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  • Entscheidung der Woche 33-2024 (ZR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 33-2024 (ZR) Hawa Etemadi Eine Verantwortlichkeit des Gläubigers im Sinne der §§ 323 VI Fall 1 und 326 II 1 Fall 1 BGB kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Vertrags ergibt, dass der Gläubiger das Risiko eines bestimmten Leistungshindernisses ausdrücklich oder konkludent übernommen hat und sich dieses Leistungshindernis verwirklicht. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BGH Urteil v. 25.06.2024 - X ZR 97/23 Fundstelle: NWB HAAAJ-72144 A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Eine Verantwortlichkeit des Gläubigers im Sinne von § 323 Abs. 6 Fall 1 BGB und § 326 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Auslegung des Vertrags ergibt, dass der Gläubiger nach der vertraglichen Gestaltung das Risiko eines bestimmten Leistungshindernisses ausdrücklich oder konkludent übernommen hat und sich dieses Leistungshindernis verwirklicht. 2.  Die stillschweigende Übernahme eines Risikos kommt insbesondere in Betracht, wenn dieses schon bei Vertragsschluss bestanden hat und nur eine Vertragspartei in der Lage war, es abzuschätzen, oder wenn seine Verwirklichung von persönlichen Verhältnissen eines Vertragspartners abhängt, die der andere Teil nicht beeinflussen kann. 3. Eine stillschweigende Übernahme ist in der Regel zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Luftbeförderung unter Ausschluss der nachträglichen Änderung des Beförderungszeitpunktes bucht, obwohl die zu befördernden Personen von einem für das Zielland seit längerem bestehenden Einreiseverbot betroffen sind, das an den Zweck der Reise oder sonstige persönliche Umstände anknüpft, und nicht absehbar ist, ob dieses Verbot vor dem vereinbarten Beförderungszeitpunkt aufgehoben wird. B. Sachverhalt Mitten in der Corona-Pandemie buchte eine Reiseagentur für ihre Kunden eine Flugreise von München in die USA und zurück. Zum Zeitpunkt der Buchung bestand bereits ein Einreiseverbot in die USA für Passagiere aus dem Schengen-Raum. Da das Einreiseverbot bis zum geplanten Abflug weiterhin galt, traten die Kunden die Reise nicht an. Die Reiseagentur verlangte daraufhin von der Fluggesellschaft die Rückerstattung des gezahlten Flugpreises. Der BGH entschied jedoch, dass die Reiseagentur keinen Anspruch auf Rückzahlung hat, da sie das Risiko des Leistungshindernisses durch das Einreiseverbot stillschweigend übernommen habe. C. Anmerkungen Der BGH befasst sich mit der Frage, inwieweit eine Reiseagentur zur Zahlung verpflichtet bleibt, wenn eine gebuchte Flugreise aufgrund eines bestehenden Einreiseverbots unmöglich wird. Der BGH entschied, dass die Reiseagentur kein Rücktrittsrecht gemäß § 326 Abs. 5 BGB habe, da sie das Risiko der Unmöglichkeit durch das Einreiseverbot übernommen habe. Dabei stellte der BGH zunächst fest, dass der Vertrag über die Erbringung der Flugreise als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB einzustufen ist. Ein Werkvertrag verpflichtet den Unternehmer dazu, eine bestimmte Leistung zu erbringen, hier die Beförderung der Passagiere von einem Ort zum anderen. Als die Passagiere ihre Reise aufgrund des Einreiseverbots nicht antraten, betrachtete der BGH dies als einen konkludenten Rücktritt vom Werkvertrag, der auch für die Reiseagentur galt, da sie die Flüge für ihre Kunden gebucht hatte. Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die Frage, ob der Reiseagentur ein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB zustand, da die Leistung unmöglich geworden war. Im Grundsatz erlöschen die gegenseitigen Leistungspflichten bei Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, sodass ein Rücktritt eigentlich überflüssig wäre. Der BGH prüfte trotzdem, ob ein solches Rücktrittsrecht bestand, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Reiseagentur aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für die Unmöglichkeit kein Rücktrittsrecht geltend machen konnte. Die Verantwortlichkeit der Reiseagentur wurde damit begründet, dass sie die Flüge zu einem Zeitpunkt buchte, als das Einreiseverbot in die USA bereits bestand und das Risiko der Fortdauer dieses Verbots erkennbar war. Der BGH führte aus, dass die Reiseagentur über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügte, um das Risiko zu beurteilen, da das Einreiseverbot nur für touristische Reisen galt. Die Reiseagentur war daher besser als die Fluggesellschaft in der Lage, einzuschätzen, ob die gebuchten Passagiere tatsächlich von dem Verbot betroffen wären. Diese bessere Einsichtsfähigkeit der Reiseagentur führte dazu, dass der BGH ihr die Verantwortung für die Unmöglichkeit der Flugreise zuschrieb und somit das Rücktrittsrecht verneinte. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Risikoverteilung in Vertragsverhältnissen, insbesondere unter unsicheren Bedingungen wie der Corona-Pandemie. Der BGH betonte, dass die Partei, die über die besseren Erkenntnismöglichkeiten verfügt, auch das Risiko tragen muss. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle, in denen außergewöhnliche Umstände wie pandemiebedingte Maßnahmen zu einer Unmöglichkeit der Leistung führen können. D. In der Prüfung 1. Vertrag II. Leistungsbefreiung, § 275 BGB III. Kein Ausschluss (P) E. Literaturhinweise MüKo-BGB/Ernst, § 326 Rn. 56 BeckOK-BGB/Schmidt, § 326 Rn. 14 Entscheidung der Woche 33-2024 .pdf PDF herunterladen • 3.13MB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 16-2021 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 16-2021 (SR) Laura Schlunk Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 2 StR 432/20 in: BeckRS 2021, 4037 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung, die sich grundsätzlich auch daraus ergeben kann, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zu Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. zur Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen, genügt. 2. Ein bloßes Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung. Die Drohung erfordert, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. B. Sachverhalt Der Angeklagte (A) rief im März 2019 bei dem Geschäftsführer der Firma des Geschädigten (G) an. Er gab an, die Kaution für einen guten Freund stellen zu wollen, der in Schwierigkeiten geraten war. A forderte G zu einer Zahlung von 2.500 € auf. A hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Drohungen gegen G ausgesprochen. Aus Angst der A könnte seine Drohungen wahr machen, ließ G 900 € von einem Boten an A übergeben. Dieser hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, das Geld an G zurückzuzahlen. Ist G wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar? C. Anmerkungen Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB verurteilt. Nach der Ansicht des Landgerichts liegt in der alten Drohung des Angeklagten ein taugliches Nötigungsmittel. Diese stehe im direkten finalen Zusammenhang mit der Angst des Geschädigten und habe ihn so zu der Übergabe der 900 € an den Angeklagten bewegt. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung hält der rechtlichen Nachprüfung des BGH nicht stand. Nach der Ansicht des BGH erfordern sowohl die räuberische Erpressung als auch der Raub einen finalen Nötigungszusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der Handlung des Geschädigten. In diesem Fall hatte der Angeklagte dem Geschädigten nicht gedroht. Es käme jedoch eine konkludente Drohung in Betracht. Bei dieser ergibt sich die Drohung aus dem Verhalten des Täters. Er muss eine Gefahr für Leib und Leben in Aussicht stellen und aus diesem Verhalten genügend erkennbar machen. Möglich wäre dies durch wiederholt angewendete Gewalt, bei der mit einer erneuten Anwendung zur Erzwingung des Vermögensschadens gedroht würde. Im vorliegenden Fall habe der Angeklagte den Geschädigten jedoch lediglich angerufen. Aus diesem Verhalten lasse sich nicht auf eine Drohung gegenüber dem Angeklagten schließen. Der Anklagte habe nur die Angst des Geschädigten ihm gegenüber ausgenutzt. Es liege dabei keine mindestens konkludente Androhung einer Gewaltanwendung vor, die Erwartungshaltung des Geschädigten bezüglich einer Schädigung auf Grundlage der früheren Drohungen ist nicht ausreichend. Neue Drohungen seien nicht erfolgt. Es liege zudem kein finaler Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der Handlung des Angeklagten vor. Der Angeklagte ist in diesem Fall nicht wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 strafbar. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg. D. In der Prüfung I. Objektiver Tatbestand 1. Qualifiziertes Nötigungsmittel a) Gewalt gegen eine Person b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 2. Nötigungserfolg 3. Finaler Nötigungszusammenhang E. Zur Vertiefung Zur räuberischen Erpressung Kindhäuser in: Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 255 Rn. 1ff.; zur Gegenwärtigkeit der Drohung Sander in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 255 Rn. 5ff. Entscheidung-der-Woche-16-2021 .pdf PDF herunterladen • 210KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 28-2021 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 28-2021 (SR) Yael Prantl Zum Gewahrsam des Bankkunden am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten, wenn er den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der zugehörigen PIN-Nummer ausgelöst hat. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 338/20 in: NJW 2021, 1545 (m. Anm. Lenk); BeckRS 2021, 7199; NStZ 2021, 425 (m. Anm. El-Ghazi) A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Zum Gewahrsam des Bankkunden am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten, wenn er den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der zugehörigen PIN-Nummer ausgelöst hat. 2. Bargeld, das ein Geldautomat am Ende eines ordnungsgemäßen Abhebevorgangs ausgibt, steht mit der Bereitstellung im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit regelmäßig (auch) im Gewahrsam desjenigen, der diesen Vorgang durch Eingabe der Bankkarte und der PIN-Nummer in Gang gesetzt hat. (Leitsatz der Redaktion) B. Sachverhalt O führte seine „EC-Karte“ mit der Absicht Bargeld abzuheben in einen Geldautomaten ein. Nachdem O seine PIN-Nummer eingegeben hatte, trat A hinzu und lenkte ihn ab, indem er das Bedienfeld mit einer Zeitung verdeckte. Sodann gab A verdeckt unter der Zeitung einen Auszahlungsbetrag von 500 EUR ein. Das ordnungsgemäß ausgegebene Bargeld entnahm A dem Automaten und entfernte sich, während O immer noch abgelenkt war. Hat sich A wegen Diebstahls strafbar gemacht? C. Anmerkungen Der BGH widmete sich in diesem Fall konkret der Frage, wie sich die Gewahrsamsverhältnisse am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten darstellen, wenn der Kunde den Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der PIN bereits ausgelöst hat, das Geld aber von einem unberechtigten Dritten entwendet wurde. Auf die Frage, ob der Gewahrsam des den Automaten betreibenden Geldinstituts nach Ausgabe des Geldes noch fortbesteht, ging der BGH nicht näher ein, da im jeden Falle bereits ein (Mit-)Gewahrsam des jeweiligen Nutzers der Bankkarte an dem Geld begründet worden sei. Laut BGH habe A das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme jedenfalls dadurch verwirklicht, dass er den Gewahrsam des O über die Geldscheine gebrochen hat. Nach der Rechtsprechung des BGH ist Gewahrsam die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Umfang sich nach der Verkehrsauffassung bestimmt. Hierzu muss nicht notwendigerweise eine räumliche Nähe zur Sache bestehen. Vielmehr genügt es, wenn die Sachherrschaft bei einer räumlichen Trennung im Bereich des sozial Üblichen für eine bestimmte Zeit ausgeübt werden kann. Demnach ist nach ordnungsgemäßer Bedienung eines Geldautomaten das Bargeld im Ausgabefach regelmäßig im Gewahrsam desjenigen, der den Abhebevorgang durch Eingabe der Bankkarte und der PIN-Nummer in Gang gesetzt hat. Der BGH argumentiert, dass der Verkehr ab diesem Zeitpunkt das Geld jedenfalls auch dem Kartennutzer zuordnet. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass es sozial üblich ist und teils auch durch entsprechende Hinweise oder Vorrichtungen der Banken eingefordert wird, dass Dritte während des Abhebevorgangs Abstand zum Automaten und dem an ihm tätigen Kunden halten sollen. Subjektiv bestehe der Gewahrsam des Karteninhabers in Gestalt eines antizipierten Beherrschungswillens. Der Abhebevorgang wird gerade zu dem Zweck und mit dem Willen zur Sachherrschaft über das ausgegebene Bargeld in Gang gesetzt. Dem Kontoinhaber sei dabei in der Regel bewusst, dass Bargeld nur unter einer entsprechenden Belastung des Bankkontos freigegeben wird. Der antizipierende Herrschaftswille bezieht sich daher stets auf sämtliches Bargeld, das infolge der Automatennutzung ausgegeben wird. Auf die Tatsache, dass O die Ansichnahme der Geldscheine durch A nicht wahrgenommen hat, kommt es hier nicht an. Der Bankkunde wird auch bei unbemerktem Ansichnehmen von Geld stets den Willen haben, Sachherrschaft über das infolge seiner Eingabe bereitgestellte Geld auszuüben. Der BGH verurteilte A wegen Diebstahls gem. § 242 Abs. 1 StGB. Mit diesem Urteil stellt der BGH klar, dass es nicht darauf ankommt, ob der Täter den Gewahrsam der Bank oder des Kunden bricht. Für die Annahme eines Diebstahls ist es demnach unerheblich, wessen Gewahrsam der Täter bricht, solange jedenfalls einer vorlag. D. In der Prüfung § 242 Abs. 1 StGB I. Objektiver Tatbestand 1. Fremde bewegliche Sache 2. Wegnahme a. Bruch fremden Gewahrsams (P) b. Begründung neuen Gewahrsams II. Subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz 2. Absicht rechtswidriger Zueignung III. Rechtswidrigkeit, Schuld IV. Ergebnis E. Zur Vertiefung Ladiges, Gewahrsam am Geld im Ausgabefach eines Geldautomaten, RÜ 2021, 378; Beukelmann/Heim, Gewahrsam an Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten, NJW-Spezial 2021, 280; Kudlich, Gewahrsam am Geld im Bankautomatenfach, JA 2021, 519. Entscheidung-der-Woche-28-2021 .pdf PDF herunterladen • 215KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 10-2018 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 10-2018 (ÖR) Jendrik Wüstenberg Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2018 ist polemische Kritik an einer in der DDR zum Tode verurteilten Person, die später in der Bundesrepublik rehabilitiert wurde, durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt. Wo? Az.: BVerfG, 1 BvR 2465/13 in: BeckRS 2018, 1466 Was? BVerwG, Beschluss vom 24.01.2018 Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2018 ist polemische Kritik an einer in der DDR zum Tode verurteilten Person, die später in der Bundesrepublik rehabilitiert wurde, durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt. Der politische Kontext einer Meinungsäußerung ist bei der Beurteilung, ob diese Äußerung zulässig ist, miteinzubeziehen. Es besteht keine Pflicht, Rehabilitationsmaßnahmen der Bundesrepublik zu billigen oder Handlungen von Widerstandskämpfern gegen das DDR-Regime dahingehend zu würdigen, dass in ihnen ein Beitrag zum Widerstand gegen die DDR-Diktatur lag. Warum? Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist immer wieder mit strafrechtlichen Normen wie der Beleidigung oder, wie hier geschehen, der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in Einklang zu bringen. Ein Klausurbearbeiter muss hier zunächst erkennen, dass es sich bei den Äußerungen des Beschwerdeführers um Werturteile handelt, die vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst sind. Bei der Eröffnung des Schutzbereichs kommt es nicht auf die Richtigkeit, den Wahrheitsgehalt oder die Rationalität einer solchen Äußerung an. Im Original betrieb der Beschwerdeführer eine Website, auf der er sich kritisch mit der Aufarbeitung der DDR durch die Bundesrepublik auseinandersetzte und diese als einseitig bezeichnete. Ein solches Szenario kann für Klausuren sehr einfach umgestaltet werden. Hier sind Varianten denkbar, in denen solche Äußerungen z. B. in Vorträgen, Zeitungsartikeln, Büchern, Reden oder Interviews fallen. Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung muss dann umfangreich zwischen dem Achtungsanspruch des Verstorbenen einerseits und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers abgewogen werden. Hier ist dann besonders auf die Angaben bzgl. des Kontexts, in dem diese Äußerungen im Sachverhalt getätigt wurden, einzugehen. Vertiefungsaufgabe Parallelen finden sich hier zur Rechtsprechung des BVerfG in Bezug auf Äußerungen von Amtsträgern. Auch bei diesen ist zu prüfen, in welchem Umfeld und Kontext polemische Äußerungen fallen. Hierzu sollten die Entscheidungen BVerfGE 138, 102-125 sowie BVerfGE 136, 323-338 gelesen und aufgearbeitet werden. Entscheidung-der-Woche-10-2018 .pdf PDF herunterladen • 278KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 02-2021 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 02-2021 (ÖR) Jasmin Wulf Die Vorgaben für die Haartracht von Soldaten in Nr. 202 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 haben in § 4 Abs. 3 Satz 2 SG keine den Vorgaben des Gesetzesvorbehaltes genügende, hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerwG - 1 WB 28.17 in: www.bverwg.de A. Leitsatz Die Vorgaben für die Haartracht von Soldaten in Nr. 202 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 haben in § 4 Abs. 3 Satz 2 SG keine den Vorgaben des Gesetzesvorbehaltes genügende, hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Sie dürfen aber für eine Übergangszeit weiter angewandt werden. B. Sachverhalt (vereinfacht) Dem Verfahren liegt die Wehrbeschwerde eines Berufssoldaten zu Grunde, der nach eigenen Angaben ein Anhänger der Gothic-Kultur ist und lange Haare tragen möchte. Er ist verpflichtet, im Dienst Uniform zu tragen und unterliegt zusätzlich der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2630/1 "Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr", auch als „Haar- und Barterlass“ bekannt. Er hält die Regelung in Nr. 202 für diskriminierend, nach der männliche Soldaten die Haare kurz geschnitten tragen müssen. Dieselbe Dienstvorschrift gestatte es Soldatinnen, die Haare lang und am Hinterkopf zusammengebunden zu tragen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat der Beschwerde nicht abgeholfen. C. Anmerkungen Den Antrag des Soldaten auf Aufhebung der Dienstvorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis zurückgewiesen. Wie bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, schließt es das Gleichberechtigungsgebot nicht aus, für Soldatinnen und Soldaten unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Dienstkleidung und Haartracht bei der Dienstausübung vorzusehen. Die Vorgaben für die Haartracht von Soldaten in Nr. 202 ZDv A-2630/1 greifen unmittelbar in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein. Sie beschränken zum einen sein Recht, über die Gestaltung seiner äußeren Erscheinung auch im Dienst eigenverantwortlich zu bestimmen. Zum anderen beschränken sie damit notwendig zugleich sein Recht, sein äußeres Erscheinungsbild einschließlich der Haartracht im Rahmen seiner privaten Lebensführung außerhalb des Dienstes zum Ausdruck seiner individuellen Identität zu machen. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Es kann daher aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, das den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes entspricht und inhaltlich hinreichend bestimmt ist, wenn der Eingriff auf Gründe des Gemeinwohls gestützt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Hieran fehlt es vorliegend, weil der Erlassgeber für den Eingriff in die Freiheit von Soldaten, das äußere Erscheinungsbild ihres Körpers nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, nicht in hinreichend bestimmter Weise durch den parlamentarischen Gesetzgeber ermächtigt wurde. Eine solche ausreichende gesetzliche Grundlage enthält § 4 Abs. 3 S. 2 SG nicht. Die Norm ermächtigt nur zu Bestimmungen über die Uniform und die Kleidungsstücke, die mit der Uniform getragen werden. Weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzgebungsmaterialien ist eindeutig zu entnehmen, dass der Erlassgeber im Sachzusammenhang mit der Festlegung einer Kleiderordnung auch zu notwendig in den privaten Lebensbereich hineinwirkenden Regelungen über die Gestaltung von Körperbestandteilen von Soldatinnen und Soldaten ermächtigt wird. Da die früher geltende Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 2 SG aber weiter ausgelegt worden ist und ein einheitliches Auftreten der Bundeswehr im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit geboten ist, sind die Dienstvorschriften bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig weiter anzuwenden. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit der VB II. Begründetheit der VB 1. Schutzbereich 2. Eingriff 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a. Schrankenbereich b. Schranken-Schrankenbereich aa. Formelle Verfassungsmäßigkeit bb. Materielle Verfassungsmäßigkeit E. Zur Vertiefung Sodan/Ziekow, Grundkurs öffentliches Recht, § 7 Rn. 33ff.; BVerwG, Haartracht von Soldatinnen und Sol-daten, NVwZ-RR 2014, 767. Entscheidung-der-Woche-02-2021 .pdf PDF herunterladen • 90KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 35-2022 (ZR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 35-2022 (ZR) Jolanda Fiss Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH VI ZR 403/19 in: RÜ 2022, 223 A. Orientierungs- oder Leitsatz 1. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. 2. In besonderen Fällen – wie beispielsweise bei (Ehe-)Partnern, minderjährigen Kindern, Vertretern oder Bevollmächtigten oder im Falle freiwilliger Mitveranlassung durch den Betroffenen – muss sich der Betroffene eventuell die Selbstbegebung durch einen anderen wie eine eigene zurechnen lassen. 3. Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet und welcher Informationswert ihr damit beizumessen ist, ist von erheblicher Bedeutung, welche Rolle den Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Eine in der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson kann einen besonderen Schutz ihres Privatlebens beanspruchen, nicht aber eine Person des öffentlichen Lebens. B. Sachverhalt K ist der Lebensgefährte der Moderatorin S. Die B betreibt die Internetseite www.bild.de. Auf der Seite veröffentliche sie unter voller Namensnennung „ S, X und Y: Bei den Promi-Ladys herrscht SexFlaute!“. In dem Artikel wird u.a. darüber berichtet, S habe in einem Interview mit „Bunte“ über das „Sex-Leben mit ihrem Partner K“ geklagt: „Wir sind meistens viel zu müde, um irgendwelche zwischenmenschlichen Zärtlichkeiten auszutauschen.“ K ist der Auffassung, die Berichterstattung verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und sei daher zu unterlassen. B ist demgegenüber der Ansicht, dass K, als langjähriger Lebenspartner von S, nicht vorgetragen habe, dass die Äußerungen der S ohne seine Billigung erfolgt seien und er müsse sich dies zurechnen lassen, auch wenn S sich nicht dazu geäußert habe, dass K ihr Lebenspartner sei. C. Anmerkungen Der BGH hat einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog angenommen. Der BGH stützte dies darauf, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme zwar dort entfallen kann, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte gewöhnliche als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden oder sofern der Betroffene sich die Selbstbegebung durch einen anderen wie eine eigene zurechnen lassen muss. Hier hat K aber weder selbst öffentlich gemacht, dass er als Partner von S von deren „Sex-Flaute“ mitbetroffen sei, noch hat S den K im Zusammenhang mit ihren Aussagen über die wenigen sexuellen Kontakte namentlich benannt, sodass der Schutz der Privatsphäre nicht entfallen ist und mithin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegeben ist. Diese Beeinträchtigung erfolgte auch rechtswidrig, denn infolge einer Abwägung überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit der B. Dies folgt insbesondere daraus, dass es sich bei K weder, anders als bei S, nicht um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, noch hat er sich öffentlich über sein Sexualleben geäußert. Eine Abwägung ergibt im folgenden Fall, dass vordergründig nicht die ernsthafte und sachbezogene Erörterung der Frage steht, wie sich familiäre und berufliche Belastungen auf das Beziehungs- insbesondere das Sexualleben auswirken können, sondern vielmehr die bloße Befriedigung der Neugier der Leser daran, wer denn nun der von der „Sex-Flaute“ betroffene Partner der S ist. D. In der Prüfung § 1004 Abs. 1 S.2 BGB analog 1. Analogievoraussetzungen 2. Rechtswidrige Verletzung des APR a. Keine Sonderregeln b. Schutzbereich c. Rechtswidrigkeit 3. Störerin 4. Wiederholungsgefahr 5. Rechtsfolge E. Literaturhinweise Sajuntz zur aktuellen Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts, NJW 2022, 589. Entscheidung-der-Woche-35-2022 .pdf PDF herunterladen • 110KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 39-2019 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 39-2019 (ÖR) Jasmin Wulf Wie der Bundespräsident seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, entscheidet er grundsätzlich autonom; ihm kommt diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BVerfG, Urt. v. 10.06.2014 – 2 BvE 4/13 in: DÖV 2014, 673 A. Orientierungssätze 1. Wie der Bundespräsident seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben wahrnimmt, entscheidet er grundsätzlich autonom; ihm kommt diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. 2. Der Bundespräsident übt Staatsgewalt i.S.v. Art. 20 Abs. 2 GG aus und ist gem. Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte sowie Gesetz und Recht gebunden. 3. Für den Bundespräsidenten gelten weniger strenge Neutralitätspflichten als für andere Staatsorgane. Einzelne Äußerungen des Bundespräsidenten können gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich Partei ergreift. B. Sachverhalt (verkürzt) Im August 2013 nahm der Bundespräsident an einer Gesprächsrunde vor mehreren hundert Berufsschülern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren in einem Schulzentrum in Berlin-Kreuzberg teil. In der unter dem Motto „22.09.2013 – Deine Stimme zählt!“ stehenden Veranstaltung wies er u. a. auf die Bedeutung von freien Wahlen für die Demokratie hin und forderte die Schülerinnen und Schüler zu sozialem und politischem Engagement auf. Auf die Frage einer Schülerin ging er auch auf Ereignisse ein, die mit den Protesten von Mitgliedern und Unterstützern des Bundesverbandes der NPD gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf in Zusammenhang standen. In der Presseberichterstattung über die Veranstaltung wurden die Aussagen zitiert: „Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind sie alle aufgefordert.“ Und „Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen.“ In der Folge wandte sich der betroffene Bundesverband im Rahmen eines Organstreitverfahrens an das BVerfG. C. Anmerkungen Das BVerfG befand den Antrag für unbegründet. Die von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners seien von Verfassungswegen nicht zu beanstanden und verletzen daher die Antragstellerin nicht in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien. Der Bundespräsident repräsentiert Staat und Volk der Bundesrepublik Deutschland nach außen und innen und soll die Einheit des Staates verkörpern. Wie der Bundespräsident seine Repräsentations- und Integrationsaufgaben mit Leben erfüllt, entscheidet der Amtsinhaber grundsätzlich selbst. Dabei steht ihm insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Bundespräsident kann den mit dem Amt verbundenen Erwartungen nur gerecht werden, wenn er auf gesellschaftliche Entwicklungen und allgemeinpolitische Herausforderungen entsprechend seiner Einschätzung eingehen kann und dabei in der Wahl der Themen ebenso frei ist wie in der Entscheidung über die jeweils angemessene Kommunikationsform. Das Handeln des Bundespräsidenten findet seine Grenzen in der Bindung an die Verfassung und die Gesetze. Zu den vom Bundespräsidenten zu achtenden Rechten gehört das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG. Eine die Gleichheit ihrer Wettbewerbschancen beeinträchtigende Wirkung kann für eine Partei auch von der Kundgabe negativer Werturteile über ihre Ziele und Betätigungen ausgehen. Es erscheine geboten, aber auch ausreichend, negative Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei gerichtlich daraufhin zu überprüfen, ob er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit (+) B. Begründetheit (-) I. Befugnis des Bundespräsidenten (+) II. Grenzen der Äußerungsbefugnis 1. Verstoß gegen Chancengleichheit der Parteien (-) 2. Verstoß gegen Sachlichkeitsgebot (-) E. Zur Vertiefung Hillgruber, Zur Äußerungsbefugnis des Bundespräsidenten in Bezug auf politische Parteien, JA 2014, 796. Entscheidung-der-Woche-39-2019 .pdf PDF herunterladen • 269KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 16-2020 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 16-2020 (SR) Btissam Boulakhrif Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: OVG Thüringen 3 KO 620/18 A. Orientierungs- oder Leitsatz Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags. Der Handschlag stellt zwar keinen statusbegründenden, dennoch einen verpflichtenden symbolischen Akt dar. B. Sachverhalt Die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach vereidigte die Stadträte. Dafür sprach sie eine Erklärung vor, auf die Stadträte mit „Ich verpflichte mich.“ zu reagieren hatten. Die Stadträte taten dies jeweils, darunter auch der durch einen Wahlvorschlag der NPD gewählte Stadtrat W. Nach Ausspruch schüttelte die Oberbürgermeisterin jedem der Stadträte die Hand, außer jenen die durch den Wahlvorschlag der NPD in den Stadtrat gewählt wurden, darunter auch W. W begehrt nun, dass festgestellt werde, dass das Unterbleiben des Handschlages eine rechtswidrige Handlung der Oberbürgermeisterin darstellt. C. Anmerkungen Nachdem das zuständige VG in dieser Sache urteilte, dass dem Handschlag rein symbolischer Charakter zukäme und die Verweigerung eine hinnehmbare politische Symbolhandlung darstelle. Zudem wurde auch das Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Dieses Urteil wurde durch das OVG aufgehoben. Sowohl das Feststellungsinteresse, als auch die Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Handschlags wurden bejaht. Das Feststellungsinteresse resultiert zum einen aus dem Rehabilitationsinteresse und zum anderen aus seiner organschaftlichen Stellung. Bezüglich letzterem wurde ausgeführt, dass es sich bei dem in Frage stehenden Handschlag um Teil eines gesetzlich normierten Prozesses zur formalen Begründung seines Amtes handele. Es könne ihm nicht das Interesse abgesprochen werden, da es sich nicht nur um einen Rechtsstreit hinsichtlich der Ausübung seiner organschaftlichen Rechte, sondern bereits hinsichtlich der Begründung seines organschaftlichen Status, handelt. Es liegt zum anderen auch ein Feststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Durch die Ungleichbehandlung sei er in seinem Achtungsanspruch herabgesetzt worden, weshalb es ihm zustünde in Erfahrung zu bringen, ob dies rechtwidrig erfolgte. Dies sei insbesondere der Fall, da die Beklagte gerade eine öffentlichkeitswirksame Abgrenzung beabsichtigte. Die Wiederholungsgefahr dieses Verhaltens könne laut OVG dahinstehen. Das OVG sah die Klage weiterhin als begründet an. Zunächst stellte es fest, dass der Handschlag in § 24 Abs. 2 ThürKO gesetzlich vorgeschrieben war und dieser Verpflichtung durch die Oberbürgermeisterin nicht nachgekommen wurde. Es folgte insoweit der Ansicht des VG, als dass es ebenfalls feststellte, dass es sich bei dem Handschlag nicht um einen statusbegründenden Akt handelt. W also trotz der Verweigerung sein Amt bekleiden konnte. Dies folge aus § 24 Abs. 2 S. 2 ThürKO. Jedoch sei der Wortlaut des § 24 Abs. 2 ThürKO bezüglich der Verpflichtung zum Handschlag eindeutig. Diese ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzgebers. Das Erfordernis einer subjektiven inneren Bereitschaft existiere nicht und somit erfordere auch der symbolische Charakter, dass sowohl die amtierende Bürgermeister*in, als auch die jeweiligen Stadträte, sich diesem nicht entziehen. Weiterhin dürfe der Gesetzgeber von einer Bürgermeister*in erwarten, dass die Person, die bereit ist als politische und administrative Repräsentantin der Gemeinde, das Amt der Bürgermeister*in zu bekleiden ist, auch in der Lage ist die eigene Bereitschaft zum Handschlag, nicht von persönlichen Sympathien oder Antipathien abhängig zu machen. Interessant ist wohl die Betrachtung dieser Rechtsauffassung im Lichte der uns wohl noch länger beschäftigenden Coronavirus Pandemie. D. In der Prüfung A. Zulässigkeit der Klage I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs II. Statthafte Klageart III. Klagebefugnis IV. Feststellungsinteresse V. Beteiligtenfähigkeit VI. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen B. Begründetheit der Klage I. Passivlegitimation II. Rechtsverletzung E. Zur Vertiefung https://verfassungsblog.de/die-zwei-koerper-der-buergermeisterin/ Entscheidung-der-Woche-16-2020 .pdf PDF herunterladen • 104KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 48-2019 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 48-2019 (ÖR) Frederike Hirt Eine Selbstbindung der Verwaltung kann sich durch jahrzehntelang gewährte Sperrzeitverkürzungen ergeben. Haben sich hierdurch Gaststättenbetreiber auf ein entsprechendes Betriebsmodell eingerichtet, bedarf es zur Änderung der Verwaltungspraxis neben sachgerechten Erwägungen auch einer angemessenen Übergangsfrist. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: VGH Mannheim, Beschl. v. 12.12.2018 - 6 S 2448/18 in: NVwZ-RR 2019, 774 BeckRS 2018, 34107 A. Leitsatz Eine Selbstbindung der Verwaltung kann sich durch jahrzehntelang gewährte Sperrzeitverkürzungen ergeben. Haben sich hierdurch Gaststättenbetreiber auf ein entsprechendes Betriebsmodell eingerichtet, bedarf es zur Änderung der Verwaltungspraxis neben sachgerechten Erwägungen auch einer angemessenen Übergangsfrist. B. Sachverhalt (verkürzt) Seit 1992 erhält der Gaststättenbetreiber durchgehend eine auf sechs Monate befristete Sperrzeitverkürzung bis 06:00 Uhr. Der Antrag auf erneute Sperrzeitverkürzung für Juli-Dezember 2018 wurde unter Bezugnahme auf Anwohnerbeschwerden abgelehnt. Die Behörde habe ihre Verwaltungspraxis zur Erteilung daher geändert. Andere Gaststätten in räumlicher Nähe erhielten allerdings eine Verkürzung. Der Gaststättenbetreiber erhob Widerspruch und beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem Ziel vorläufig eine Sperrzeitverkürzung zu erhalten. C. Anmerkungen Anspruchsgrundlage für eine Sperrzeitverkürzung ist in Baden-Württemberg § 18 GastG i.V.m. § 12 GastVO. In Niedersachsen gelten für Gaststätten von vornherein keine Sperrzeiten, für Spielhallen gelten Ausnahmen nach § 10 NGastG i.V.m. § 2 SperrZVO. Der Schwerpunkt des Falles liegt in der Frage, ob das Ermessen der Verwaltung dahingehend auf Null reduziert ist, dass die Ausnahme von den Sperrzeiten dem Betreiber zugesprochen werden muss. Das könnte sich aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine rechtmäßige Verwaltungspraxis hinsichtlich der Bewilligung von Sperrzeitverkürzungen besteht. Indem eine Sperrzeitverkürzung dem Gesetzeswortlaut nach nur befristet und widerruflich bewilligt werden darf, könnte die durchgängige Bewilligungspraxis der Zielsetzung der Ausnahmeregelung widersprechen. Dann wäre sie rechtswidrig, ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht gerade nicht. Allerdings erkenne die GastVO in § 11 die Möglichkeit einer dauerhaften Ausnahme an. Auch bestünden für die „kettenbefristeten“ Sperrzeitaufhebungen gerade im Innenstadtbereich besondere örtliche Verhältnisse. Durch die ständige Praxis seit 1992 liegt somit eine rechtmäßige Verwaltungspraxis vor, die grundsätzlich zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Es steht der Behörde aber offen ihre Verwaltungspraxis für die Zukunft zu ändern, sofern ein sachlicher Grund vorliegt. Weder eine individuelle noch eine generelle Änderung habe die Behörde aber sachgerecht begründet. Denn andere Betreiber erhielten noch eine Sperrzeitverkürzung, konkrete Gründe nur dem Antragsteller die Ausnahme zu versagen, hätten nicht vorgelegen. Darüber hinaus stellt der VGH klar, dass die Behörde eine angemessene Übergangsregelung hätte treffen müssen. Dies gebiete der Vertrauensschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG. Selbst wenn die Änderung der Verwaltungspraxis sachgerecht gewesen wäre, hätte die Behörde die Sperrzeitverkürzung erst nach Ankündigung der Änderung und einem gewissen Zeitablauf versagen dürfen. Schließlich muss der Gaststättenbetreiber sein Betriebskonzept nach 25 Jahren Nachtbetrieb finanziell und strukturell neu aufstellen, wenn er keine Ausnahme mehr erhält bis 06:00 Uhr früh geöffnet zu haben. Ohne diese Ankündigung wäre eine Versagung auch ermessensfehlerhaft. Der VGH prüft in der Entscheidung sehr anschaulich die Voraussetzungen einer Selbstbindung der Verwaltung – vom Bestehen einer Praxis über ihrer Rechtmäßigkeit bis hin zu ihrer Beendigung sind alle Punkte enthalten, an denen eine Selbstbindung scheitern könnte. Sollte dies einmal der Fall sein, gilt es dennoch an Ermessensfehler durch Vertrauensschutzgesichtspunkte und mögliche Übergangsregelungen zu denken. D. In der Prüfung Begründetheit des Antrags I. Anordnungsanspruch 1. Anspruchsvoraussetzungen aus § 18 GastG i.V.m. § 12 GastVO 2. Rechtsfolge: Ermessensreduktion Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Selbstbindung der Verwaltung (!) II. Anordnungsgrund § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO III. Glaubhaftmachung § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO IV. Rechtsfolge: Ermessen des Gerichts und Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache (!) E. Zur Vertiefung Kluckert, Die Selbstbindung der Verwaltung, JuS 2019, 536ff. Entscheidung-der-Woche-48-2019 .pdf PDF herunterladen • 94KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 30-2020 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 30-2020 (SR) Malte Gauger Dass ehemalige Bewohner nicht mehr in ihren Wohnungen leben, lässt die Wohnungseigenschaft i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht entfallen. (Leitsatz der Redaktion) Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 3 StR 526/19 in: NJW 2020, 1750 BeckRS 2020, 7873 A. Orientierungs- oder Leitsatz Dass ehemalige Bewohner nicht mehr in ihren Wohnungen leben, lässt die Wohnungseigenschaft i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht entfallen. (Leitsatz der Redaktion) B. Sachverhalt Nach einigen begangenen Diebeszügen beschließt A, vorrangig in Häuser von Verstorbenen einzubrechen. Über entsprechende Todesfälle informiert er sich durch das Studieren der Traueranzeigen in der Tageszeitung. Er lässt sich für sein Vorhaben die Unterstützung des B zusichern. Seinem Plan entsprechend hebelt A am 6.5.2020 ein Fenster am Haus eines zwei Wochen zuvor Verstorbenen auf. Er steigt ein, während B draußen den Fluchtweg absichert. Die Beute von 60 € Bargeld teilen A und B untereinander auf. Einige Tage später hebelt A die Terrassentür zu einer weiteren Immobilie auf. Auch dieses Haus steht leer, weil dessen Bewohnerin kurz zuvor verstorben war. Dort entnimmt er einen Tresor und flüchtet gemeinsam mit B, der erneut den Fluchtweg absicherte, vom Grundstück. Dem Tresor entnehmen sie später 1.000 € Bargeld. C. Anmerkungen In der vorliegenden Entscheidung beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob Wohnungen (auch) dann unter den Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB fallen, wenn die Häuser zur jeweiligen Tatzeit seit dem Tod ihrer Bewohner unbewohnt waren. Der BGH hat das Vorliegen der Qualifikation im Ergebnis angenommen und hat dazu wie folgt ausgeführt: Wohnungen sind zunächst abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen. Die Häuser waren hier jeweils eingerichtet und als Unterkunft voll funktionstüchtig. Auch führt der BGH ein Wortlautargument an. Der Begriff der Wohnung bezeichne eine für die private Lebensführung geeignete und in sich abgeschlossene Einheit [...]. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei somit der Zweck der Stätte maßgebend, aber nicht, dass das Objekt tatsächlich bewohnt ist. Dieser Argumentation entspreche auch, dass ebenso Wohnmobile und Wohnwagen tatbestandlich auch dann unter den Wohnungseinbruchdiebstahl fallen, wenn sie zur Tatzeit nicht zum Wohnen genutzt werden. Ferner werde die Betrachtungsweise auch von der Gesetzessystematik bestätigt. Denn spätestens mit der Einführung des § 244 Abs. 4 StGB, der den Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung regelt, habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die (dauerhafte) Nutzung der Wohnung nicht als tatbestandliche Voraussetzung des einfachen Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstanden wissen will. Letztlich stellt der BGH auch noch auf den Sinn und Zweck der Qualifikation ab. Die Vorschrift schütze das Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen sowie die häusliche Integrität. Diese Rechtsgüter können auch dann verletzt sein, wenn sie neben den aktuellen Bewohnern weiteren Personen zugeordnet werden können, die einen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen, etwa weil sie sich häufig in ihnen aufhalten, weil es ihr Elternhaus ist oder weil sie in dem Haus private Gegenstände lagern. D. In der Prüfung I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Fremde bewegliche Sache b) Wegnahme c) § 244 StGB aa) § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (P) Wohnungseigenschaft E. Zur Vertiefung Zum Wohnungseinbruchdiebstahl allgemein: Rengier, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 82ff.; Siehe vertiefend auch: Bosch, Die Strafbarkeit des Wohnungseinbruchdiebstahls, Jura 2018, 50-59. Entscheidung-der-Woche-30-2020 .pdf PDF herunterladen • 297KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 27-2020 (SR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 27-2020 (SR) Yael Prantl Ein Kraftfahrer, der bei einem illegalen Autorennen in einer Ortschaft mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit einen anderen Menschen tötet, kann sich wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar machen. Aktenzeichen & Fundstelle Az.: BGH 4 StR 482/19 in: Pressemitteilung d. BGH Nr. 78/2020 v. 18.06.2020 (Entscheidung liegt noch nicht gedruckt vor) A. Orientierungs- oder Leitsatz Ein Kraftfahrer, der bei einem illegalen Autorennen in einer Ortschaft mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit einen anderen Menschen tötet, kann sich wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar machen. Bei Kraftfahrern, die an einem solchen Autorennen teilnehmen, deren Fahrzeug allerdings nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert, bleibt eine Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes vorerst aus. Aufgrund eines mangelnden gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschlusses kann keine Mittäterschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB angenommen werden. B. Sachverhalt A und B lieferten sich nachts in der Innenstadt von C ein illegales Autorennen mit hohen Geschwindigkeiten. Beide rasten auf eine Kreuzung zu und ignorierten dabei die roten Ampeln. A rammte auf der Kreuzung mit bis zu 170 km/h ein Auto, das bei grün regelkonform aus einer Seitenstraße fuhr. Der Fahrer dieses Wagens starb noch am Unfallort. Haben sich A und B wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. §§ 211, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht? C. Anmerkungen Das LG Berlin hat auch im zweiten Rechtsgang beide Angeklagten wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. § 211, 25 Abs. 2 StGB verurteilt. Der BGH stimmte dem nur zum Teil zu. Für den unmittelbar beteiligten Unfallverursacher (A) wurde der Schuldspruch wegen Mordes bestätigt. Aufgrund der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des A und der damit einhergehenden unvermeidbaren Unfallträchtigkeit könne auf die billigende Inkaufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen für den Unfallgegner geschlossen werden. A habe den Unfallhergang als möglich erkannt, die damit einhergehende Eigengefahr jedoch als gering eingeschätzt und hingenommen. Der BGH erkennt es damit in diesem Fall als rechtsfehlerfrei an, den bedingten Vorsatz aus den äußeren Tatumständen abzuleiten. Auch die Bewertung der Tat als heimtückischen und Mord aus niedrigen Beweggründen bestätigte der BGH. Bei der Heimtücke sei es nicht erforderlich, dass der Täter das Opfer wahrnehme oder seine Arglosigkeit instrumentalisiere. Die Rücksichtslosigkeit und Selbstsucht der Männer spreche überdies für die Annahme niedriger Beweggründe. Dagegen wies der BGH die Wertung als Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in ihrer subjektiven Komponente als rechtsfehlerhaft zurück, was sich jedoch nicht auf den Strafausspruch auswirkte. Die Verurteilung des B wegen mittäterschaftlichen Mordes gem. § 211, 25 Abs. 2 StGB hob der BGH auf. Es mangele insoweit an einem gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschluss. Angesichts der Fokussierung auf das Rennen sei es fernliegend, dass die beiden Angeklagten beim Zufahren auf die Kreuzung ihren gemeinsamen Tatentschluss konkludent auf die Tötung erweitert hätten. Eine mittäterschaftliche Zurechnung der Tat des Unfall-verursachers (A) sei somit nicht ausreichend belegt. Dies ist deshalb vom LG Berlin erneut, in einem dritten Rechtsgang, zu verhandeln. D. In der Prüfung A. Strafbarkeit des A I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tötung eines anderen Menschen b) Tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe): Heimtücke; mit gemeingefährlichen Mitteln c) Kausalität d) Objektive Zurechnung 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz: Abgrenzung zur Fahrlässigkeit b) Täterbezogene Mordmerkmale: Sonstige niedrige Beweggründe B. Strafbarkeit des B I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tathandlung b) Zurechnung der Tathandlung: gemeinsamer Tatentschluss E. Zur Vertiefung Allgemein zum Mord: Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 21. Aufl. 2020, § 4; vertiefend: LG Berlin, Urt. v. 26.03.2019 – (532 Ks) 251 Js 52/16 (9/18). Entscheidung-der-Woche-27-2020 .pdf PDF herunterladen • 91KB Zurück Nächste

  • Entscheidung der Woche 37-2025 (ÖR) | Hanoverlawreview

    Entscheidung der Woche 37-2025 (ÖR) Yannik Bogel Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks dessen Funktionsfähigkeit und Programmautonomie zu schützen und muss dem Gebot der Staatsferne folgen. Aktenzeichen und Fundstelle Az.: 1BVR 2578/ 24 in: Entscheidungsarchiv BVerfG A. Orientierungs - oder Leitsätze 1. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks dessen Funktionsfähigkeit und Programmautonomie zu schützen und muss dem Gebot der Staatsferne folgen. 2. Verfehlt der Gesetzgeber diese verfassungsrechtlichen Anforderungen sind die Anstalten des öffentlichen Rundfunks in ihrer Rundfunkfreiheit nach Art.5 I S.2 GG verletzt. 3. Bei der Organisation der Geschäftsleitung aber ist dem Gesetzgeber von Verfassung wegen kein bestimmtes Modell vorgegeben, es kommt ihm vielmehr Gestaltungsfreiheit zu. 4. Die Schaffung eines eigenen Direktoriums neben der Intendanz durch den Landesgesetzgeber verletzt nicht das Recht auf Rundfunkfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. B. Sachverhalt Die Länder Berlin und Brandenburg schlossen im November 2023 den rbb-Staatsvertrag, welcher am 01.Januar 2024 in Kraft trat. Damit möchte der Gesetzgeber Konsequenzen aus den 2022 veröffentlichenVersäumnissen bei rbb ziehen und strukturellen Defiziten entgegentreten. So bildet der Staatsvertrag den neuen Rechtsrahmen für rbb.Der öffentliche-rechtliche Rundfunk rbb greift nun in seiner Beschwerde Bestimmungen dieses Staatsvertrages an, vor allem § 15 Nr. 3 und 4. In diesen ist geregelt, dass zusätzlich zur Intendanz ein weiteres Organ der Geschäftsleitung berufen wird, das neue Direktorium. Dessen Zuständigkeiten werden unter Verweis auf die Gesamtverantwortung der Intendanz festgelegt. Ihm werden eigene Geschäftsbereiche zugewiesen, die es selbstständig leitet. Zudem ist es zusammen mit der Intendanz für die Klärung von Meinungsverschiedenheiten, die mehrere Geschäftsbereiche berühren, zuständig. C. Anmerkungen Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde als zulässig, aber unbegründet empfunden.Vor der weiteren Prüfung der Beschwerde hat es festgestellt, dass das BVerfG auch zur Prüfung der entsprechenden Bestimmungen des Staatsvertrags zuständig ist, obwohl Art.5 des EuropäischenMeinungsfreiheitsgesetzes eine eigene Pflicht zur Sicherstellung redaktioneller Unabhängigkeit vorsieht. Die entsprechenden Grundsätze sind schließlich erst auf innerstaatlicher Ebene festzulegen.Bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Er hat bei seiner Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit des Rundfunks und seiner Programmautonomie gewahrt werden. Ebenfalls muss er dem Gebot der Staatsferne folgen. Verstößt er gegen diese Anforderungen, so ist die Rundfunkanstalt in ihrer Rundfunkfreiheit verletzt. Die vom rbb gerügte Schwächung der Intendanz führt nicht notwendig zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit, sondern nur zu einer anderen Entscheidungsstruktur. Die Einrichtung kooperativer Entscheidungsfindungen steht dem Rundfunkgesetzgeber grundsätzlich offen. Zudem dient die Widerspruchsmöglichkeit der Intendanz dazu, untragbare Entscheidungen zu verhindern. Mögliche personelle Konsequenzen für Direktoriumsmitglieder durch den Landesgesetzgeber erhöhen zudem Druck zur Verständigung auf Kompromisslösungen. D. In der Prüfung I. Zulässigkeit II. Begründetheit 1. Schutzbereich 2. Eingriff 3. Rechtfertigung a) Schranken b) Schranken-Schranken (P) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers E. Literaturhinweise Pressemitteilung 75/2025 vom 21. August 2025 des Bundesverfassungsgerichts Entscheidung der Woche 37-2025 .pdf PDF herunterladen • 95KB Zurück Nächste

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