlergebnisse ihren Anspruch auf staatliche Mittel. C. Anmerkungen Der zulässige Finanzierungsausschlussantrag ist begründet. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den in Art. 21 Absatz 3 Satz 1 GG verankerten Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung. Der Art. 21 Absatz 3 GG berührt die von Art. 79 Absatz 3 geschützten Regelungsgehalte nicht. Das durch Art. 79 Absatz 3 geschützte Demokratieprinzip umfasst den Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien nur soweit, wie die Parteien selbst grundsätzliche demokratische Werte achten. Die Antragsgegnerin wendet sich weiterhin gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Sie missachtet die Menschenwürde von Ausländern, Migranten und Minderheiten sowie das Demokratieprinzip. Sie schließt diejenigen aus dem demokratischen Prozess aus, die der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" nicht angehören. Sowohl das Konzept der „Volksgemeinschaft“ als auch die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Die Antragsstellerin ist zudem auf die Beseitigung der Grundordnung ausgerichtet. Dies erfordert, dass neben dem Bekennen zu verfassungsfeindlichen Zielen die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschritten wird. Die Antragsgegnerin hat bis zum Jahr 2020 an der staatlichen Parteienteilfinanzierung teilgenommen. Hierauf besteht ein Anspruch nur bei Erreichen von 0,5 % der Stimmen bei der letzten Bundestags- oder Europawahl oder 1 % bei einer Landtagswahl. Entsprechende Wahlergebnisse können nicht erreicht werden ohne eine hinreichende Organisation, ein politisches Konzept, ein ausreichendes Maß an Öffentlichkeitsarbeit und den ernsthaften Versuch der Verwirklichung ihrer politischen Ziele. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit II. Begründetheit 1. Verfassungsmäßigkeit des Art. 21 Abs. 3 GG 2. Beeinträchtigung/Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung 3. Gefährdung der Bundesrepublik Deutschland E. Literaturhinweise Blum, https://www.juraexamen.info/bverfg-zum-ausschluss-der-partei-die-heimat-vormals-npd-von-der-staatlichen-parteienfinanzierung/ (Abruf: 18.02.2024); Kluth in: BeckOK GG, Art. 21 Rn. 212a ff. Entscheidung-der-Woche-08-2024 .pdf PDF herunterladen • 120KB Zurück Nächste












