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  • Entscheidung der Woche 21-2019 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 21-2019 (ÖR) Daniel Müller Der Ausschluss der gemeinschaftlichen Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Aktenzeichen & Fundstelle BVerfG 1 BvR 673/17 in: BeckRS 2019, 7418 A. Orientierungs- oder Leitsatz Der Ausschluss der gemeinschaftlichen Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien verstößt gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot. B. Sachverhalt (verkürzt) Die Beschwerdeführerin M ist die leibliche Mutter zweier zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde minderjährigen Kinder. Der mit der Mutter verheiratete leibliche Vater der Kinder verstarb im Jahr 2006. Seit 2007 leben M und ihr Freund F in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie haben nach eigenen Angaben von einer Eheschließung abgesehen, weil M eine Witwenrente bezieht, die sie durch erneute Heirat verlöre. Im Oktober stellen M und F einen Antrag auf Ausspruch der Annahme der beiden Kinder der M als gemeinschaftliche Kinder und lassen diesen notariell beurkunden. Das zuständige Amtsgericht wies den Antrag zurück und verwies auf die derzeitige Rechtslage, nach der Unverheiratete ein Kind nur allein zur Adoption annehmen können. Diese Regelung verfolge den legitimen Zweck, eine stabile Elternbeziehung zu gewährleisten. C. Anmerkungen Die vorliegende Entscheidung betrifft die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Vorschriften über die Adoption von Kindern durch unverheiratete Personen. Ausgangspunkt sind die §§ 1741 Abs. 2, 1754 f. BGB, welche die Annahme einer gemeinschaftlichen Adoption durch nichteheliche Lebensgemeinschaften ausschließen. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich ausführlich mit einem Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot und dem Prüfungsmaßstab für die Rechtfertigung personenbezogener Ungleichbehandlungenauseinander. 1. Weder das Elterngrundrecht noch das Recht der anzunehmenden Kinder auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflegeund Erziehung noch das Familiengrundrecht sind durch den Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption für nichteheliche Lebensgemeinschaften verletzt. 2. Gleichwohl liegt in den gesetzlichen Adoptionsgrenzen eine Ungleichbehandlung von Kindern in nichtehelichen Stiefkindfamilien gegenüber Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien. Aufgrund der hohen Intensität der Ungleichbehandlung bemisst sich ihre Rechtfertigung nach strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen. 3. Zwar stellt die Intention des Gesetzgebers, dafür zu sorgen, dass ein Kind nur in möglichst stabilen Familienverhältnisses adoptiert wird, in denen die Beziehung zwischen Elternteil und Stiefelternteil Aussicht auf längeren Bestand hat, ein legitimes Ziel dar. Indes ist die Ehelichkeit der Beziehung als Differenzierungskriterium nur geeignet, einen Teil solcher Beziehungen zu erfassen. 4. Ein Eingriff von geringerer Intensität läge in einer auf konkretere Stabilitätsprognosen abstellenden Adoptionsregelung. Die Ehelichkeit kann dabei als Indikator für die Stabilität einer Beziehung herangezogen werden. Den pauschalen Ausschluss aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften von der gemeinsamen Adoption vermag sie aber nicht zu rechtfertigen. D. In der Prüfung I. Verletzung von Grundrechten 1. Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 2 GG 2. Verletzung des Rechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG 3. Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 GG 4. Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG a. Rechtlich relevante Ungleichbehandlung b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung aa. Intensität der Ungleichbehandlung bb. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (1) Legitimer Zweck (2) Geeignetheit (3) Erforderlichkeit (4) Verhältnismäßigkeit i. e. S. (!) E. Zur Vertiefung Albers, Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, 945 ff.; Sachs/Jasper, Der allgemeine Gleichheitssatz, JuS 2016, 769 ff. Entscheidung-der-Woche-21-2019 .pdf PDF herunterladen • 94KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 09-2023 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 09-2023 (ÖR) Jasmin Wulf Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wenn sich die Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon unmittelbar aus der Verfassung ergibt. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG, Urt. v. 22.02.2023 – 2 BvE 3/19 in: becklink 2026185 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wenn sich die Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon unmittelbar aus der Verfassung ergibt. 2. Die Notwendigkeit einer besonderen gesetzlichen Regelung für staatliche Leistungen, die sich erheblich auf die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb auswirken, wird durch den Erlass eines Haushaltsgesetzes nicht genügt. 3. Die gegenwärtige staatliche Förderung parteinaher Stiftungen wirkt spürbar auf die politische Willensbildung ein und ist daher am Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien zu messen. B. Sachverhalt Das BVerfG hat über ein Organstreitverfahren der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) entschieden. Die AfD wendete sich mit ihren Anträgen dagegen, dass der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V. (DES) bislang an der staatlichen Förderung politischer Stiftungen auf Bundesebene in Form von Globalzuschüssen nicht beteiligt wird. Das Organstreitverfahren richtete sich gegen den Deutschen Bundestag, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, und das Bundesministerium der Finanzen. Gegenstand des Organstreitverfahrens war die Frage, ob die AfD durch die bislang fehlende staatliche Förderung einer ihr nahestehenden Stiftung in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG und/oder aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Die Förderkriterien sind bis heute nirgendwo gesetzlich geregelt; als Richtschnur gilt ein Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1986. Darin steht, dass sichergestellt sein muss, dass „alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt“ werden. Als geeigneter Anhaltspunkt soll dabei „eine wiederholte Vertretung“ der entsprechenden Partei im Bundestag sein, und zwar zumindest einmal in Fraktionsstärke. Daran hat sich die Politik seither orientiert. Die AfD war 2021 zum zweiten Mal nach 2017 in den Bundestag eingezogen, die DES bekommt aber nach wie vor kein Geld. Denn seit 2022 steht ein neuer Passus im Haushaltsgesetz, wonach die Zuschüsse „nur politischen Stiftungen gewährt werden, die nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätigkeit jederzeit die Gewähr bieten, dass sie sich zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen. C. Anmerkungen Die Nichtberücksichtigung der DES bei der Zuweisung von Globalzuschüssen für die gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit im Bundeshaushalt 2019 greift in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ein. Für die Rechtfertigung dieses Eingriffs bedarf es eines besonderen Parlamentsgesetzes, an dem es hier fehlt. Ein auf den Erlass des Haushaltsgesetzes 2019 bezogener Antrag hat daher Erfolg. Auch wenn politische Stiftungen und Parteien rechtlich und organisatorisch unabhängige Institutionen seien und das Distanzgebot eingehalten werde, wonach Partei und ihr nahestehende Stiftung rechtliche und tatsächliche Distanz zueinander zu wahren haben, bestehe zwischen den jeweiligen Parteien und den von ihnen anerkannten politischen Stiftungen ein besonderes Näheverhältnis. Daraus ergäben sich relevante Vorteile aus der mit staatlichen Mitteln geförderten Tätigkeit der politischen Stiftungen für die ihnen jeweils nahestehende Partei im politischen Wettbewerb. Die Parteien profitieren im politischen Wettbewerb erheblich von der Arbeit der Stiftungen. Auch wenn der von den Globalzuschüssen ausgehende Einfluss auf die politische Willensbildung im Einzelnen nicht messbar sei, würden dadurch die Reichweite der von der nahestehenden Partei vertretenen Grundüberzeugungen und Politikkonzepte jedenfalls potentiell erweitert und damit die Stellung der nahestehenden Partei im politischen Wettbewerb verbessert. Davon ausgehend stehe einer möglichen Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht der Antragstellerin bereits entgegen, dass es an einer hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt, der Ausschluss im Haushaltsplan trage dem Gesetzesvorbehalt nicht Rechnung. Angesichts des Volumens der staatlichen Zuwendungen und der erheblichen Auswirkungen der Stiftungstätigkeit auf den Prozess der politischen Willensbildung und damit auf die Verwirklichung des Demokratieprinzips im Sinne des Grundgesetzes sei der Gesetzgeber verpflichtet, in abstrakt-genereller Weise die Kriterien für den Kreis der Empfänger staatlicher Stiftungsförderung und für die Höhe der Zuwendung zu regeln. D. In der Prüfung Organstreit, Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG I. Zulässigkeit II. Begründetheit Recht auf Chancengleichheit, Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG 1. Eingriff 2. Rechtfertigung E. Literaturhinweise Lenz, Verfassungsprozessrecht statt Geld für die AfD-nahe Stiftung, NVwZ 2019, 1016; BVerfG, Staatliche Förderung parteinaher Stiftungen, NJW 1986, 2497. Entscheidung-der-Woche-09-2023 .pdf PDF herunterladen • 271KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 10-2021 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 10-2021 (SR) Celina Weddige Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB ist, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handelnals Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 287/19 in: NStZ 2020, 730 BeckRS 2020, 17189 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB ist, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handelnals Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. […] Die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung muss sich aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. 2. Ob Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind dabei der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängt. B. Sachverhalt A wurde an den Wochenenden als „Sicherheitskraft“ in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge tätig. Der Wachdienst war dort unter anderem für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständig. Bei Konflikten sollten sie einschreiten und die Hausordnung überwachen. Der Heimleiter ordnete die Einrichtung von Problemzimmern an. Diese dienten dazu, Verstöße der Flüchtlinge gegen die Hausordnung zu sanktionieren, indem sie dort eingeschlossen wurden. Diese Zimmer ließen sich nur von außen öffnen. Sollte ein Verstoß festgestellt werden, so mussten die Mitarbeiter, nach Weisung des Heimleiters, einen Sozialmitarbeiter hinzuziehen, welcher sodann u.a. über die Dauer des Aufenthalts entschied. Das Einschließen in die Zimmer sollte durch zwei Wachleute vorgenommen und in ein Wachbuch eingetragen werden. Die Vorgehensweise wurde gegenüber der Polizei nicht offengelegt. A kannte die Vorgehensweise und war auch bereit, eigenhändig zu helfen und mitzuwirken und sah sich als „Teil des Wachsystems“, um die Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Als sie Tagesschicht hatte, erfuhr sie über Funk, dass ein Flüchtling auf Anordnung des Sozialmitarbeiters in eins der Problemzimmer gegen seinen Willen gebracht wurde. A war damit einverstanden und vermerkte es im Wachbuch. Später wurde ein zweiter Flüchtling in ein Problemzimmer gebracht, was A billigte und wieder im Wachbuch vermerkte. Hat sich A wegen Freiheitsberaubung in Mittäterschaft / Beihilfe gem. §§ 239 Abs. 1, 25 Abs. 2 / 27 Abs. 1 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das LG hatte A wegen Freiheitsberaubung gem. § 239 Abs. 1 StGB in zwei Fällen verurteilt. Dieser Schuldspruch hielt vor dem BGH einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob Mittäterschaft oder Beihilfe angenommen werden kann, müsse das Gericht anhand einer Gesamtbetrachtung maßgeblicher Kriterien, wie dem Grad des eigenen Interesses an der Tat, dem Umfang der Tatbeteiligung und anhand der Tatherrschaft prüfen. Der BGH hielt der Annahme einer Mittäterschaft entgegen, dass die Beweisergebnisse gerade nicht entsprechend gewürdigt und bewertet wurden. Das LG hatte argumentiert, dass A das Einschließen der Flüchtlinge „unterstützt“ habe. Allerdings spreche bereits diese Formulierung des „Unterstützens“ nach dem BGH gegen eine Mittäterschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB. Der BGH ist auch nicht der Auffassung, dass A sich insoweit wegen Beihilfe strafbar gemacht habe. Hilfeleistung i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dabei kann zwar auch ein „Dabeisein“ die Begehung der Tat fördern oder erleichtern, wenn die Tat gebilligt wird und dies gegenüber dem Täter ausgedrückt wird und dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird. Jedoch fehle es laut BGH hier schon daran, dass nicht eindeutig ersichtlich sei, in welchem Tun der fördernde eigene Tatbeitrag der A zum Einsperren der Flüchtlinge lag. Somit fehlt es an einem fördernden Beitrag der A, sodass eine Strafbarkeit wegen Beihilfe auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ausscheidet. Entgegen der Ansicht des LG führe auch der Umstand, dass A sich als „Teil des Wachsystems“ sah, nicht zu einer Annahme einer Beihilfe. Daher kann vorerst weder eine Freiheitsberaubung in Mittäterschaft noch Beihilfe angenommen werden. Für die Annahme, dass die allgemeine Dienstausübung der A den Entschluss der anderen beiden Wachleute gefördert habe, fehle es bisher an tragfähigen Beweiserwägungen. D. In der Prüfung I. Strafbarkeit der A gem. §§ 239 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand aa. Einsperren, § 239 Abs. 1 Alt. 1 StGB bb. Taugliches Tatobjekt cc. Zurechnung der Tathandlung, § 25 Abs. 2 StGB (1) Gemeinsamer Tatplan (2) Gemeinsame Tatbegehung –> Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe E. Zur Vertiefung Kudlich, Praxiskommentar zum Beschluss, NStZ 2020, 732f.; zur Abgrenzung Joecks/Scheinfeld in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 1, 4. Auflage 2020, § 25 Rn. 186ff. Entscheidung-der-Woche-10-2021 .pdf PDF herunterladen • 89KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 15-2018 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 15-2018 (SR) Adam Hetka Ein Betäubungsmittelhändler, der allgemein dazu bereit ist und nach außen trägt, Betäubungsmittel ins Ausland zu liefern, stellt keinen bereits zur Tat entschlossenen Haupttäter dar. Wo? Az.: BGH 1 StR 146/17 in: BeckRS 2017, 135998 Was? BGH, Urteil vom 25.10.2017 Ein Betäubungsmittelhändler, der allgemein dazu bereit ist und nach außen trägt, Betäubungsmittel ins Ausland zu liefern, stellt keinen bereits zur Tat entschlossenen Haupttäter dar. Grund hierfür ist eine fehlende konkretindividualisierte Tat, zu welcher der Haupttäter durch Hervorrufen des Tatentschlusses noch veranlasst werden muss. Damit handelt es sich mangels eines bestimmten, auf eine konkrete Tat bezogenen Tatentschlusses nicht um einen bereits zur Tat entschlossenen Haupttäter (sog. omnimodo facturus). Der Besteller kann sich somit wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar machen, da die Internetpräsentation des sich im Ausland befindlichen Drogenhändlers lediglich eine sog. invitatio ad offerendum darstellt. Warum? Die Prüfung einer Anstiftung gem. § 26 StGB kann mit vielen Delikten und Streitständen – bspw. mit gekreuzten Mordmerkmalen – kombiniert werden. Ebenso ist die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ein beliebtes Klausurthema. Im Rahmen der Anstiftung können gerade die Sonderkonstellationen der Auf- bzw. Umstiftung für Studierende in der Beurteilung schwierig sein. Auch ist immer daran zu denken, ob eine Anstiftung nicht möglicherweise aufgrund eines omnimodo facturus ausgeschlossen ist. Dies wird in solchen Fällen stets einen Schwerpunkt der Bearbeitung darstellen, der durch saubere Sachverhaltsauswertung und schlüssige Argumentation diskutiert werden muss. Vertiefungsaufgabe Zur Vertiefung bietet sich gerade ein Fall an, wo die Art, die Menge und der Preis des Rauschgifts sowie die Lieferbedingungen bereits festgelegt sind: BGH 1 StR 231/16, NStZ 2017, 401. Entscheidung-der-Woche-15-2018 .pdf PDF herunterladen • 170KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 52-2023 (ZR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 52-2023 (ZR) Nina Zarth Um ihre besondere Prüfpflicht nicht zu verletzen, ist eine Kraftfahrzeughändlerin verpflichtet, bei der Bestellung und Weitergabe von Ersatzschlüsseln eindeutige Berechtigungsnachweise vom Besteller zu verlangen. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VI ZR 19/22 in: NJW 2023, 2037 A. Orientierungs - oder Leitsätze Zu den Verkehrssicherungspflichten, insbesondere Prüfpflichten einer Kraftfahrzeugvertragshändlerin bei der Bestellung und Weitergabe von Ersatzschlüsseln für Kraftfahrzeuge: Um ihre besondere Prüfpflicht nicht zu verletzen, ist eine Kraftfahrzeughändlerin verpflichtet, bei der Bestellung und Weitergabe von Ersatzschlüsseln eindeutige Berechtigungsnachweise vom Besteller zu verlangen. B. Sachverhalt Die Klägerin, ein Kaskoversicherer, nimmt die beklagte Vertragshändlerin aus übergegangenem Recht auf Ersatz von Versicherungsleistungen für gestohlene Kraftfahrzeuge in Anspruch. Vier bei der Klägerin versicherte Fahrzeuge wurden mittels echter Ersatzschlüssel gestohlen. Diese Ersatzschlüssel waren zuvor von der Beklagten beim Hersteller bestellt und anschließend an ein Unternehmen in Litauen weitergegeben worden. Bei letzterem handelt es sich um einen sog. NORA-Kunden („Nicht Organisationsgebundener Rabattbegünstigter Abnehmer“ von Originalteilen). Für die Schlüsselbestellung teilte das litauische Unternehmen der Beklagten lediglich die Fahrzeug-Identifizierungsnummer des jeweiligen Fahrzeugs mit. Eine darüber hinausgehende Überprüfung der Legitimation zur Bestellung der Ersatzschlüssel durch Vorlage von Ausweispapieren oder Zulassungsbescheinigungen fand nicht statt. Insbesondere erfolgte keine Prüfung der Frage, ob der Veranlasser der Schlüsselbestellung im Besitz des jeweiligen Fahrzeugs ist. Fahrzeugteile der gestohlenen Fahrzeuge sowie Belege über die Schlüsselbestellungen und nachbestellte Ersatzschlüssel selbst wurden in einer Zerlegehalle aufgefunden. Die Klägerin behauptet, die Ersatzschlüssel seien von dem litauischen Unternehmen an Diebe gelangt. Ihrer Auffassung nach hätte die Beklagte Ersatzschlüssel, ohne eindeutige Berechtigungsnachweise, nicht nachbestellen dürfen. C. Anmerkungen Sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsinstanz wurden Schadensersatzansprüche der Klägerin aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG bejaht. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Diebstähle der Beklagten zuzurechnen, wobei nicht die Beschaffung und Weitergabe der Ersatzschlüssel, sondern die unterlassene Prüfung der Berechtigung des Bestellers entscheidend ist. Die Möglichkeit der Beklagten zur Beschaffung und zum Inverkehrbringen von Ersatzschlüsseln geht mit einer gesteigerten Verantwortung und folglich mit einer besonderen Prüfpflicht einher. Die Weitergabe der Schlüssel an das litauische Unternehmen ist im Sinne einer Mitverursachung jedenfalls kausal für die jeweiligen Fahrzeugdiebstähle. Der BGH schloss sich den Ausführungen des Berufungsgerichts an. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Auch Verkehrssicherungspflichten sind mit der Folge der eigenen Entlastung delegierbar. Hierfür bedarf es einer zumindest faktischen Übernahme der Verantwortung des Händlers durch die Werkstatt. Eine langjährige Geschäftsbeziehung allein genügt mangels zwingend erforderlicher Absprache über den konkreten Gefahrenbereich nicht. Die Beklagte hat, indem sie Ersatzschlüssel ohne vorherige Prüfung der Bestellberechtigung an das litauische Unternehmen weitergab, für die jeweiligen Halter/Eigentümer der mit den Ersatzschlüsseln zu versorgenden Kraftfahrzeuge die erhebliche Gefahrenlage geschaffen, dass ihr Fahrzeug von Unbefugten genutzt und/oder entwendet wird. Die Prüfung der Bestellberechtigung war der Beklagten möglich und zumutbar und hätte den Schadeneintritt verhindern können. D. In der Prüfung A. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG I. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB 1. Rechts(guts)verletzung 2. Verletzungshandlung … II. Aktivlegitimation, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG III. Ergebnis B. Anspruch auf Schadensersatz aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG I. Anspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB 1. Verrichtungsgehilfe 2. Tatbestandsmäßige und rechtswidrige unerlaubte Handlung … II. Aktivlegitimation, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG III. Ergebnis E. Literaturhinweise Mergner, NJW 2023, 2037, Anm. zu BGH, Urt. vom 28.03.2023 - VI ZR 19/22, NJW 2023, 2037. Entscheidung-der-Woche-52-2023 .pdf PDF herunterladen • 110KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 13-2025 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 13-2025 (ÖR) Elias El Bekkouri Sobald eine Zuständigkeitsgrundlage des IStGH gemäß Artikel 12(2)(a) oder (b) des Statuts gegeben ist, ist keine weitere erforderlich. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: ICC-01/18-374 - 21. November 2024 Fundstelle: www.icc-cpi.int/court-record/icc-01/18-374 A. Orientierungs - oder Leitsätze (übersetzt und gekürzt) 13. Sobald eine Zuständigkeitsgrundlage des IStGH gemäß Artikel12(2)(a) oder (b) des Statuts gegeben ist, ist keine weitere erforderlich. 15 . Es ist zwischen einer vermuteten und einer bereits res judicata (rechtskräftig entschiedenen) Gerichtsbarkeit des IStGH sowie Klagebefugnis eines Staates zu unterscheiden. 17. Staaten sind laut dem Statut nicht berechtigt, die Gerichtsbarkeit des IStGH auf der Grundlage von Artikel 19 anzufechten, bevor ein Haftbefehl oder eine Vorladung erlassen wurde. [...] Die Anfechtung der Gerichtsbarkeit erfordert einen konkreten Fall. B. Sachverhalt Im Jahr 2015 trat Palästina dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) bei und erkannte dessen Gerichtsbarkeit rückwirkend ab dem Jahr 2014 an. Im Kontext des Nahostkonflikts ersuchte Palästina 2018 Ermittlungen durch den IStGH hinsichtlich möglicher Menschenrechtsverletzungen durch Israel. In Reaktion darauf leitete die Anklagebehörde des IStGH im Jahr 2021 Untersuchungen zu möglichen völkerrechtlichen Verstößen seitens Israels im Gazastreifen, dem Westjordanland sowie in Ostjerusalem ein. Im Rahmen dieser Ermittlungen beantragte der Chefankläger des IStGH, Karim A.A. Khan, am 20. Mai 2024 bei der Vorverfahrenskammer die Ausstellung von Haftbefehlen gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu sowie den ehem. Verteidigungsminister Yoav Gallant. Sie werden u.A. der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verdächtigt. Konkret, die palästinensische Zivilbevölkerung auszuhungern, medizinische Hilfe zu blockieren, zivile Infrastruktur anzugreifen, im Westjordanland Zwangsumsiedlungen durchzuführen sowie unverhältnismäßige Gewalt im Gazastreifen anzuwenden. Israel ficht diese Haftbefehle an und argumentierte, dass Palästina kein souveräner Staat sei und dem Gericht somit keine territoriale Zuständigkeit zustehe. Darüber hinaus führte Israel an, dass es selbst kein Vertragsstaat des Römischen Statuts der internationalen Strafgerichtsbarkeit sei und den IStCH nicht anerkenne, wodurch eine gerichtliche Zuständigkeit auch nicht gegeben sei. Der Internationale Strafgerichtshof veröffentlichte am 21. November 2024 die Entscheidung über die Rüge Israels und wies diese ab. C. Anmerkungen Das Gericht setzt sich mit der Zulässigkeit der von Israel erhobenen Rüge gegen die Zuständigkeit des IStGH auseinander. Dabei verweist es auf frühere Entscheidungen, insbesondere auf den Beschluss vom 5. Februar 2021, mit dem die territoriale Zuständigkeit des Gerichts für die seit dem 13. Juni 2014 begangenen mutmaßlichen Straftaten im Gebiet des Staates Palästina, einschl. des Gazastreifens, dem Westjordanland und Ostjerusalem bejaht wurde. Die Kammer weist Israels Argument zurück, dass Palästina nicht die völkerrechtliche Kompetenz besitze, dem IStGH seine Hoheitsgewalt zu übertragen. Sie stellt klar, dass es nach Art. 12 Abs. 2 des Römischen Statuts genügt, Wenn ein Staat, auf dessen Territorium die fraglichen Taten begangen wurden, der Gerichtsbarkeit des IStGH beigetreten ist. Damit erkennt auch der IStGH die staatliche Souveränität Palästinas als Mitgliedstaat an und stellt seine Zuständigkeit abschließend fest. Eine Zustimmung, insbesondere von Israel, sei nicht erforderlich. Zudem betont der IStGH, dass eine Zuständigkeitsrüge einen konkreten Fall erfordert. Nach Art. 19 Abs. 2 des Statuts ist eine Zuständigkeitsrüge erst zulässig, wenn ein Haftbefehl bereits ausgestellt wurde. Zum Zeitpunkt der Rüge Israels hatte der IStGH dem Antrag des Chefklägers Khan noch nicht stattgegeben. Das Gericht lehnt die Rüge Israels daher ab. Etwa ein halbes Jahr später verkündete die Vorverfahrenskammer I des IStGH die Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant, wodurch diese Bestandskraft erlangten. Eine erneute Rüge wäre damit zulässig, jedoch materiell unbegründet. D. In der Prüfung, Art. 19 Abs. 1, 2 IStGH-Statut I. Zuständigkeit des IStGH, Art. 19 Abs. 1 Sachliche Zuständigkeit, Art. 5 ff. (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Aggression) Zeitliche Zuständigkeit, Art. 11 Örtliche Zuständigkeit, Art. 12 Abs. 2 Persönliche Zuständigkeit, Art. 25 Komplementarität Art. 17Abs. 1 - 3 II. Zuständigkeitsrüge, Art. 19 Abs. 2 Befugnis Zeitpunkt, Art. 19 Abs. 4 Prüfung durch Vorverfahrenskammer III. Rechtsfolge Erfolg = IStGH ist unzuständig Misserfolg = IStGH ist zuständig und setzt Verfahren fort E. Literatur- und Vertiefungsempfehlung Quellen des IStGH (Arabisch, Englisch, Hebräisch): Zusammenfassung des Urteils: https://t1p.de/4m342 Angeklagtenprofil Netanyahu: https://t1p.de/Ifx4s • Angeklagtenprofil Gallant: https://t1p.de/xrmzm Statement des Chefanklägers Khan: https://t1p.de/v2k04 Zur Anerkennung Palästinas als Staat i.S.d. IStGH-Statuts: Stegmiller: „Palästinas Aufnahme als Mitgliedstaat des Internationalen Strafgerichtshofs" (Heft 2, ZaöRV 2015, 435) Kooperationspflicht Deutschlands: Vergleich zum Haftbefehl Putin: „Müsste Deutschland Netanjahu verhaften?" (Heft 12, FD-StrafR 2024, 811892) Zur Kollision des IStGH mit deutschen Gerichten sowie Immunität: • Knauer, Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung: StPO, 2. Aufl. 2023, Bd. 4 (insb. § 20, III. Allg. Regelungen) Definition und Konkurrenzen: „Verbrechen gg. d. Menschlichkeit": • BGH (3. Strafsenat), Beschl. v. 07.10.2021 - AK 43/21 (BGH LSK2021, 32683 = StV Spezial 2022, 5 [Ls.]) Allgemeines zum Völkerstrafrecht: Kudlich, Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2025, Bd. 9 Ambos, Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2022, Bd. 9 (insb. VStGB § 1 ff.) Onlineartikel der UN: „What is the ICC?" https://t1p.de/faa5h Verkündungsblatt des Rates der Europ. Union zur Anerkennung: „EU - Internationaler StrafgerichtshofB* (B 2011/168 /EU) Onlineartikel von Amnesty International zu den Haftbefehlen: • https://t1p.de/omtb8 Entscheidung der Woche 13-2025.pdf .png PNG herunterladen • 722KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 14-2019 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 14-2019 (SR) Adam Hetka Bei zeitlich aufeinanderfolgenden, wechselseitigen Angriffen der Beteiligten bedarf es zur Prüfung der Notwehrlage einer Gesamtbetrachtung unter Einschluss des der Tathandlung vorausgegangenen Geschehens. Aktenzeichen & Fundstell Az.: BGH – 1 StR 208/18 in: bundesgerichtshof.de A. Orientierungs- oder Leitsatz Bei zeitlich aufeinanderfolgenden, wechselseitigen Angriffen der Beteiligten bedarf es zur Prüfung der Notwehrlage einer Gesamtbetrachtung unter Einschluss des der Tathandlung vorausgegangenen Geschehens. So erfährt das Notwehrrecht unter anderem dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt. (Orientierungssatz der Redaktion) B. Sachverhalt Zwischen A und B bestand ein Streit über die Rückzahlung eines Geldbetrags, innerhalb dessen es zu gegenseitigen Beleidigungen und Beschimpfungen per SMS kam. Einige Tage später kündigte B bei A an, zu dessen Wohnung zu kommen. Wenig später schickte B dem A eine SMS mit den Worten „Komm runter ich bin da“. Daraufhin verließ A die Wohnung und nahm, weil er eine körperliche Auseinandersetzung vermutete, eine metallene Duschstange mit. B führte einen langen metallenen Schuhanzieher mit sich, mit dem er zunächst Schlagbewegungen in Richtung des A machte, ohne ihn jedoch tatsächlich anzugreifen. Es kam zu einem kurzen Kampf zwischen den Beteiligten, in dessen Zuge B durch einen Schlag des A mit der Duschstange einen blauen Fleck am Kopf erlitt. Als A im Anschluss zu seiner Wohnung zurückging, forderte ihn B mit den Worten „Wehe, wenn du nicht nochmal runterkommst“ auf, wieder zurückzukommen. Bei der weiteren Auseinandersetzung gewann A schnell die Oberhand und verletzte den B am Brustkorb und am Kopf mit einem nun mitgeführten Küchenmesser. B sank in der Folge mit den Worten „Hör auf, es ist genug“ in sich zusammen, woraufhin A von ihm schließlich abließ. Hat sich A gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Im Rahmen der Prüfung in einer Klausur ist in erster Linie eine Trennung zwischen den beiden Handlungen vorzunehmen. So empfiehlt es sich, bei der Strafbarkeit wegen des Schlages mit der Duschstange durch den A lediglich eine rechtfertigende Einwilligung zu prüfen. Auf die Notwehrprüfung kann dann ausführlich im Rahmen der Prüfung der Strafbarkeit des A wegen der zweiten Auseinandersetzung eingegangen werden. Dabei ist im Rahmen der Rechtswidrigkeit, nachdem anders als bei der ersten Tathandlung hier die rechtfertigende Einwilligung an § 228 StGB scheitert, auf eine Notwehr gem. § 32 StGB einzugehen. Nach der zu bejahenden Notwehrlage ist die Notwehrhandlung zu prüfen, die sich in Erforderlichkeit und Gebotenheit gliedert. Letztere sah der BGH als erfüllt an und führte dazu aus, dass die bloße Kenntnis oder die („billigende“) Annahme, ein bestimmtes eigenes Verhalten werde eine andere Person zu einem rechtswidrigen Angriff provozieren, für sich allein nicht zu einer Einschränkung des Rechts führe, sich gegen einen solchen Angriff mit den erforderlichen und gebotenen Mitteln zur Wehr zu setzen. Demnach ist das Notwehrrecht des A nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt, so dass im Ergebnis dessen Verteidigungshandlung auch normativ geboten war, mit der Folge, dass sich A nicht strafbar gemacht hat. D. In der Prüfung I. Tatbestand II. Rechtswidrigkeit 1. Rechtfertigende Einwilligung 2. Notwehr gem. § 32 StGB a. Notwehrlage b. Notwehrhandlung aa. Erforderlichkeit bb. Gebotenheit (!) E. Zur Vertiefung Zur Notwehr: Rengier, Strafrecht AT, 10. Aufl. 2018, § 18; Umfassend zu diesem Beschluss: Brüning, Voraussetzungen einer Notwehreinschränkung aufgrund einer Notwehrprovokation bei wechselseitigen Angriffen, ZJS 2018, 640-645. Entscheidung-der-Woche-14-2019 .pdf PDF herunterladen • 242KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 14-2023 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 14-2023 (SR) Clara Kittelmann Mit Beginn der Sectio und Öffnung des Uterus handelt es sich bei dem Kind nicht mehr um eine Leibesfrucht i.S.d. § 218 StGB, sondern um einen geborenen Menschen i.S.d. §§ 211 ff. StGB. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: LG Berlin 532 Ks 7/16 in: MedR 2020, 844 A. Orientierungs- oder Leitsätze 1. Mit Beginn der Sectio und Öffnung des Uterus handelt es sich bei dem Kind nicht mehr um eine Leibesfrucht i.S.d. § 218 StGB, sondern um einen geborenen Menschen i.S.d. §§ 211 ff. StGB. 2. Der Umstand, dass ein Abbruch der Schwangerschaft gem. § 218a II StGB indiziert gewesen wäre, rechtfertigt die Tötung nach Geburtsbeginn nicht. B. Sachverhalt Ende 2009 wurde Zeugin S. ungeplant mit Zwillingen schwanger. Im Verlauf der Schwangerschaft wurde bei einem der Feten eine hochgradige Entwicklungsstörung von unvorhersehbarem Ausmaß infolge des sog. fetofatalen Transfusionssyndroms (FFTS) diagnostiziert. Der andere Zwilling zeigte dagegen eine normale Entwicklung. Daraufhin entschied sich die Schwangere, einen selektiven Fetozid, d.h. die Abtreibung des erkrankten Zwillings, vornehmen zu lassen. Die Angeklagten - zwei mit diesem Eingriff betraute Geburtsmediziner - beschlossen, die zielgerichtete Tötung des mutmaßlich schwer hirngeschädigten Zwillings durch eine Kaliumchloridinjektion vorzunehmen, ein Schwangerschaftsabbruchsverfahren, das bei derartigen Risikoschwangerschaften - wie im Fall der Zeugin S. - wegen der damit verbundenen Gefahr, dass die injizierte Substanz auch in die Blutbahn des anderen Zwillings gelangt, grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Um den gesunden Zwilling genau diesem Risiko nicht auszusetzen, planten die erfahrenen Ärzte, den selektiven Fetozid unmittelbar im Zusammenhang mit der Geburt des gesunden Kindes während der bereits begonnenen Sectio (Kaiserschnitt) im Mutterleib durchzuführen. Die in solchen Risikoschwangerschaften gebotene Methode des selektiven Fetozids mittels Nabelgefäßverschlusses, die bis unmittelbar vor der Geburt möglich gewesen wäre, stand den Angeklagten mangels entsprechender Ausstattung ihres Klinikums nicht zur Verfügung. Nach Einsetzen der Wehentätigkeit in der 32. Schwangerschaftswoche setzten die Angeklagten ihr Vorhaben in die Tat um. In dem Bewusstsein, dass durch die Eröffnung der Gebärmutter auch für den geschädigten - jedoch lebensfähigen - Zwilling die Menschwerdung begonnen hatte, brachten sie zunächst das gesunde Kind zur Welt und töteten anschließend den erkrankten Zwilling. Im Nachhinein erklärten die Angeklagten, ihr Handeln sei von dem Gedanken beherrscht gewesen, im Interesse der Schwangeren den gesunden Zwilling unbedingt unversehrt zu entbinden. C. Anmerkungen Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage nach dem Beginn des Menschenlebens i.S.d. § 212 StGB in dem besonderen Fall des selektiven Fetozids bei bereits begonnenem Kaiserschnitt. Das Landgericht Berlin führt in seiner Urteilsbegründung hierzu aus, dass mit der Eröffnung der Gebärmutter für beide Zwillinge die Geburt und damit auch der strafrechtliche Schutz der § 212ff. StGB begonnen habe. Folglich ende ab hier der Schutz als Leibesfrucht i.S.d. § 218a II StGB. Die Auffassung, der zufolge der Geburtsakt bei einer Sectio allenfalls bei Einzelkindern und bei Zwillingsschwangerschaften nur hinsichtlich des ersten Zwillings mit der Eröffnung des Uterus beginne, finde jedenfalls im vorliegenden Fall keine Anwendung. Grund dafür ist, dass die zur Untermauerung dieser Ansicht angeführten Möglichkeiten im Bereich der fetalen Chirurgie allesamt der Fortsetzung der Schwangerschaft dienen. Der fragliche Eingriff im vorliegenden Fall zielte jedoch gerade nicht auf eine solche Fortführung, sondern auf die Beendigung der Schwangerschaft betreffend beider Zwillinge ab. Zudem führe diese Sichtweise zu dem grundlegenden Problem, dass der durch die §§ 211 ff. StGB garantierte Lebensschutz im Falle einer Schnittentbindung bei Zwillingsschwangerschaften nur für eines der Zwillinge zum Zeitpunkt der Eröffnung des Uterus gelten würde und es in dieser Hinsicht zu zufälligen Ergebnissen käme, je nachdem, welcher Zwilling als "der erste" angesehen wird. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall keine Umstände vorlagen, die die Tat rechtfertigen oder entschuldigen könnten. Insbesondere komme bei dieser speziellen Vorgehensweise des selektiven Fetozids keine Rechtfertigung im Wege einer Pflichtenkollision in Betracht. Hierfür fehlt es an einer von dem geschädigten Zwilling ausgehenden Gefahr für den bereits entbundenen gesunden Zwilling oder die Kindesmutter. Ferner betont das Gericht, dass die Tatsache, dass ein Abbruch der Schwangerschaft gem. § 218a II StGB von der Schwangeren indiziert gewesen ist, die Tötung nach Geburtsbeginn nicht rechtfertigen vermag. Der Umstand, dass der Fetozid nicht durch einen Nabelschlussgefäßverschluss herbeigeführt wurde, begründe keine Pflicht der Angeklagten, durch die Tötung des geschädigten Zwillings den Zustand herzustellen, der im Falle eines rechtmäßig durchgeführten selektiven Schwangerschaftsabbruch bestanden hätte. Vielmehr hätten die Geburtsmediziner den sich bereits unter der Geburt befindlichen erkrankten Zwilling lebend zur Welt bringen müssen. D. In der Prüfung I. Tatbestand: Ein anderer Mensch i.S.d. § 212 StGB II. Rechtswidrigkeit III. Schuld: Keine rechtfertigende Pflichtenkollision E. Literaturhinweise Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl. 2019, Vor §§211ff., Rdnr. 13. Entscheidung-der-Woche-14-2023 .pdf PDF herunterladen • 162KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 19-2022 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 19-2022 (ÖR) Sina John Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerwG 8 C 35.20 in: Entscheidungsdatenbank des BVerwG BeckRS 2022, 8388 A. Orientierungs- oder Leitsatz Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit. B. Sachverhalt Der Kläger begehrte die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten für eine Diskussionsveranstaltung. Thema der Diskussion sollte ein Ratsbeschluss der Beklagten vom 13.12.2017 sein, deren Räumlichkeiten nicht für Veranstaltungen bereitzustellen, „welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben“. Die BDS ist eine nicht verbotene Bewegung, welche sich gegen die Politik des Staates Israel gegenüber Palästinensern richtet. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil sie „antisemitische Tarnveranstaltungen“ verhindern wollte. Das VG München bestätigte die Rechtsauffassung der beklagten Stadt, der VGH München änderte das Urteil ab. Die Meinungsfreiheit werde verletzt, wenn dem Kläger allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen der Zugang zu der öffentlichen Einrichtung verwehrt werde. Etwaige antisemitische Äußerungen rechtfertigten einen Ausschluss von der Nutzung erst dann, wenn damit die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährdet werde. C. Anmerkungen Das BVerwG wies die Revision der Beklagten zurück. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zulassung zu der begehrten Einrichtung aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 BayGO zu. (in Niedersachen: § 30 Abs. 1 NKomVG) Der Anspruch bestehe jedoch nur im Rahmen des Widmungszwecks und der Kapazität der Einrichtung. Eine nachträgliche Widmung sei mit dem Ratsbeschluss vom 13.12.2017 erfolgt. Diese Widmung sei jedoch verfassungswidrig und stehe der Zulassung mithin nicht entgegen: die durch den Ratsbeschluss vorgenommene Widmungsbeschränkung verletze das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Antragsstellers. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit sei von der Widmungseinschränkung des Stadtratsbeschlusses betroffen, weil der Ausschluss von der Nutzung öffentlicher Einrichtungen der Beklagten an absehbare Meinungsäußerungen zur BDS-Kampagne gleich welcher Richtung anknüpft. Der Stadtratsbeschluss verbiete Meinungsäußerungen nicht unmittelbar, womit ein klassischer Grundrechtseingriff nicht gegeben sei. Er greife vielmehr mittelbar in die Meinungsfreiheit ein, weil er mit dem Ausschluss von der Benutzung öffentlicher Einrichtungen eine nachteilige Rechtsfolge an die zu erwartendeKundgabe von Meinungen zur BDS-Kampagne oder zu deren Inhalten, Zielen oder Themen knüpft und damit eine meinungsbildende Auseinandersetzung zu diesem Thema behindert. Dieser Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Gesetz ein allgemeines ist, ist zunächst die Frage, ob eine Norm an Meinungsinhalte anknüpft. Erfasst sie das fragliche Verhalten völlig unabhängig von dem Inhalt einer Meinungsäußerung, bestehen hinsichtlich der Allgemeinheit keine Zweifel. Knüpft sie demgegenüber an den Inhalt einer Meinungsäußerung an, kommt es darauf an, ob die Norm dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts dient. Dabei sei zu beachten, dass Art. 5 Abs. 1 und 2 GG nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung erlaubt, sondern erst dann zum Eingriff ermächtigt, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder Gefährdungen umschlagen. Der Stadtratsbeschluss stelle- allein mangels Rechtssatzqualität-kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar. Zudem treffe er keine allgemeine Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Er sei nicht meinungsneutral, sondern richte sich gegen jegliche Meinung zum Thema BDS-Kampagne und schließe damit alle Meinungsäußerungen zu einem bestimmten Thema aus. Dass eine andere realistische Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB laut VGH nicht möglich sei, sei nicht zu beanstanden. Etwaige Verstöße gegen Art. 8 Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG treten hinter den spezielleren Verstoß der Meinungsfreiheit zurück. D. In der Prüfung (für § 30 Abs. 1 NKomVG) a. öffentliche Einrichtung b. Einwohner und Einwohnerinnen c. (P) im Rahmen der bestehenden Vorschriften 1. Die Widmung (a) Verfassungsmäßigkeit des Ratsbeschlusses vom 13.12.2017 (b) Vereinbarkeit des geplanten Nutzungszweckes E. Literaturhinweise Spitzlei, Die Auswahlkriterien beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen im Fall der Kapazitätserschöpfung; Juristische Arbeitsblätter 2020, 372. Entscheidung-der-Woche-19-2022 .pdf PDF herunterladen • 132KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 19-2023 (ZR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 19-2023 (ZR) Raja Mudrak § 548 Abs. 1 BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgeht,... Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH V ZR 8/19 in: NJW 2020, 3711 MDR 2020, 1372 VersR 2020, 1518 A. Orientierungs - oder Leitsätze § 548 Abs. 1 BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgeht, so dass eine Anspruchsverjährung vor Rückgabe der Mietsache an den Vermieter nicht eintreten kann, auch wenn die in der vorge- nannten Vorschrift bestimmte Frist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an bereits im laufenden Mietverhältnis verstrichen ist. B. Sachverhalt Seit 1981 mieten B und C eine Wohnung von A. Vereinbarungsge- mäß sanierten B und C 1983 den Boden im Badezimmer der Wohnung. Ein Fliesenfußboden mit Bodenabfluss sollte die vorhandnen Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung ersetzen. Jedoch brachten B und C eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht fachgerecht an. In der Folgezeit duschten B und C mehrmals außerhalb der Duschwanne. Dadurch gelangten wiederholt erhebliche Mengen Wasser auf den nicht ordnungs- gemäß abgedichteten Boden. Schließlich trat im Juli 2016 eine erhebliche Menge Wasser durch den Boden des Badezimmers von B und C in die darunter gelegene Wohnung. Von einem Sachverständigen wurde festgestellt, dass die Decke aufgrund der über die Jahre eingedrungenen Feuchtigkeit einsturzgefährdet war. Die Kosten zur Reparatur des Schadens am Boden bzw. an der Decke betragen 70.000 €. A forderte von B und C den Ersatz dieser Kosten. B und C bewohnen weiterhin die Wohnung und dies soll nach dem Willen aller Parteien so bleiben. Sie entgegnen dem A, dass aufgrund der Tatsache, dass C im Rollstuhl sitze, die Duschvorgänge außerhalb der Duschwanne erfolgen mussten und der Anspruch zudem verjährt sei. Fraglich ist, ob der von A gegen B und C geltend gemacht Anspruch verjährt ist. Bearbeiterhinweis : Das Verhältnis der Mieterhaftung zur Haftung des Gebäudeversicherers (sog. versicherungsrechtl. Lösung) ist außer Acht zu lassen. C. Anmerkungen Der BGH stellt in dieser Entscheidung, entgegen der vorangegangen Entscheidung des Berufungsgerichts, fest, dass es sich bei der Verjährung aus § 548 I um eine abschließende Sonderregelung handelt, die der allgemeinen Regelung des § 199 III 1 Nr. 2 vorgeht. Vorab hatte das Berufungsgericht angenommen, dass die erhobenen Ansprüche aus § 199 III 1 Nr. 2 bereits während des laufenden Mietverhältnisses verjährten, weil die Schaden auslösende Pflichtverletzung mehr als 30 Jahre vor der Klageerhebung stattgefunden hatte. Dabei verkannte das Berufungsgericht, dass die allgemeine Vorschrift des § 199 III 1 Nr. 2 nicht anwendbar ist, weil der § 548 für bestimmte mietrechtl. Ansprüche eine abschließende Sonderregelung enthält, die der allgem. Bestimmung vorgehen, sodass eine Verjährung solcher Ansprüche vor Rückgabe der Mietsache nicht eintreten kann. Diese Feststellung wurde anhand der Auslegung des Wortlauts, der Historie, der Systematik sowie des Telos ermittelt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Ersatzansprüche schon während des laufenden Mietverhältnisses nach § 199 anstatt erst nach Rückgabe der Mietsache nach § 548 I, verjähren, so hätte dieser das im Wortlaut durch den Passus „spätestens“ oder einen Verweis auf die Verjährungsregelungen des BGB AT erkennbar gemacht. Solche Anhaltspunkte fehlen, sodass nach dem Wortlaut eine abschließende Regelung vorliegt. Weiterhin wurde in der Entwicklung des § 548 erwogen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für einen Anspruch zu schaffen, wenn er nicht bereits früher durch die sechsmonatige Frist verjährt sei. Dies wurde verworfen, sodass festzustellen ist, dass sich die mietrecht. Verjährungsvorschrift nicht für die des § 199 öffnet und somit eine abschließende Regelung darstellt. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen eine Anwendbarkeit von § 199 BGB neben § 548 BGB. Die Regelungen des AT sollen nur dann greifen, soweit gesetzlich nichts Weiteres bestimmt ist. Es besteht aber eine spezielle Regelung für Mietverträge im Schuldrecht BT, sodass § 199 keine Anwendung findet. Nach der teleologischen Auslegung könnte für ein Anwendbarkeit des § 199 sprechen, dass mit der Höchstfrist der Rechtsfrieden gefördert und Rechtssicherheit geschaffen werden würde. Jedoch stehen auch diese Aspekte hinter dem § 548 indem eine schnelle Klärung der bestehenden Ansprüche bzgl. des Zustands der Mietsache erreicht wird durch die Frist von 6 Monaten nach Rückgabe der Mietsache. Es ist zu beachten, dass der Vermieter in der Lage sein muss den Zustand der Mietsache zu überprüfen. Dafür muss man an die Rückgabe anknüpfen. Dieser Zweck würde durch die Anwendung des § 199 unterlaufen werden, da dessen Höchstfrist bereits verstrichen sein könnte, bevor der Vermieter die Mietsache zurückerhalten hat. Der Telos der Norm spricht für eine abschließende Regelung des § 548 I. Somit handelt es sich im Ergebnis bei § 548 um eine abschließende Sonderregelung. Das Urteil bietet eine gute Gelegenheit, sich mit den verschiedenen Auslegungsmethoden auseinanderzusetzen. D. In der Prüfung Anspruch aus §§ 280 I, 241 II, 535, 421 BGB I. Anspruch entstanden II. Anspruch nicht untergegangen III. Anspruch durchsetzbar 1. Keine Verjährung des Anspruchs (P) E. Literaturhinweise JuS 2023, 73 (Prof. Dr. Sebastian Omlor); FD-MietR 2022, 452359 (Nikolay Pramataroff, Wolf-Rüdiger Bub); NJW-Spezial 2023, 1 (Michael Drasdo); LMK 2023, 806154 (Prof. Dr. Carl-Heinz Witt). Entscheidung-der-Woche-19-2023 .pdf PDF herunterladen • 121KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 29-2022 (ZR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 29-2022 (ZR) Marie-Christin Runkel Für die Berechnung von Schmerzensgeld kommt es insbesondere auf die Schwere der Verletzungen, das dadurch verursachte Leid, die Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und den Verschuldensgrad des Schädigers an. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VI ZR 937/20 in: NJW 2022, 1953 MDR 2022, 561 VersR 2022, 712 NZV 2022, 331 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Für die Berechnung von Schmerzensgeld kommt es insbesondere auf die Schwere der Verletzungen, das dadurch verursachte Leid, die Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und den Verschuldensgrad des Schädigers an. 2. Es findet keine „taggenaue“ Berechnung statt. B. Sachverhalt Im Dezember 2012 war der Kläger als Unfallhelfer bei einem Verkehrsunfall auf einem Seitenstreifen der Autobahn anwesend und wurde dabei von einem ins Schleudern geratenen Fahrzeug erfasst. Der Kläger wurde erheblich verletzt. Bis Februar 2015 durchlief er 13 stationäre Krankenhausaufenthalte und war insgesamt für 500 Tage im Krankenhaus. Unter anderem musste sein rechter Unterschenkel amputiert werden. Als Folge des Unfalls ist er zu mindestens 60 % seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Unstrittig ist die Einstandspflicht der Beklagten (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Pkw). Vom Landgericht wurde dem Kläger ein Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 100.000 € nebst Zinsen zugesprochen. In der Berufung des Klägers hat das OLG Frankfurt a. M. dieses Urteil dahingehend abgeändert, dass dem Kläger 200.000 € zugesprochen wurden. In der Revision begehrten die Beklagten die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. C. Anmerkungen Das OLG hat bei der Berechnung des Schmerzensgeldes des Klägers die „taggenaue“ Berechnung angewendet. Hierbei werden auf einer ersten Stufe die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt. Es findet eine Addition der Tagessätze für die Behandlung (von der stationären Behandlung, über eine ambulante Therapie, bis hin zu einem Dauerschaden) statt (z.B. 150 € für einen Tag Behandlung auf der Intensivstation). Es wird auf der Grundlage eines durchschnittlichen Einkommens eine „taggenaue“ Summe errechnet. Erst auf einer zweiten Stufe können Zu- oder Abschläge vorgenommen werden, die Einzelfallumstände mit einbeziehen. Aufgrund von Vorerkrankungen des Klägers wurde in seinem Fall vom OLG auf einen Abschlag entschieden. Laut BGH sei diese Berechnungsmethode nicht einzelfallsgercht. Es seien andere Kriterien zur Berechnung anzuwenden. Bei der Überprüfung der Entscheidung steht dem Berufungsgericht lediglich ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab zur Verfügung. Die Festlegung der Höhe des Schmerzensgeldes liegt gem. § 287 ZPO beim Tatrichter und kann nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Diese Rechtsfehler hat der BGH darin gesehen, dass nicht alle für die Berechnung maßgeblichen Umstände einbezogen wurden. Eine Berechnung gemessen an den Tagessätzen sei nicht sachgerecht. Bei einer Behandlung wegen eines unkomplizierten Armbruchs und bei der Amputation eines Unterschenkels würden demnach dieselben Tagessätze berechnet. Es ist aber von einer unterschiedlich schweren Beeinträchtigung auszugehen. Auch ist eine solche Amputation für einen Profifußballspieler schwerwiegender, als für jemanden, der einem Bürojob nachgeht. Laut BGH ist also eine individuelle Betrachtung notwendig. Zu berücksichtigen sind die konkreten Verletzungen des Geschädigten, die Behandlung, das individuelle Leid und mögliche Einschränkungen der künftigen Lebensweise. Das OLG hat nun unter Zugrundelegung der genannten Umstände erneut über die Berechnung des Schmerzensgeldes des Klägers zu entscheiden. D. In der Prüfung Gegen den Fahrer: § 18 Abs. 1 StVG / Halter: § 7 Abs. 1 StVG I. Rechtsgutverletzung II. Bei Betrieb eines Kfz III. Fahrzeugführer/ -halter IV. Verschulden V. Kein Ausschluss VI. Ersatzfähiger Schaden (P) Art und Umfang des Anspruchs Gegen den Haftpflichtversicherer: § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG Entspricht der Haftung aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG I. Haftung des Fahrzeughalters/-führers II. Rechtsfolge: Nach § 11 S. 2 StVG billige Entschädigung in Geld (P) Art und Umfang des Anspruchs E. Literaturhinweise Silzyk, Konkretisierung der Schmerzensgeldbemessung, NJW 2021, 3757; RÜ 2022, 426. Entscheidung-der-Woche-29-2022 .pdf PDF herunterladen • 110KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 26-2024 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 26-2024 (ÖR) Sebastian Hielscher Ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Willkürverbots in Betracht. Aktenzeichen BVerfG, Beschl. v. 17.5.2024 Az.: 2 BvR 1457/23 A. Orientierungssätze (d. Red.) 1. Ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Willkürverbots in Betracht. 2. Ein solcher Verstoß gegen das Willkürverbot liegt bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. 3. Gemessen daran verstößt die Entscheidung gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Willkürverbot, wenn sie keinerlei Ansätze sachgerechter Feststellungen und Erwägungen zur Täterschaft des Beschwerdeführers enthält, auf die bei einer Verurteilung nicht verzichtet werden kann. B. Sachverhalt Der Beschwerdeführer erhielt am 29.12.2022 einen Bußgeldbescheid wegen des Vorwurfs, die zulässige Höchstparkdauer gem. Zeichen 314 mit Zusatzzeichen nach Anlage 3 StVO sowie § 13 Abs. 1, 2, § 49 StVO, § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG und Nr. 63.3 BKat überschritten zu haben. Hiergegen erhob er Einspruch; das AG Siegburg verhängte in der Folge eine Geldbuße von 30 Euro. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug gegen 14:30 Uhr geparkt und dieses sich bis 17:35 Uhr unbewegt auf dem Parkplatz befunden habe. Die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Fahrer des fraglichen Fahrzeugs entnahm das Gericht den Angaben im Bußgeldbescheid und einer Auskunft des Fahreignungsregisters, nach welcher der Beschwerdeführer Halter des Fahrzeugs war. Der Beschwerdeführer selbst hatte zur Fahrereigenschaft geschwiegen. Das OLG Köln verwarf den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, durch das amtsgerichtliche Urteil in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt worden zu sein. Eine Beweisaufnahme des AG Siegburg habe in Bezug auf die Fahrereigenschaft nicht stattgefunden. Der schlichte Schluss von der Halter- auf die Fahrereigenschaft sei objektiv willkürlich. Die Verfassungsbeschwerde sei geboten, um der Willkür in nicht rechtsmittelfähigen Rechtssachen nicht "Tür und Tor" zu öffnen. C. Anmerkungen Die zweite Kammer des zweiten Senats nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Das angegriffene Urteil verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG in ihrer Ausprägung als Willkürverbot. Das Bundesverfassungsgericht ist keine Superrevisionsinstanz und überprüft nicht die Auslegung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen in die Entscheidungen der Fachgerichte kommt aber unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Willkürverbots gem. Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Eine solche liegt aber nicht schon in jeder fehlerhaften Auslegung oder Anwendung des einfachen Rechts durch das Fachgericht. Vielmehr muss die fachgerichtliche Entscheidung nach den das Grundgesetz prägenden Gedanken nicht mehr verständlich sein und sich daher bei verständiger Würdigung der Schluss aufdrängen, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Dieser Maßstab gilt auch für die von den Gerichten vorgenommene Beweiswürdigung. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt sich die Entscheidung des AG Siegburg als objektiv willkürlich dar. Sie enthält keinerlei sachgerechte Feststellungen und Erwägungen zur Täterschaft des Fahrzeughalters. Der Beschwerdeführer hatte sich insoweit auf sein Schweigerecht zurückgezogen; allein aus der Haltereigenschaft kann aber nicht generell auf seine Täterschaft geschlossen werden, wenn jegliche anderweitigen Beweisanzeichen fehlen. Da diese Auffassung auch in fachgerichtlicher Rechtsprechung sowie Literatur zum Straßenverkehrs- und Strafprozessrecht als einhellig anerkannt gelten kann, ist nicht auszuschließen, dass das AG bei sachgemäßer Verfahrensführung zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre. Da die Entscheidung wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG verfassungswidrig ist, kann die mögliche Verletzung weiterer Verfassungspositionen (Etwa Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG oder die Garantien der EMRK) auf sich beruhen. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde 1. Zuständigkeit des BVerfG 2. Beschwerdefähigkeit 3. Beschwerdegegenstand 4. Beschwerdebefugnis (P): BVerfG keine Superrevisionsinstanz 5. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität 6. Form und Frist II. Begründetheit 1. Verletzung von Freiheitsrechten 2. Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG (P): Verstoß gegen das Willkürverbot E. Literaturhinweise BVerfGE 87, 273 (278 f.) m.w.N. Lang, Dorothee: Das Willkürverbot - ein allzeit einsatzbereites Mittel des BVerfG, in: ZJS 2015, 39. Entscheidung der Woche 26-2024 .pdf PDF herunterladen • 2.15MB Zurück Nächste

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